Bewertung: 3.5 / 5
11. Jahrhundert, England: Ein tragisches Ereignis und eine besondere Gabe lassen in Rob Cole (Tom Payne), einem Waisenjungen, den Wunsch entbrennen, Menschen heilen zu können. Daher schließt er sich zuerst einem reisenden Bader (Stellan Skarsgard) an, merkt jedoch bald, dass auch dessen Fähigkeiten recht begrenzt oder gar dem Placebo-Effekt zu verdanken sind. Als er dann durch Zufall vom "Arzt aller Ärzte" Ibn Sina (Ben Kingsley) erfährt, setzt er alles daran, den langen Weg nach Isfahan, wo dieser lehrt, auf sich zu nehmen, um vom Besten der Besten zu lernen. Wie es der Zufall will, begegnet ihm auf seiner Reise dann seine erste große Liebe...
Noah Gordons Historien-Epos "Der Medicus" von 1986 zu verfilmen ist keine leichte Aufgabe, schließlich haben wir es mit einem um die 850 Seiten dicken Weltbestseller zu tun. So war klar, dass gepackt in einen Film einiges der Strichliste anheim fällt oder anderweitig dramaturgisch verändert und komprimiert wird. Insgesamt gelingt es Philipp Stölzl (Goethe!) aber gut, mit Der Medicus einen eigenständigen Film zu stemmen, der unabhängig vom Buch bestehen kann. Es ist einige Jahre her, dass wir dieses gelesen haben, rein szenisch haben wir nichts wirklich vermisst - bei wem die Lektüre kurz vor dem Film stattfand, könnte dies natürlich anders sein.
Trailer zu Der Medicus
Was aber trotz vieler Jahre Abstand Der Medicus einfach nicht leisten kann, ist, einen so zu fesseln, wie es das Buch vermag. Es liegt nicht an den Bildern, diese erzeugen durchaus bildgewaltig und atmosphärisch gelungen die verschiedenen Welten von Okzident und Orient der damaligen Zeit. Auch der Widerstreit zwischen Religion, Aberglaube und Wissenschaft wird ausreichend angerissen. Die international besetzten Darsteller machen ebenfalls ihre Sache gut, doch es gibt einfach Filme, in denen man Schauwerte genießt und dennoch etwas fehlt. In denen man zwar unterhalten wird, aber reiner Beobachter bleibt, ohne richtig mit den Charakteren mitzufiebern, richtig in ihre Welt hineingesogen zu werden. Der Medicus ist so ein Film.
Newcomer Tom Payne mimt zwar gut den Feuereifer des wissen Wollenden, lernen Wollenden - doch wir lernen ihn selbst zu wenig kennen. Diese schon fiebrige Besessenheit des Rob Cole im Buch, dazu seine besondere Gabe, seine ganze Persönlichkeitsentwicklung - man kann sie im Film nicht wirklich mitfühlen. Nicht in der Intensität, in der es dem Buch gelingt, dies zu vermitteln. Ein Problem, dass sich ähnlich bei Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders oder auch Die Päpstin beobachten lässt, allerdings konnte uns Hauptdarsteller Ben Wishaw in Das Parfüm annähernd die Intensität seiner Wahrnehmung, seiner Erlebniswelt vermitteln - er hatte eine gewisse besondere Aura, anders kann man es nicht beschreiben. Tom Payne hat Charme und jugendlichen Eifer, aber angesichts der besonderen Gabe von Cole wirkt er dennoch noch ziemlich "normal".
Für sich genommen ist Der Medicus durchaus sehenswert und dürfte allen, die das Buch nicht kennen und Historienfilme mögen, gefallen. Aufgrund der visuellen Schauwerte und grundsätzlich guten Darstellerleistungen ist Der Medicus zumindest dennoch für einen unterhaltsamen Kinoabend zu empfehlen.