Bewertung: 3 / 5
Bill Mitchell (Kevin Kline) ist egozentrisch, narzisstisch, völlig rücksichtslos und Präsident der Vereinigten Staaten. Nach einer schnellen Nummer mit einer Bediensteten erleidet er einen Herzinfarkt und wird ins künstliche Koma versetzt. Das weiße Haus steht vor einer Katastrophe. Um niemandem davon erzählen zu müssen, plant der intrigante Stabschef Bob Alexander (Frank Langella) einen Doppelgänger zu engagieren, in der Hoffnung eines Tages selbst zum Präsidenten ernannt zu werden. Dazu wird der empathische Dave (ebenfalls Kline) engagiert, weil er dem Präsidenten zum Verwechseln ähnlich sieht. Als Dave das weiße Haus betritt, sind alle erstaunt, daß dieser den Job sogar noch besser macht als Mitchell. Auch Mitchells Frau Ellen (Sigourney Weaver), die sich bereits vor Jahren von ihm entfernt hat, ist von ihrem scheinbar wie ausgewechselten Mann, beeindruckt.
Wir alle Wünschen uns, daß die Einflussreichen und Mächtigen dieser Welt „gute Menschen“ sind. Wir erhoffen uns, daß sie uns eine bessere Erde zugrundelegen, mit uns auf Augenhöhe agieren und dem Gehör schenken, was wir uns wünschen. Wir alle wissen, daß die Realität jedoch ganz anders aussieht und dort setzt dann Ivan Reitmans Dave an. Nun ist Reitman immer ein Regisseur gewesen, der nicht einfach nur Komödien inszenierte und dort seine Lacher herauszog. Viele seiner Filme sind in Parallelwelten angesiedelt, im Fantasy, im Science-Fiction und gleichwohl Dave rein stoß-technisch wohl der geerdetste Film seines Schaffens ist, so ist auch dieser Film eher als Märchen zu verstehen. Und darin liegt aber im speziellen Segment der Politik, insbesondere der großen Weltpolitik gleichermaßen eine unglaublich naive und damit ebenso gefährliche Weltanschauung. Was Reitman dem Zuschauer eigentlich vermitteln möchte, ist, daß es ja eigentlich sehr schön wäre, wenn im Weißen Haus ein von Grund auf „guter Mann“ säße. Der sich für die Belange von armen Kindern interessiere, der mit Kindern spiele, der jedem auf Augenhöhe begegnet, der seine Frau liebt und keine Affären hat und so weiter und so fort. Während die Personalien Dave Kovic und Harrison Mitchell irgendwo sicherlich an Bill Clinton angelehnt sind, so ist klar, daß man einfach einen Philanthropen im Weißen Haus bräuchte.
Nun, diese Ansicht, die Dave vertritt ist ja im Grunde keine falsche Ansicht. Doch die Frage, die damit unweigerlich einhergeht, ist, ob das irgendwas zu erzählen hat. Sicherlich, Präsidenten-Kino war in den 1990er Jahren ziemlich populär. Man denke da nur weiterhin an Hot Shots! – Die Mutter aller Filme (1991), In the Line of Fire – Die zweie Chance (1993), Hallo, Mr. President (1995), Independence Day (1996) oder Air Force One (1997). Gleichwohl diese Filme auch nicht gänzlich vergleichbar sind, so handeln sie mit der Hinzunahme eines Präsidenten in einer nicht unwesentlichen, mal heroischen, mal humanistischen Position den guten Kern des Präsidenten heraus. Ehrlich gesagt ist das im Hinblick auf die Realität allenfalls naives Schmierentheater. Dave ist da nicht anders und man kann sich natürlich jetzt ewig darüber echauffieren, daß Reitman hier im Kern eigentlich nur eine naive Liebesgeschichte erzählt. Doch das wäre ja ebenso reizlos. Im Prinzip gefällt der Film eben auch, weil daß, was eigentlich unerträglich sein sollte, durchaus stilvoll und elegant verkörpert wird. Die Beziehung, die zwischen der Frist Lady und dem Präsidenten ist seit langer Zeit im Argen. Denn sie erkennt, daß der Mann, den sie geheiratet hat, einfach kein guter Mann mehr ist. Unterdessen drängen sich Probleme von weltlichem Ausmaß auf. Hier mal Armut, da mal Nähe zu Menschen und so weiter und so fort. Klar ist das banal und eigentlich will Reitman hier auch eher auf einen großen Charismatiker, als auf einen großen Politiker hinaus. Man kann das natürlich zerreißen, weil es inhaltlich extrem fragwürdig ist.
Da fragt man sich als Zuschauer aber schon, woran man sich dann festhalten soll. Die Behauptung Dave sei dumm, ist ja nicht gerade so weit hergeholt. Aber einen gewissen Reiz hat das Werk schon und brächte man es weg, von tatsächlicher Politik, so würde man im Film eine recht seichte und einfache Komödie betrachten. Wie schon in anderen Reitman-Werken, stellt sich heraus, daß Figuren in irgendeiner Form Rollen tauschen müssen. Ob gängige, ungewöhnliche oder festgefahrene Rollen. Auch Dave ist da nicht anders. Währenddessen versucht sich der Film als kleiner Politik-Revoluzzer, indem er den in Verruf geratenen Vize-Präsidenten wieder mehr Machtansprüche in der Regierung zuteilt. Weg von den Beratern, weg von dem, was immer im Weg steht. Auch hier geht es wieder um einen guten Mann. Daß es bei all dem Schmalz, dann inhaltlich eigentlich zehntausend Fragezeichen gäbe und damit Dinge, die Dave das Genick brechen könnten, kaschiert Reitman ganz gut. Und das liegt vor allem daran, daß allein die Prämisse so verträumt, aber auch das Schauspiel aller Beteiligter so großartig ist. Denn wer sich dort alles die Klinke in die Hand gibt, daß ist schon recht charmant und ansehnlich. Gerade ein Gastauftritt durch Oliver Stone wird hier – eben aufgrund einer gekonnten, ironischen Ebene – zum Highlight des Films.
Und dann ist es natürlich das eskapistische Verlangen, mit welchem Reitman die größte, aller vorstellbaren, irdischen Welten inszeniert. Der Palast des Weißen Hauses, Ranghohe Männer und Frauen in Positionen, die die Welt beherrschen. Wie gesagt, die meisten von ihnen sind gute Menschen und daher ist klar, daß Dave nie in der Realität angesiedelt ist. Allerdings ist das in Ordnung, denn im Vergleich zu anderen Werken über den Präsidenten in jenen Tagen, wirkt Dave da fast schon weniger propagandistisch. Wenn man das also gut filtern kann, dann hat man auch große Freude daran. Alle anderen werden Kopfschüttelnd lebenswichtige Arterien und Blutgefäße riskieren müssen.
Verträumt, naiv und bisweilen extrem fragwürdig erzählt Dave von Charismatikern und Philanthropen. In einer Welt, in der das keinen Platz hat, ist das irgendwo gefährlich, aber charmant und so weit ab der Realität, daß der Film sich dort keine Sorgen zu machen braucht.
