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Hotel Lux

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Verwirrspiel vor großer Kulisse

Hotel Lux Kritik

Hotel Lux Kritik
0 Kommentare - 21.10.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 3 / 5

"Propusk!", knurrt der schnauzbärtige Concierge aus seiner Kabine heraus den verdutzten Hans Zeisig (Michael Bully Herbig) an. Der wollte eigentlich nach Hollywood und ist stattdessen unfreiwillig im geschichtsträchtigen Hotel Lux in Moskau gestrandet, weil ihm in der deutschen Heimat die SS auf den Fersen ist - der letzte Hitlerwitz, den der Kabarettist riss, war einer zu viel. Also hieß es, schnellstmöglich zu verschwinden. Dass ein Propusk ein Ausweis und der Kommunismus kein Zuckerschlecken ist, lernt Zeisig schließlich doch noch. Regisseur Leander Haußmann (Dinosaurier - Gegen uns seht ihr alt aus!) verquickt in seiner Dramödie Weltgeschichte mit Humor und einer Prise Sarkasmus. Doch irgendwie will diese gewagte Melange nicht so recht zünden.

Das liegt weniger an den durchweg guten Darstellern, als an Haußmanns Drehbuch: Zu inkohärent wirkt die Story stellenweise, als dass sie noch nachvollziehbar wäre. Dabei beginnt alles so unterhaltsam: Zeisig und sein bester Freund Siggi Meyer (Jürgen Vogel) treten in Berlin Ende der 30er-Jahre im Varieté als Hitler und Stalin auf. Die deftigen Zoten der beiden Aushilfs-Diktatoren sind am Vorabend des Zweiten Weltkriegs nicht gern gesehen, werden jedoch geduldet.

Während Zeisig glaubt, dass der Nationalsozialismus nur eine Modeerscheinung ist, drängt es Meyer vehement in den kommunistischen Widerstand. Die geheimnisvolle Frida van Oorten (Thekla Reuten), in die sich Zeisig sofort verguckt, ebnet Meyer den Weg. Hiermit beginnt auch für Zeisig der Ernst des Lebens: Nachdem Meyer untergetaucht ist, hat die SS ihn im Visier - der leichtlebige Komiker muss so schnell wie möglich außer Landes.

Genau hier beginnt es, nebulös zu werden: Zu lange bleibt sowohl der Zuschauer als auch Zeisig im Unklaren darüber, wessen Identität der Berufs-Kasper vom Passfälscher zugewiesen bekam und warum der Unbekannte sich unbedingt im Hotel Lux einfinden muss, anstatt ins sonnige Kalifornien aufzubrechen.

Die Herberge, die ab den 20er-Jahren ein Zufluchtsort für verfolgte Kommunisten war, bot unter anderem späteren Politgrößen wie Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Ernst Reuter Schutz. Im Film wird sie als Sammelsurium eigenwilliger bis schrulliger Charaktere eingeführt. Diese treiben sich in langen, heruntergewirtschafteten Fluren und zugigen Zimmern herum. Das Sagen hat der russische Kommandant Nikolai Jeschow (Alexander Senderovich), ein enger Vertrauter Stalins (Valery Grishko).

Der völlig unpolitische Zeisig will mit seiner naiven Weltsicht nicht so recht in dieses ernste, sich ständig gegenseitig beobachtende Umfeld passen. Regisseur Haußmann versucht ein wenig zu krampfhaft, die politischen und historischen Gegebenheiten durch seine Hauptfigur aufzulockern. Von der lockeren Nazi-Parodie driftet er immer mehr in eine unerbittliche Darstellung der Zwänge des Kommunismus ab. Das Lachen bleibt daher meist auf halbem Weg im Halse stecken, da die Gesamtsituation alles andere als komisch ist.

Indes klärt sich nach einigem Hin und Her endlich auf, wer Hans Zeisig ab sofort sein muss: Der Leibastrologe Hitlers, der beim Führer in Ungnade fiel und nun von Stalin zurate gezogen wird. Das, was nun folgt, ist weitgehend absehbar: Zeisig laviert sich eine Zeitlang geschickt durch die Zwickmühle, in die er geraten ist, und trifft sogar den verschollen geglaubten Siggi und die schöne Frida wieder. Der brutale Show-down macht jedoch auch den letzten komödiantischen Versuch des Films zunichte.

Es ist ein wichtiges, aber leider kein einfaches Unterfangen, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte humorvoll aufzuarbeiten. Haußmanns österreichischer Kollege Wolfgang Murnberger startete erst vor wenigen Wochen mit Mein bester Feind einen ähnlichen Versuch. Weder der eine noch der andere ließ sich dazu hinreißen, die historischen Gegebenheiten zu verharmlosen oder gar ins Lächerliche zu ziehen. Doch vergleicht man ihre Filme mit Urs Odermatts hervorragender Hitler-Persiflage Mein Kampf (2008), wird augenscheinlich, dass in ihnen doch die richtige Balance von Satire und Aufarbeitung fehlt. Den Kinosaal wird das Publikum jedenfalls mit gemischten Gefühlen verlassen, da die Erwartungshaltung eine andere war.

Hotel Lux bekommt 3 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)

Hotel Lux Bewertung
Bewertung des Films
610

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