Anzeige
Anzeige
Anzeige

Cirkus Columbia

Kritik Details Trailer News
Der Sommer vor den Bomben

Cirkus Columbia Kritik

Cirkus Columbia Kritik
0 Kommentare - 25.09.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4.5 / 5

Ohne seine Glückskatze ist Divko (Miki Manojlovic) nur ein halber Mann. Bonnie heißt das Tier, das er aus Deutschland zurück nach Bosnien bringt. Im Auto sitzt auch seine junge Freundin Azra (Jelena Stupljanin). Mit ihr will Divko in seiner alten Heimat ein neues Leben beginnen. Es ist aber nicht die Rückkehr ins Paradies, die sich Divko erträumt hatte. Wie in seinem Oscargewinner No Man's Land (2001) erzählt Regisseur Danis Tanovic nun einmal mehr, wie sinnlos, aber auch unvermeidbar die Kriege in Ex-Jugoslawien waren. Cirkus Columbia ist eine melancholische und tragische Erinnerung an den letzten Sommer vor den Bomben - und eine großartige Ode an die Menschlichkeit.

Für Divko, in Jugoslawien von den Kommunisten als Staatsfeind ins Exil gezwungen, ist die Rückkehr eine Genugtuung: Er wirft mit D-Mark-Scheinen um sich, führt seine Geliebte wie eine Trophäe durch das Städtchen. Seine erste Amtshandlung: Er wirft seine Frau Lucija (Mira Furlan) und seinen Sohn Martin (Boris Ler) aus der Wohnung. Das Haus gehört schließlich ihm - auch wenn er sich 20 Jahre nicht um sie kümmerte. Sollen sie sehen, wo sie bleiben.

Dass der Balkan im Sommer 1991 ein Pulverfass ist und explodieren wird, damit rechnet Divko nicht. Obwohl sich immer dickere Gewitterwolken zusammenbrauen. Cirkus Columbia ist ein politischer Film, aber einer, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt, der originell und mit charmantem Witz erzählt ist.

Tanovic hat ein großes Herz für seine Figuren. Viele scheinbar beiläufige Szenen lassen eine ziemlich konkrete Vorstellung von der Ungewissheit entstehen, die in der Zeit des Systemwechsels herrschte. Das ist manchmal lustig und skurril, ohne polternd zu sein - und oftmals traurig.

Die Menschen kämpfen sich durch ein Leben, von dem sie sich Normalität wünschen. Azra entfremdet sich von Divko, der sich in seiner alten Heimat immer stärker verändert. Martin träumt von Amerika und vom ersten Sex - und verliebt sich in die Freundin seines Vaters. Der Vorabend des Krieges ist ein heißer Sommer, in dem die Hormone Boogie tanzen.

Aber da ist ja noch Bonnie, die Glückskatze. Mit ihrem Verschwinden stiehlt sich auch die Sorglosigkeit davon. Divko ist außer sich, und jeder sucht sein Kätzchen. Dabei kommen sich Azra und Martin recht nahe, und Divko akzeptiert, dass sich sein Land verändert hat. Und dass er sich ändern muss. Doch dafür ist kaum noch Zeit: "Scheiß auf die Armee, Scheiß auf den Krieg", brüllt sein Sohn Martin heraus. Er will normal leben und lieben, während seine Kumpels ihre Uniformen abholen.

Den Titel bekam der Film übrigens von einem Kettenkarussell: Zwei Mal fährt Divko mit dem Cirkus Columbia. Einmal direkt nach seiner Rückkehr, es ist eine unbeschwerte Reise in seine Kindheit. Und das zweite Mal im letzten Morgengrauen. Divko setzt das Karussell selbst in Bewegung. Es ist niemand da, der es anhalten kann, es gibt kein Zurück. Am Horizont fallen die ersten Bomben.

Cirkus Columbia bekommt 4,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)

Cirkus Columbia Bewertung
Bewertung des Films
910

Weitere spannende Kritiken

Robot Dreams Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 05.06.2024 von FBW - 0 Kommentare
Animationsfilm nach Comicvorlage über einen Hund, der sich im New York der 1980er Jahre einen Roboter zulegt, um nicht länger einsam zu sein. Ein wunderbar poetisches, herzerwärmendes und unkonventionell umgesetztes Meisterwerk. Immer nur allein auf der Couch sitzen, Fertiggerichte ma...
Kritik lesen »

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 10.10.2023 von FBW - 0 Kommentare
Im Jahr 1974 wanderte der deutsche Filmemacher Werner Herzog von München nach Paris, um so die todkranke von ihm verehrte Filmhistorikerin Lotte Eisner zu retten. In ihrem Bestseller "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" erzählt die Autorin Rachel Joyce eine ganz &au...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!

Forum Neues Thema