Bewertung: 3.5 / 5
Nur wenige Menschen waren bisher drin. Die Franzosen schützen ihre Chauvet-Höhle mit ihren wundervollen Wandbildern wie einen kostbaren Schatz - und zwar völlig zu Recht: Was dort zu sehen ist, vermag man kaum zu glauben. Werner Herzog hatte die Ehre, Aufnahmen des Innenraumes anfertigen zu dürfen. Der 69-Jährige nahm alle persönlichen Strapazen in Kauf, um die Dokumentation über Die Höhle der vergessenen Träume zu realisieren. Er wagt sich sogar auf ein Terrain, dem er sich bisher bewusst noch nicht zugewendet hatte: Er filmte in 3D.
Rund 20.000 Jahre war die Chauvet-Höhle nach einem Felssturz versiegelt. Ein Platz, wie vakuumverpackt. 1994 entdeckten sie Forscher, seither haben nur wenige Wissenschaftler Zutritt. Denn es hat sich anderenorts herausgestellt, dass allzu viele Besucher allein mit ihrem Atem das Gleichgewicht in Höhlen nachhaltig zerstören können.
Die Bewacher der Chauvet-Höhle in Südfrankreich wehrten den Anfängen und verwehrten Interessierten den Zugang - nun soll Herzog die Höhle auf filmische Weise unendlich vielen Menschen gefahrlos zugänglich machen. Selbsterklärend daher auch, dass Herzog zwingend in 3D filmen wollte, obwohl das - auf engem Raum - eine Menge mehr Arbeit machte.
Arbeit, die er und seine beiden Mitarbeiter in sechs Tagen à vier Drehstunden erledigen mussten. Herzog schwärmt dennoch von den Zeichnungen, die Menschen vor über 30.000 Jahren dort hinterlassen haben. Zeichnungen, die doppelt so alt sind wie die ältesten, die bis dato bekannt waren.
Der Regisseur erinnert sich an die frühen Anfänge seiner eigenen Höhlenbegeisterung: "Im Alter von zwölf entdeckte ich im Schaufenster einer Buchhandlung einen Band, auf dem eine Pferdezeichnung aus der Lascaux-Höhle abgebildet war. Ich wurde von einer unbeschreiblichen Aufregung erfasst und wollte das Buch haben." Er musste als kleiner Junge eine lange Zeit arbeiten, bis er es in Händen hielt. Ein ähnliches Gefühl könnte den gebürtigen Bayern bei den Aufnahmen zu seiner Dokumentation übermannt haben.
Herzog erzählt kurz und knapp, steigt sofort in die Thematik ein. Er zeigt die Höhle von außen, dann von innen, zoomt auf die ersten Tierzeichnungen. Was, fragt man sich nach drei Minuten, kann jetzt noch kommen? - Kleine und große Entdeckungen, für das der Regisseur ein Auge und ein Ohr hat. Tatsächlich gibt es auf einer Länge von 400 Metern eine Menge zu sehen: Bilder, die Werner Herzog mit Musik lebendig gestaltet, Bilder, die aber auch für sich sprechen. Denn es ist schwer zu begreifen, dass es vor so langer Zeit überhaupt Künstler gab, und dass diese den Nacken eines Bisons absichtlich auf eine Ausbuchtung im Fels zeichneten, um alles plastischer erscheinen zu lassen.
Deshalb ist Die Höhle der vergessenen Träume ein interessanter Film für Kunstschaffende. Aber er öffnet auch ein weites Feld für Spekulationen und die Forschung. So spricht Herzog mit Menschen, vorwiegend Archäologen, die Ideen Raum geben, die begreifen lassen, was man sieht.
Manche sind deutlich mehr mit ihrer Profilneurose beschäftigt denn mit den Zeichnungen. Und dennoch oder auch deswegen wird dieser kurzweilige Film zum Erlebnis. Für Herzog ist die Arbeit vor allem gelungen, weil er Besucher in die Höhle bringt. Weil er sie auf einen Rundgang mitnimmt, an dem sie sonst wohl niemals teilhaben könnten.
Die Höhle der vergessenen Träume bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)