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Melancholia

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Lars von Trier präsentiert das Ende aller Zeiten ...

Melancholia Kritik

Melancholia Kritik
3 Kommentare - 27.04.2013 von Leia
In dieser Userkritik verrät euch Leia, wie gut "Melancholia" ist.

Bewertung: 4.5 / 5

Kein Regisseur lässt momentan die Meinungen der Filmfans und -Kritiker so weit auseinanderklaffen, wie das „Enfant terrible“ [b]Lars von Trier[/b] ([i]„Idioten“[/i], [i]„Dogville“[/i]). Seine kontroversen Werke, vor allem sein 2009 auf den 62. Filmfestspielen von Cannes gespielter Psychothriller [i]„Antichrist“[/i], gelten als pornografisch, gewaltverherrlichend und obszön. Die Tatsache, dass Von Trier keinen Hehl darum macht, an schweren Depressionen zu leiden, verschärft den kritischen Blick des Publikums auf seine Werke und schafft oftmals auch Vorurteile und Verurteilungen seines filmischen Schaffens. Doch so offenkundig und grausam die Gewaltdarstellungen in seinen Filmen auch sind, so kann man nicht umhin, die philosophischen und psychologischen Ansätze zu übersehen, die dieser polarisierende Regisseur in einer gezielten Bildsprache auf Celluloid zu bannen versteht. Mit [i]„Melancholia“[/i] präsentiert uns Lars von Trier nun sein neuestes Opus. Der eindeutige Titel verrät bereits, wohin uns das ganze führen wird und spätestens nach den ersten Filmminuten kann man sich seiner ersten Vermutungen sicher sein. Begleitet von den herzzerreißenden und wehmütigen Klängen Richard Wagners Ouvertüre der Oper „Tristan und Isolde“ erlebt man eine Zusammenfassung des kompletten Films. In faszinierend berauschenden Bildern sieht man abwechselnd den Todestanz zwischen „Erde“ und „Melancholia“ und die tragische Agonie der beiden Schwestern Justine und Claire. Die einzelnen, langsam dahinfließenden Szenen wirken dabei wie surrealistische Gemälde und am Ende dieses donnernden Auftaktes ist man von dem Gesehenen verwirrt und beeindruckt zugleich. Prompt folgt auch gleich der erste Akt. Befand man sich eben noch in den unfassbar schönen Sphären des Weltalls, katapultiert uns Lars von Trier brutal auf die Erde zurück, mitten hinein in die Hochzeit seiner Protagonistin Justine. Unbedeutend und banal kommen einem nun die vielen kleinen Traditionen vor, die den Festabend begleiten, hat man immerhin noch den eindringlichen Prolog im Hinterkopf. Und doch scheint es den Hochzeitsgästen gerade nichts Wichtigeres im Universum zu geben. Lediglich die Braut selbst hat schnell die leeren Worthülsen und sinnlosen Hochzeitsrituale satt und beginnt sich nach und nach vollkommen zurückzuziehen. Der Zuschauer weiß zunächst gar nicht, worin Justines Probleme liegen und woher ihre seltsamen Ausflüchte herrühren. Immer unsinniger werden ihre Handlungen und gipfeln schließlich in einem schwer nachvollziehbaren Moralverstoß. Am Ende ist die Hochzeit ein reines gesellschaftliches und familiäres Chaos, ausgelöst von der Braut, die so fehl am Platze scheint, wie nur irgendein Hochzeitsgast sonst. Der erste Akt endet schließlich mit einem sehnsüchtigen Blick Justines gen Himmeln, in dem sie bereits erkennt, dass sich irgendetwas dort oben verändert hat. Der zweite Akt rückt schließlich Justines Schwester Claire in den Mittelpunkt des Geschehens. Für Justine ist ein eigenständiges Leben aufgrund ihrer schweren Depressionen vollkommen unmöglich geworden und nachdem der Versuch kläglich gescheitert ist, mit der Hochzeit ein wenig Grundstruktur und Normalität in Justins Dasein zu bringen, nimmt Claire ihre kranke Schwester bei sich und ihrer Familie auf. Im Hause Claires herrscht rege Aufregung, denn ein bislang unbekannter Planet namens „Melancholia“ wird schon bald die Erde kreuzen. Claires Ehemann John und ihr Sohn sind sich sicher, dass keinerlei Gefahr droht und freuen sich bereits auf das herannahende Naturspektakel. Doch Claire selbst sieht dem Ganzen eher ängstlich entgegen, denn sie glaubt den optimistischen Stimmen – der Planet würde lediglich an der Erde vorbeiziehen – nicht. Sie fühlt sich von „Melancholia“ bedroht, immerhin würde alles, wofür sie lebt und was sie sich aufgebaut hat, im Nichts und in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Was für einen Sinn gibt es im Leben, wenn am Ende keine Spuren deiner Existenz zurückbleiben? Das Wissen um ein Ende ohne Hinterlassenschaften ist wahrscheinlich um ein Vielfaches grausamer, als das Wissen um den Tod selbst. Worin kann man noch sein Vertrauen schenken, wenn doch das Vertrauen um das Wissen dahin ist, dass es weiter aufwärts geht, dass man stets bemüht ist, einen besseren Ort und ein glücklicheres Leben zu schaffen? Was fängt man nun mit der Gewissheit an, dass es keinen Blick mehr nach vorn geben wird, der den Taten im Hier und Jetzt einen Sinn verleiht? „Melancholia“ nimmt der anfangs so gefestigten und standhaften Frau jegliche Kraft und versetzt sie zunehmend in einen Zustand der Angst und Panik. Justine hingegen wirkt im Angesicht des Unheilsplaneten immer gelöster. Sie kann sich aus der Starre und Passivität ihrer Depression befreien und scheint den anmutigen Himmelskörper mit all ihren Sinnen regelrecht willkommen zu heißen. Das Wissen um das Ende der Welt beflügelt sie und es grenzt für den Zuschauer schon fast an Misanthropie, wie sie dem Ende der Menschheit entgegenfiebert. Während des Films stellt sich einem die Frage, was uns die Balance und Standhaftigkeit unseres Seins beschert? Was gibt uns die Sicherheit und Hoffnung? Die Antwort, die uns [i]„Melancholia“[/i] bietet, ist keineswegs leicht verdaulich, denn es wird uns gesunden Menschen die Ignoranz vor dem Tod selbst vorgeworfen. Vernunftsbegabt, wie wir sind, planen, bauen, erschaffen, kreieren und gestalten wir unser Leben, stets mit dem Blick Richtung Zukunft und all das getrieben von der Hoffnung, selbst einmal in unseren Werken und Kindern zu überdauern. Mit seinem Filmtitel schenkt Lars von Trier dem Zuschauer den passenden Schlüssel für Interpretationsansätze und philosophische Grundsatzdiskussionen. In der Geschichte der Menschheit war die Melancholie schon immer ein negativ behafteter Begriff. Im Christentum galt ein Melancholiker sogar als Todsünder, denn an ihm scheinen die Werte und das Glück der Gesellschaft abzuprallen, da ihn die Welt, die Gott dem Menschen geschenkt hat, nicht erfüllt. Besonders im ersten Akt spürt man diese Einsamkeit, die der Melancholiker aufgrund seiner Gesellschaftsunfähigkeit mitsich trägt. Die Hochzeit mit all ihren klischeebehafteten Gästen zeigt in einer fast schon simplen Klarheit die tiefe Kluft zwischen dem von der Vernunft verordneten Glück und der "verbotenen" Melancholie. Im zweiten Akt werden diese beiden Gegensätze weiter ausgebaut und finden zwischen den beiden Schwestern eine intensive und rege Korrespondenz. Claire stellt dabei unweigerlich die Normalität und seelische Gesundheit unserer Gesellschaft dar, die im Angesicht des Todes jedoch zusammenbricht und versagt. Justine, zweifellos das Alter Ego Lars von Triers und der Inbegriff eines Melancholikers, erkrankt zunehmend an der Banalität des Menschseins. Es ist nicht das Wissen, dass hinter allem Erbauten die Zerstörung und hinter allem Sein das Nichtsein wartet, das die Melancholie und Depression auslöst, sondern die Ignoranz der Menschen gegenüber dem Tod, die sich in all ihren Gesellschaftsnormen widerspiegelt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Justines Geist zunehmend erstarkt, als das Ende der Welt naht und es stellt sich heraus, dass sich der Melancholiker nicht in klagender Resignation verliert. Vielmehr duldet er kein jammerndes Selbstmitleid, sondern fordert Mut für die Zeichen der Angst und Akzeptanz für den Tod ohne Beschönigung oder Verdrängung. Im Gegensatz zu [i]„Antichrist“[/i], präsentiert sich [i]„Melancholia“[/i] überraschend schön in seinen Bildern. Lars von Trier verzichtet gänzlich auf Gewaltdarstellungen und obszön inszenierten Sexakten. Bei besonders intimen Szenen schreckt der Regisseur zwar nicht vor Nacktheit zurück, doch werden diese Szenen in eine fast schon erotische Ästhetik gehüllt. Optisch schafft Lars von Trier in [i]„Melancholia“[/i] also keinerlei Aufhänger und Ecken, an denen man sich als Zuschauer stoßen kann und die Empörungen verursachen. Auch mit besonderen Wendungen und einer spannenden Handlung kann der Film nicht aufwarten. Es ist vielmehr die Darstellung und Wechselwirkung der beiden Schwestern, die einen empfindlichen Nerv gezielt treffen und bis zum äußersten wundreiben. Es sind die grundsätzlichen Sinnfragen, die tief in jedem von uns schlummern. Es gibt keine atemberaubenden Endschlachten, Explosionen und Zerstörungen, die uns von der Bedeutung dessen ablenken, was das Ende der Welt tatsächlich mit sich bringt. Neben all den symbolträchtigen Bildern darf es einem solchen Werk nicht an fähigen Schauspielern mangeln, die das schwermütige Thema in der Darstellung ihrer Figuren gekonnt zu transportieren wissen. Die Wahl auf [b]Kirsten Dunst[/b] als sehnsüchtige Träumerin und [b]Charlotte Gainsbourg[/b] als aufopferungsvoller Gutmensch hätte nicht besser ausfallen können. Beide Frauen spielen groß auf und schaffen es, dem Zuschauer mit kleinster Gestik und Mimik einen Facettenreichtum an Emotionen abzuliefern. Die Gefühle und Empfindungen der Protagonisten kommen beinahe zögerlich zutage, als hätte sich das Filmteam bewusst mit großen, ausladenden Handlungen und Dialogen zurückgehalten. Vor allem Kirsten Dunst stellt ihre von Depressionen gebeutelte Figur mit einer solchen Authentizität dar, dass sie zu Recht den Darstellerpreis bei den 64. Filmfestspieler in Cannes erhielt. Auch der Soundtrack präsentiert sich eher gediegen und ruhig dahinfließend und viele Szenen kommen gänzlich ohne musikalische Untermalung aus. Lediglich der Einsatz von Richard Wagners Ouvertüre Tristan und Isolde unterbricht die Stille des Films und lässt sowohl Bilder, als auch Figuren in ihrer Emotionalität förmlich explodieren. [b]Fazit:[/b] [i]„Melancholia“[/i] zählt zu den Werken, bei denen man nicht weiß, ob man sie lieben oder hassen soll. Unangenehm schleichend brennt sich die fatalistische Grundaussage in das Gemüt des Kinogängers und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Der unausweichliche Tod, gepackt in wunderschöne, opulente Bildwelten, ist kein Thema, das wirklich Spaß macht und mit einer skurrilen Ambivalenz aufwartet, die nachhaltig bewegt und nicht mehr loslässt und eben diese penetrante Nachhaltigkeit erlangen nur die allerwenigsten Filme.

Melancholia Bewertung
Bewertung des Films
910

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3 Kommentare
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theMovielover : : Moviejones-Fan
29.06.2013 13:00 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.13 | Posts: 81 | Reviews: 4 | Hüte: 0
Tolle Kritik!
Ich mochte den Film nicht wirklich, aber er hat mich sehr zum nachdnken angeregt, was ich dann schon interessant fand.
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Leia : : Prinzessin
28.04.2013 20:26 Uhr
0
Dabei seit: 14.04.13 | Posts: 558 | Reviews: 13 | Hüte: 56
Vielen Dank!
Mir ging es danach genauso! Ich hatte echt große Probleme, das Feeling zu beschreiben, das der Film auslöst. Daher kann ich auch jeden verstehen, der diesen Film weniger gut bis scheiße findet, denn wirklich wohl fühlt man sich nicht danach. Aber von Trier will ja eigentlich auch nicht, dass man seine Filme "mag" laughing

Hören Sie... ich weiß nicht, wer Sie sind, und auch nicht, woher Sie kommen, aber von jetzt an tun Sie, was Ich Ihnen sage, OK!?!

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hekra : : Moviejones-Fan
27.04.2013 20:26 Uhr | Editiert am 27.04.2013 - 20:26 Uhr
0
Dabei seit: 18.07.12 | Posts: 1.382 | Reviews: 0 | Hüte: 17
wieder mal eine tolle kritik! die sich ziemlich mit meiner meinung deckt.
ich fand kirsten dunst, die mMn gern unterschätzt wird, auch ganz toll. und ich bin sehr froh, dass von trier hier auf seine extremen szenen verzichtet hat - in antichrist war mir das schon zu heftig irgendwie ;)
melancholia hat mich seltsam vewirrt zurückgelassen und ich hab lange überlegen müssen, ob mir er gefallen hat. es ist kein schöner, wohl aber ein interessanter und einzigartiger film.
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