Natürlich muss man dennoch sagen, dass Fight Club trotz dieses herben Einschnitts noch immer eine wahnsinnige Schlagkraft besitzt. Man könnte es schließlich sogar positiv werten, dass chinesische Zuschauer endlich einen ungesühnten Blick auf einen Großteil von David Finchers Machismo-Fantasie werfen können. Und dennoch, wird hier ein Stück der Seele dieses einzigartigen Werks geraubt. Genauer noch ließe sich das wie folgt zusammenfassen: Eines der wohl einprägsamsten Filmenden aller Zeiten geht für die Achtung vor der Obrigkeit vor die Hunde!
Das erscheint in Anbetracht der Sprengkraft des Stoffes gleichfalls paradox wie einleuchtend. Gewissermaßen haben wir damit wohl doch die gewünschte Meta-Ebene für das Ende von Fight Club zurückgewonnen. ;-)
Zumindest der Originalautor, Chuck Palahniuk, scheint sich über das bahnbrechende Happy End der Filmumsetzung so richtig doll zu freuen, wie sein regimetreuer Twitter-Kommentar beweist:
Have You Seen This Sh*t?
— Chuck Palahniuk (@chuckpalahniuk) January 25, 2022
This is SUPER wonderful! Everyone gets a happy ending in China!
https://t.co/saVA2yro9B pic.twitter.com/20UzTi1nyI
Man kann nur hoffen, dass sich sämtliche lokale Zuschauer über diese grob verfälschende Darstellung des Handlungsverlaufs im Klaren sind, wenn sie Fight Club zum vielleicht ersten Mal über Tencent Video starten. Bei alledem muss angemerkt werden, dass nicht zweifelsfrei zu klären ist, ob die einschneidenden Wahnsinnsmaßnahmen für dieses Chaoswerk von der chinesischen Regierung oder vom chinesischen Tech-Konzern Tencent vorgenommen wurden. Doch im Kern ist dieses Detail eigentlich auch egal, denn es deutet an, wie der chinesische Absatzmarkt auf Filmklassiker Bezug nimmt und bietet durchaus auch Anlass, über die aktuelle Kinopolitik nachzudenken.
Neuere Filmbeispiele wie Mulan sind schließlich überaus kritisch zu betrachten und verdeutlichen, welche verheerenden Zugeständnisse große Hollywood-Studios wie Disney bereit sind, einzugehen, um einen Fuß in die Tür des chinesischen Marktes zu bekommen. Der Umgang mit der Verlagerung des Schauplatzes vom durch China unterdrückten Tibet ins weniger verfängliche Nepal in Marvels Doctor Strange wäre ein weiteres trauriges Beispiel zur bedrückenden Ehrfurcht Hollywoods vorm chinesischen Regime.
Im Unterschied zu den angeführten Fällen handelt es sich bei Finchers Fight Club aber beinahe um so etwas wie einen intellektuell hochmütigen Kunstfilm. Die Änderung an diesem Werk verdeutlicht letztlich, dass hohler Konsum, Geld und Macht wohl doch alles im Leben ist, worauf es ankommt. Man verzeihe diese Pointe, aber auch in diesem Aspekt scheint das Werk cleverer als die vorgenommene Verunstaltung des Endes.
Anders gefragt: Wird es selbstmörderische Trips wie Fight Club vielleicht in Zukunft immer weniger geben, weil man die Angst verspürt, den wichtigen chinesischen Markt nicht ebenfalls beehren zu können?
Wahrscheinlich wird es nicht so weit kommen, denn zugegebenermaßen klingt diese Haltung dann doch ein wenig zu desillusioniert und paranoid. Wenn wir aber auf einen Film wie FFF zu sprechen kommen, erscheint das wiederum eigentlich überaus passend ...
Auch wenn unsere Finger kurz vor Nervosität zuckten und uns allein schon der schelmische Gedanke ein breites Grinsen auf die Lippen zaubert, verzichten wir zum Ende natürlich auf nackte Tatsachen! ;-)