Bewertung: 3.5 / 5
Während im Buch eine Geschichte Stückwerk sein darf, muss sie sich im Film zum Ganzen entwickeln. Diese simple Wahrheit war der Grund, dass Wladimir Kaminers Russendisko neun lange Jahre brauchte, um den Weg zur Leinwand zu finden. Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg machte sich schließlich die Kurzgeschichten des 1990 nach Berlin eingewanderten Russen untertan und schickt in seinem Regiedebüt mit Matthias Schweighöfer und Friedrich Mücke das Dreamteam aus Friendship! erneut gemeinsam vor die Kamera.
Ziegenbalg war es, der vor zwei Jahren für Markus Goller das Drehbuch zu jener Komödie lieferte, in der zwei Ossis ins Abenteuerland USA aufbrechen. Die Gerüchte, dass er damals schon beim Schreiben Schweighöfer für die Hauptrolle im Kopf hatte, zerstreute er nie - und man kann es ihm nicht übel nehmen, wenn man in Friendship! bezeugen konnte, wie gut er mit Co-Star Friedrich Mücke harmonierte. Wenn zwei sich so verstehen wie die beiden, möchte man sie noch einmal zusammen sehen.
Doch diesmal sind es drei Freunde, die ins Abenteuer reisen, das 1990 in Berlin zu finden ist: Wladimir (Schweighöfer), Mischa (Mücke) und Andrej (Christian Friedel, #Das weiße Band#) siedeln aus Russland in die frisch wiedervereinte deutsche Stadt über. Sie ergattern ein Zimmer im Wohnheim, bestaunen ihre neue Welt. Andrej erweist sich als guter Geschäftsmann im fliegenden Einzelhandel, Mischa träumt von der Karriere als Musiker, und da Wladi nicht genau weiß, wohin, wartet auf ihn die Liebe. Er findet Olga (Peri Baumeister) und ist damit beschäftigt, das Herz der Schönen von der Insel Sachalin zu erobern.
Probleme gibt es in diesem Film nicht. Kaminers Optimismus und seine liebenswerte Bescheidenheit werden in Schweighöfers "Alles ist gut"-Attitüde übersetzt. Es wird viel gelacht und gelächelt in Russendisko. Das könnte zur Belastung werden, wäre da nicht Andrej, der von Friedel gespielte Mann der Tristesse. Überhaupt gleicht es einem Wunder, wie selbstverständlich sich der Theatermann Friedel zwischen Mücke und Schweighöfer einfindet. Selten wird aus einem guten Duo ein unzertrennliches Trio, bei dem keiner überflüssig ist.
Ziegenbalgs Vorstellung von der wunderbaren Welt des Wladimir Kaminer ist ein Märchenland, in dem man alles mit Humor nimmt oder mit einem Tässchen Wodka runterspült. Sie passt zum freundlich-lustigen Erfinder der Russendisko, der kürzlich das Theater "elitär und kopflastig" genannt hat. Der Film ist das Gegenteil von beidem. Der Kostümbildnerin sagte man, dass ihre Arbeit so aussehen soll, als würde ein angesagtes Label die Mode von damals interpretieren. Das könnte man als das generelle Credo dieser Komödie bezeichnen.
Liest man Kaminers im Goldmann Verlag erschienene Geschichten heute noch einmal, empfindet man den Film als logische Interpretation. Nach Angaben des Produzenten Christoph Hannheiser - der sich 2003 beim verdutzten Kaminer die Filmrechte sicherte - war Oliver Ziegenbalg der Einzige, der in seinem Drehbuchentwurf Kaminers neues Berliner Leben in eine verwertbare Form brachte. Dass Hannheiser ihm auch den Regiestuhl überließ, mag den Autor selbst am meisten erstaunt haben, erwies sich aber als logische Konsequenz und richtige Entscheidung. Die drei Hauptdarsteller, deren Timing und Spielfreude fast zu schön sind, um wahr zu sein, tun ihr Übriges.
Russendisko bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)