Bewertung: 3.5 / 5
Stell dir vor, du wachst in deiner Vergangenheit auf. Das ist eine Idee, die schon viele Regisseure faszinierte. Oft wurde nur Klamauk daraus, vielleicht auch deshalb, weil man dieses Gedankenspiel nicht gewinnen kann. Bevor man das rettende Ufer erreicht, wird jeder von der Unlogik überholt. Hendrik Handloegten geht in Fenster zum Sommer das Thema ernst an, schickt Nina Hoss auf die Reise, zurück in ihr eigenes Leben. Dabei macht er eine Sache anders als alle anderen.
Normalerweise wird die Zeitreise als Flucht genutzt. Man hat die Chance, etwas anders und besser zu machen. Bei Fenster zum Sommer ist das anders. Juliane (Nina Hoss) ist glücklich in ihrem Leben. Sie ist unglaublich verliebt in August (etwas unterbeschäftigt: Mark Waschke), mit dem sie gerade den ersten gemeinsamen Urlaub in Finnland verbringt.
Doch dann wacht sie in ihrem alten Leben auf, in ihrem früheren Schlafzimmer. Herein kommt ihr langjähriger Freund Philipp (Lars Eidinger, nicht nur unterbeschäftigt, sondern seit Alle anderen auf die immer gleiche Rolle abonniert) und erinnert sie an einen gemeinsamen Termin. Wie kann das sein? Diese Frage wird nie beantwortet. Fest steht, es ist der Winter vor dem Sommer, aus dem sie gerissen wurde. Juliane möchte zurück, zurück zu August.
Hübsch, diese Namensgebung. Solche Doppeldeutigkeiten gefallen Handloegten, der mit Liegen lernen zeigte, dass er gern ernste Komödien macht. Bei Fenster zum Sommer spürt man jederzeit, wie konzentriert er zu Werke geht. Nicht umsonst verpflichtete er Nina Hoss als Hauptdarstellerin; eine Frau, die sich in vielen ernsten Produktionen einen Namen gemacht hat. Eine Frau, die man wahrnimmt, der man vertraut und folgt. So eine brauchte er für die Geschichte, auf die man sich natürlich einlassen muss.
Juliane wird, so kann man den Film verstehen, in ihre Vergangenheit geworfen, um Dinge noch einmal zu überdenken. Soll sie sich wirklich von ihrem Freund trennen? Kann sie ein schreckliches Erlebnis verhindern? Wird sich August wieder in sie verlieben? Ihre Versuche, den Weg abzukürzen, scheitern. Denn noch kennt August sie gar nicht. Er hat sogar eine Freundin (Susanne Wolff), mit der er glücklich ist. Da greift Juliane ein.
Es ist ein schmaler Grat, auf dem Handloegten balanciert. Doch er druckst nie herum, erklärt die Überlegungen seiner Protagonistin ganz genau, bleibt konkret. Dennoch dauert es ein wenig zu lang, bis die verwirrte Frau losläuft, Entscheidungen trifft, die sie selbst, aber auch das Leben ihrer besten Freundin Emily (Fritzi Haberlandt) betreffen.
Freilich ist Fenster zum Sommer eine Liebesgeschichte, wird als solche verkauft. Die Frage, ob Juliane diesen Mann wieder kennen lernen, wieder mit ihm glücklich sein wird, jetzt, da sie ihm unter anderen Umständen begegnet, ist der zentrale Punkt. Genau da wird der Film philosophisch. Denn abstrahiert man die einzelnen, mitunter etwas ungelenken Ideen und die Richtungswechsel der Hauptfigur, blickt man durch die neblige Hülle in den Kern des Geschehens. Dort wird Schiefes gerade gerückt.
Nachdem man während des Abspanns noch einmal kurz für sich überprüft hat, ob das nun alles seine Richtigkeit hatte, wird klar, dass die vorangegangenen 95 Minuten ein geschlossenes Bild ergeben. Es macht sich ein Gefühl breit, das auf seltsame Art beruhigend wirkt: Das Leben lässt sich nicht in die Suppe spucken. Aber es schadet keinesfalls, zu wissen, was man will.
Fenster zum Sommer bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)