Bewertung: 3.5 / 5
Norwegische Filmemacher haben 2012 alle verfügbaren Kronen zusammengelegt, um ihrem Nationalhelden [i]Thor Heyerdahl[/i] ein angemessenes filmisches Denkmal zu setzen. [i]Heyerdahl[/i] ging kurz nach Ende des 2. WK mit seiner "Crew" auf grosse Fahrt von Südamerika nach Polynesien, um zu beweisen, das diese Inseln nicht von Asien, sondern eben von Südamerika aus besiedelt wurden. Um einen "echten" Beweis erbringen zu können, konnte er natürlich kein modernes Schiff benutzen, sondern musste etwas bauen, was andere Menschen 1000 Jahre zuvor mutmasslich auch gebaut haben, um Polynesien auf dem Seewege zu erreichen. Die Biographie des Anthropologen und Forschers, so wie die Tatsachen rund um die gefährliche Reise der [b]Kon-Tiki[/b], wurden ganz bewusst nicht verfälscht oder grundlegend neu interpretiert. Dies ist zum einen löblich, zum anderen für einen Film problematisch, denn wie soll Spannung in einem Forscherdrama aufgebaut werden, wenn schon vorher bekannt ist, daß alle Reisenden überleben werden und das Ziel schliesslich erreicht wird ? Die Macher mussten also dafür sorgen, daß die "Mannschaft" und vor allem deren "Anführer" durchaus etwas verlieren können, und dies nicht nur bezogen darauf, daß man sich durch einen Lagerkoller mal sozial daneben benimmt oder einem vor aller Augen ein peinlicher Fehler an "Bord" unterläuft, der die ganze Mission in Gefahr bringt. Es musste etwas sein, was das Leben dieser "Wahnsinnigen" auch nach dem Ende der Reise noch beeinflussen könnte. Der Film macht zu Beginn kein grosses Federlesen. Die Vorgeschichte von [i]Heyerdahl[/i], die Probleme die Mission zu finanzieren und Anerkennung in der Wissenschaft zu finden, die Charakterisierung der Hauptperson oder gar der Crew, all dies findet im Schweinsgalopp statt. Die Motivation die sich aus der Mission ergibt wird dargestellt, aber die Motivation des Einzelnen bliebt vielfach bis zum Schluss im Unklaren. Als emotionale Grundierung dienen anfangs nur die Telefongespräche zwischen [i]Heyerdahl[/i] und seiner Frau. Der Fokus der Story richtet sich glasklar auf die eigentliche Überfahrt. Was natürlich Sinn ergibt, da hier die filmische Freiheit am ehesten zum Tragen kommen kann, da niemand genau weiss, was damals auf dem unendlich gross wirkenden Meer wirklich alles passierte. Man hatte zwar eine Kamera an Bord, aber die konnte natürlich nach gusto an- und ausgeschaltet werden. Auf dem kleinen Holzfloss kämpfen die Männer nicht nur mit Wind, Wellen und Tieren, sondern natürlich nicht zuletzt mit sich selbst, und in Extremfällen auch mal gegen sich selbst. Die in solchen Survivaldramen üblichen Muster der Spannungssteigerung werden nicht schablonenhaft vorgetragen, man setzt statt dessen verstärkt auf die Karte Unvorhersehbarkeit. Dazu trägt bei, daß es auf dem Floss keine "klassische" Rollenverteilung gibt. Es gibt keine handelsübliche Kommandostruktur, keinen "Schiffsclown", keinen "Stinkstiefel" und auch keinen echten "Rebellen". Dadurch können sich die untereinander aufbauenden Konflikte viel zufälliger und eben unvorhersehbarer entwickeln. Es gibt 2 Faktoren, die den Streifen deutlich über den Durchschnitt heben, den man sonst von vergleichbaren Werken gewohnt ist. Zum einen gelingt es neben den spannenden Actionszenen(mitunter erstaunlich getrickst) auch eine atmosphärische Spannung herzustellen. Oft wird nur ein ruhiges Meer und die untergehende Sonne gezeigt, ohne daß dabei ein Wort gesprochen wird. Aber der Film transportiert sehr gekonnt, daß diese Schönheit und Ruhe sehr trügerisch sein kann. Und zum anderen ist es der Mut der Macher einen Film zu drehen, der in keinster Weise mit Inbrunst und Pathos aktive Heldenverehrung betreibt. Ganz im Gegenteil. Was lange Zeit nur angedeutet wird, wird in einer Art Schlüsselszene mehr als deutlich. [i]Heyerdahl[/i] wird von seinen Kollegen gar nicht als intellektueller Anführer anerkannt, sondern er stellt etwas anderes für sie und für sich selbst dar. Und eine solch mutige Sichtweise auf eine historisch bedeutsame Figur, das traut sich wahrlich nicht jeder. Zweifelsohne ist dies ein Film über Männer für Männer. Wer auf schnörkellose Spannung auf hohem filmischen Niveau ohne "lästiges" Beiwerk steht, und dem bei langen Bärten und verfilzten Haaren nicht schlecht wird, der wird es sicher nicht bereuen, den einen oder anderen Euro für die DVD bereit zu stellen. Dieser norwegische Streifen kann im übrigen auch darstellerisch und tricktechnisch mit Hollywood problemlos mithalten. Und die Frauen können sich ja aus Liebe zu ihrem Angebeteten diesen Film mitanschauen. Der wird sich sicher später revanchieren. Denn der nächste Film mit [i]Jennifer Aniston[/i] kommt bestimmt.
Kon-Tiki Bewertung