Bewertung: 3.5 / 5
Die unfreiwillig wirkende Komik auch in den Joe-Seligman-Parts von Nymphomaniac, in denen Joe der Redner und Seligman (Stellan Skarsgård, Der Medicus) fast nur der Zuhörer, Frager und Theoretiker ist, hat ihren symbolhaften Sinn, und nicht nur einen, doch in der Wiederholung wirkt auch das manchmal too much. All das macht zwar deutlich, dass Joe sich selbst nicht ganz versteht in ihrem Konflikt, ab welcher Grenze sie ihre übersteigerte Lust noch als Lust oder schon moralisch verwerfliche Sucht empfindet. Zumal sich die Selbstsicht mit neuen Erlebnissen verändert und der Antrieb Lust nach immer wieder neuen Kicks sich im Ergebnis oft genug in Frust oder Schmerz verkehrt. Auch von außen betrachtet ist ein Urteil vom Betrachter subjektiv und je nach Zeitpunkt geprägt: So viele Metaebenen als Vergleich zu Joes Erlebnissen Seligman auch anführt, ist seine Reaktion auf Joe äußerst subjektiv, das macht das Ende von Nymphomaniac (Part 2) noch einmal mehr als deutlich. Jerôme (Shia LaBeouf) spielt in beiden Teilen immer wieder eine große Rolle, inwiefern Joe Liebe empfinden kann und wie sie Liebe für sich je nach Lebensabschnitt gerade definiert.
Charlotte Gainsbourg als erwachsene Joe, Newcomerin Stacy Martin als junge Joe wie auch die Kinderdarsteller spielen beeindruckend und passen als verschiedene Altersversionen einer Person hervorragend zueinander, allerdings hätten wir die Erzählerin-Joe nun nicht auf 50 Jahre geschätzt, das Alter kauft man Gainsbourg nicht ganz ab.
Trailer zu Nymphomaniac (Part 1)
Stellan Skarsgård als Seligman ist gewohnt gut, auch wenn sein Part bedeutend und im Duo als Kammerspiel spannend ist, fällt die Leinwandzeit als jeweils verschieden experimentelle Überleitung zwischen den Kapiteln natürlich nicht so groß aus. Shia LaBeouf (Transformers) passt durchaus in die Rolle des Jerôme, wirkt aber austauschbar. Zudem hat auch er zwar verschiedene, aber keine langen Parts. Er spielt zwei Altersklassen, Shia LaBeoufs Ersatz im dritten ältesten Alter passt allerdings nicht gut, auch wenn man diesen nur kurz sieht. Christian Slater (True Romance) ist als Nebenrolle dennoch interessant als Vater von Joe besetzt, vor allem im zweiten Teil kommt er noch stark ins Spiel. Uma Thurman (Kill Bill) hat als gehörnte Mrs. H eine garndiose und zudem ungewohnte Rolle in einer der besten Szenen des Films, in der Komik ins Peinlich-Schmerzhafte kippt.
Man kommt immer wieder zu dem Ergebnis, dass der Stil ein durchaus interessanter, komplexer und wirkungsvoller typischer Lars von Trier-Ansatz ist, aber dass man beide Teile dennoch auf einen hätte zusammenkürzen können, um das, was Nymphomaniac als Charakterstudie klar machen und an Wirkung erzeugen will, zu zeigen. Lars von Trier blendet nicht nur nicht weg oder hält drauf, er hält als deutliches drauf Hinweisen wiederholt drauf, das gilt für Sex und Schmerz gleichermaßen.
Um gravierende schmerzhafte Folgen der Nymphomanie und Joes Umgang damit geht es denn auch nach dem Cliffhanger-Ende im zweiten Teil. Wer nicht gespoilert werden will, sollte nicht weiterelesen.