Bewertung: 4.5 / 5
Mit seinem Musikvideo aus der Ego-Perspektive zu "Bad Motherfucker" landete Ilya Naishuller bereits einen viralen Hit und der Regisseur und Produzent Timur Bekmambetov erkannte schnell, welches Talent in Naishuller schlummerte. Gemeinsam wagten sie das, was noch kein Regisseur sich traute: Ein Kinofilm rein aus der Ich-Perspektive des Helden. Mittendrin statt nur dabei!
Wer bin ich und wo bin ich? Eben noch war Henry an der Schwelle des Todes und kurze Zeit später ist er eine kybernetische Kampfmaschine! Seiner Stimme beraubt, ist er auf der Suche nach seiner Identität und seiner entführten Frau. Allein auf sich gestellt im futuristischen Moskau muss er einer ganzen Armee von Killern entkommen. Sein einziger Verbündeter scheint der verrückte Jimmy (Sharlto Copley) zu sein, der ihm immer wieder Hinweise gibt, wie Henry sein Ziel erreichen kann.
Trailer zu Hardcore
Hardcore Filmkritik
Ein Film aus der Ich-Perspektive, kann so etwas gutgehen? Was in Videospielen zur gängigen Praxis gehört, wird in Filmen eher selten eingesetzt, zu schwer ist es, eine gute Kameraführung hinzubekommen. Ab und zu wurde die Ego-Technik in Filmen wie Doom - Der Film als kurzes Gimmick eingesetzt, wenig überzeugend und mehr der Herkunft jenes Films geschuldet. Bei Hardcore, im Original mit dem besseren Titel Hardcore Henry unterwegs, ist hingegen alles anders, denn die Macher dachten radikal und präsentieren einen Film, der wirklich von der ersten bis zur letzten Minute die Sicht des Helden präsentiert. Der Zuschauer wird so selbst zum Akteur.
Die Inspiration ist dabei eindeutig und so kann Hardcore wohl als die beste Videospieleverfilmung aller Zeiten betrachtet werden - die aber gar nicht auf einem Videospiel basiert. Während sich Ilya Naishuller bei der Story an Filmen wie Universal Soldier und Crank bedient, ist die Umsetzung ganz klar an Videospiele angelegt und die Call of Duty-Reihe dürfte hier Pate gestanden haben. 90 Minuten, ein einziger Ritt ohne Pause, dies ist Hardcore. Wie eine Aneinanderreihung von Actionsequenzen und geskripteten Momenten wirkt die verrückte Verfolgungsjagd von Henry. Dabei bedient sich Naishuller jener Elemente, die heute zur Norm in Ego-Shootern gehören oder in Spielen als Sequenz vorkommen: Briefings im Auto, wilde Deckungsgefechte, Verteidigungsmissionen, Kämpfe gegen schwer gepanzerte Fahrzeuge, Flucht und Run- and Gun-Sequenzen und natürlich auch die obligatorische Fahrzeugmission mit schweren Waffen fehlt nicht. Wer jemals einen modernen Ego-Shooter gespielt hat, wird unzählige Anspielungen an dieses Genre in Hardcore finden.
Genau diese Herangehensweise verkleinert jedoch die Zielgruppe, für die Hardcore erstmals geeignet ist und auch der hohe Gewaltgrad dürfte einige Zuschauer verschrecken. Doch gerade Genre-Unkundige sollten sich den Film trotzdem nicht entgehen lassen und Actionfans auf jeden Fall einen Blick riskieren. Auch wenn es so wirkt, ist es kein Videospiel und Naishuller schafft es, trotz des kleinen Budgets Actionsequenzen zu liefern, die es in der Form im Kino noch nicht gegeben hat. Sowohl die Perspektive, aber auch die gezeigte Action sind an vielen Stellen absolut bahnbrechend und dürften in den kommenden Jahren auch Einzug in das Blockbuster-Kino finden.
Dass Hardcore überraschend gut funktioniert, liegt aber auch an den Darstellern. Vor allem Sharlto Copley kommt als Wegweiser und Mentor eine wichtige Rolle zu, der Henry und somit auch dem Zuschauer, den richtigen Weg weist und die Welt erklärt. Denn die gezeigte Welt ist nicht die, die wir zu kennen glauben und gerade Gegenspieler Akan (Danila Kozlovsky) hat Fähigkeiten, die nicht erklärbar sind und leider im Film auch nicht gut genug erklärt werden. Vieles muss der Zuschauer einfach akzeptieren, auch die schauspielerische Leistung ist nicht von allen Darstellern auf hohem Niveau. Genauso muss akzeptiert werden, dass durch die Ego-Perspektive Hardcore leider unter dem Problem der Wackelkamera zu leiden hat. Zwar haben die Macher versucht, das Problem so gut es geht zu minimieren und es gibt viele ruhige Sequenzen, aber dennoch schlägt sie immer wieder mit hektischen Schwenks zu.
Ausgeglichen wird die Action durch einen tollen Soundtrack, denn anders als beispielsweise bei Crank verzichtet Naishuller darauf, Hardcore mit einem hämmernden Soundtrack zu untermalen. Er legt Wert auf musikalische Klänge und Popsongs, die dem ganzen abgedrehten Ritt eine charmante, freche Note verpassen.
Hardcore Bewertung
Hardcore wird die Meinungen spalten, so wie es auch die ersten Ego-Shooter getan haben. Es ist kein Film für die breite Masse, aber als Genre-Film funktioniert Hardcore ausgezeichnet und dürfte durch seine frische und freche Herangehensweise an das Actiongenre schon bald als Kultfilm gelten. Verdient hat er es auf jeden Fall, denn dieser Film steckt voller guter Ideen und bietet in seinen 90 Minuten keine Langeweile. Auch wenn so manche Fragen offen bleiben und die Story dünn ist, diesen Ego-Trip vergisst niemand so schnell.