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Hair

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Hair Kritik

Hair Kritik

Hair Kritik
0 Kommentare - 04.02.2024 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Hair" ist.

Bewertung: 4.5 / 5

Inmitten der Hippiebewegung wird Claude (John Savage) einberufen und soll in Vietnam in den Krieg ziehen. In New York, wo er sich einer Musterung unterziehen soll, trifft er auf eine Gruppe von Hippies, deren Lebensart ihn fasziniert. Er freundet sich mit den Feinden des Krieges und des Establishments an und wirft vor allem ein Auge auf die junge Sheila (Beverly D’Angelo) und auch der charismatische Berger (Treat Williams) wird ein guter Freund. Nun muss sich Claude zwischen Heimatliebe und seinen neuen Freunden entscheiden.

Es gibt Kunst, da spürt man die politische Ader, das, was sie auszeichnet und atmet, ist eigentlich schon Erklärung genug dafür, dass sie eine weitreichende Existenzberechtigung hat und mehr noch aus heutiger Sicht, ja, wenn man sich dem Zynismus hingibt, melancholisch betrachtet. Hair ist ein Musical, doch nicht irgendein Musical, wie die wenigsten ehrlich gesagt. In Filmform lassen sich Musicals, sofern sie dann halbwegs moderate Musik anbieten, leicht wegschauen. Man mag sie eigentlich immer, insofern ist das Genre vielleicht einfach. Und dennoch, ja, die großen Musicals tragen eben Namen wie West Side Story (1961), das vor einiger Zeit mal so ein unnötiges Remake bekam, Du sollst mein Glücksstern sein (1952), Nightmare Before Christmas (1993), Weiße Weihnachten (1954) oder eben Hair. Ein Film, der, wie mir scheint, zu einer Zeit entstanden ist, in der es zum Übergang vom Golden Age-Hollywood, hin zum politisch motivierten und wütendem New Hollywood kam. Und das merkt man an den Klamotten, an der Attitüde, die die Figuren als vermeintliche Taugenichts ins Leben tragen. Es ist eine Welt, die sich nicht erklären will, aber die einige, schon allein ob der Aufmachung ihres Auftretens schockiert.

Dabei ist es ja erstaunlich, oder eben auch nicht, daß Miloš Forman vor allem auf die groteske Erwartungshaltung des prüden Amerikas schielt, um seine Kritik in die Wege zu leiten. Es ist ja eigentlich ein Trauerspiel, wenn man sich überlegt, daß Kleider nach wie vor noch Leute machen und man mit Ringen in der Nase oder dergleichen immer noch an vielen Orten schockieren kann. Hallo Bayern. Nein, ok, gemein, zum Großteil ist das ja gar nicht so. Gibt halt immer welche, die ein wenig länger zum Nachdenken brauchen und daher ist Hair vielleicht auch ein Musical, daß ob seiner inhaltlichen Stärker nur deshalb noch so gut funktioniert, weil sie zwar explizit politisch orientiert, aber nie eine politische Debatte in ihrem Kern anspricht. Ja, ist vielleicht seltsam erklärt und irgendwie paradox, aber die Politik wird in Hair durch Musik und das Auftreten gemacht. Es ist im Kern eine zuckersüße Romanze zwischen, ganz salopp gesagt, dem Asi von der Straße und dem Mädchen aus gutem Hasse. Nun ist das einfacher Klassizismus, nach welchem natürlich eine gewisse Kritik an den Hippies und deren – wie sich später herausstellen sollte – ins Nichts führende Revolution, eigentlich nur daraus besteht, den Staat zu kritisieren und ab und an zu kiffen. Nun ja, vielleicht versteht man dann aber auch Politik falsch, wenn man erwartet, daß sich Freigeister nun direkt äußern müssten, besser gesagt alles ansprechen müssten, um Kritik zu üben.

Die Ähnlichkeit in Sachen Lebensgefühl zum Kino gleicher Tage kann man aber erkennen. Besonders Easy Rider (1969) kommt einem da sofort ins Gedächtnis. Auch das ist ein Film, in dem die Charaktere versuchen aus der vorherrschenden Struktur zu fliehen und mit ihrem Auftreten schockieren. Auch da würden vermutlich handlungsgetriebene Filme etwas mehr abfordern, doch es geht eben immer um das Lebensgefühl. Die Revolution liegt hier in kultureller und sexueller Offenheit. Man kann hier auch ziemlich häufig nackte Haut sehen. Die Revolution liegt in der Kritik am Staat, die dieser Tage sicher sehr berechtigt war und die auch heute noch angebracht wäre, wenn man sich ansieht, wie zum Beispiel die Staaten Frauenrechte in die Steinzeit ballern. Außerdem muss man dazu sagen, daß sich in Sachen Prüderie ja nicht allzu viel getan hat. Kinder werden nach wie vor vom Storch gebracht und Mama und Papa hatten sicherlich auch noch nie Analsex. Ja, mein Gott, so ist es eben. Sicherlich muss man das niemandem unter die Nase binden, aber Hair zeichnet schon sehr gut ein Gesellschaftsporträt eines Generationenkonfliktes, der zwischen Moralen stattfindet. Die Moral der Monogamie und Ordnung und die Moral der Liebe und Offenheit. Beides hat an sich seine Berechtigung und nicht jede Revolution verläuft zu einem grundlegend intelligenten Diskurs, aber vor die Wahl gestellt, weiß man eigentlich immer, wo man hingehört.

Unterdessen vermischt Forman unterschiedlichste Kulturen und Einflüsse, zeigt auf, die pluralistisch diese Gesellschaft ist, die sich versucht Gehör zu verschaffen, die mit ihren Vätern hadert. Und jede Person, die eben diese Revolution nicht versteht, wird auch nicht zwangsläufig als der Feind klassiert. Make eben Love, not War. Und das ist sympathisch, man möchte dem folgen, hofft, daß alles gut wird, daß die Figuren einander bekommen, so kritisch das eben auch ist. Weil eben auch die zentrale Figur sich dem Militär anschließt und dort erkennen muss, wie sinnlos diese Gewalt ist. Warum sie das zunächst tut, stellt der Film dabei nicht so sonderlich nachvollziehbar heraus. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, daß eine Gesellschaft ihre Jugend für einen Krieg vergeudetet, von dem diese nicht mal nachvollziehen kann, warum und wogegen der überhaupt geführt wird. Hair ist dabei aber nie melancholisch oder traurig und kommt vielleicht sogar zu einer Art Happy End für die Figuren, die in einer Zeit entstanden sind, in der noch nicht alles so pessimistisch war. Dadurch wurden ja auch die größten Stümper in Hollywood dieser Tage berühmt, weil sie Sarkasmus und Zynismus salonfähig machten. Doch Hair ist nicht so. Hair ist kein Werk der Trauer, obwohl das traurig ist. Es ist ein Werk über das Erwachsenwerden und Revoltieren gegen die gängigen Strukturen, ohne das irgendwie polemisch oder plump aussprechen zu müssen.

Witzig, revolutionär und über alle Maßen unterhaltsam ist Hair ein Musical, daß ein Lebensgefühl einfangen kann, das sympathische Figuren aufbereitet und Kritik an einem patriotischen Amerika übt, die eben aufzeigt, wie der Generationenkonflikt überhaupt zustande kam jener Tage. Es macht Spaß und ist keinesfalls ein weiteres Musical für schwere Zeiten.

Hair Bewertung
Bewertung des Films
910

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