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The Idol

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Wer manipuliert mehr?

Review "The Idol" Staffel 1 Episode 2: Tanz auf der Rasierklinge

Review "The Idol" Staffel 1 Episode 2: Tanz auf der Rasierklinge
0 Kommentare - Di, 13.06.2023 von A. Seifferth
Es geht noch mehr in Richtung Schmerzgrenze: Unter dem Titel "Double Fantasy" wurde die zweite Folge der kontroversen Pop-Satire "The Idol" mit Lily-Rose Depp und The Weeknd veröffentlicht.

In Folge 2 von The Idol geht es weiter in Richtung Schmerzgrenze, denn die Mühlen des Showbusiness entpuppen sich als blutrünstiger Fleischwolf, der weder vor körperlichen Blessuren noch seelischen Gebrechen Halt macht. Will Sam Levinson nur provozieren oder übt er hiermit Kritik am System?

Review The Idol Episode 2: "Double Fantasy"

Sängerin Jocelyn (Lily-Rose Depp) kann sich kaum noch auf den Beinen halten, als sie mit ihrer talentierten Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern im Rampenlicht steht, um ihr neuestes Musikvideo aufzunehmen. Eingeschüchtert von den Drohungen von Musiklabel-Chefin Nikki Katz (Jane Adams), die die künstlerischen Ambitionen der jungen Frau als ausgemachte Hirngespinste zurückweist, muss sie eine wahre Tortur über sich ergehen lassen. Als lebendiges Wrack geht sie folglich an ihre Leistungsgrenzen, um bestmöglich zu performen.

Lasziv und erotisch soll die Botschaft des Videoclips sein, um das imaginierte Zielpublikum zu begeistern, doch Jocelyn ist bei diesem Dreh eine Gefangene, die wie ein dressiertes Pferd die immergleichen Tricks abliefern soll und diese Ausweglosigkeit überträgt sich bestens auf uns als Zuschauer:innen. Obwohl man es sich wünscht, ruft hier niemand "Stopp!", denn es ist zu viel Geld im Spiel als dass jemand der Mensch sein möchte, der die Produktion ins Stocken bringt.

Hiervon gehen die stärksten Impulse von The Idol aus: dem unsichtbaren Leiden eine Bühne zu geben und aufzuzeigen, dass manches Musikstück eine Geschichte hat, die man lieber nicht im Detail erfahren möchte, weil es sonst dem unschuldigen Genuss im Wege steht. Man muss hier die Leistung von Rose-Depp herausstellen, denn sie vermag es diese Rolle weiterhin mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu vermitteln, wobei sie Jocelyns unbändig scheinenden Ehrgeiz gegenüber deren verletzlicher Seite verspielt zum Ausdruck bringt. Diese Rolle scheint ihr in gleicher Manier auf den Leib geschneidert, wie die spärliche Kostümierung, die sie im Zuge ihres Auftritts demonstrativ zur Schau stellt.

Wie bereits angesprochen, sind aber nicht nur die psychischen Gebrechen des jungen Stars zu vernehmen, sondern auch ihre klaffenden Wunden, die sie von der erotischen Begegnung mit ihrem undurchsichtigen Lover Tedros (The Weeknd) davongetragen hat. Sie ist geradezu besessen von seiner mächtigen Aura und seiner Durchtriebenheit. Es ist ein gefährliches Spiel, auf das sich Jocelyn eingelassen hat und wie es scheint, zieht sich die Schlinge buchstäblich mehr und mehr zu.

Auf uns wirkt dieser Aspekt von The Idol bislang aber noch zu unmotiviert und diffus, um richtig nachzuhallen. Das liegt insbesondere an der noch recht vage gehaltenen Rolle von The Weeknd. Obendrein wird zunehmend spürbar, dass er noch viel zu lernen hat, wenn er dauerhaft im Schauspielgeschäft bestehen möchte. Es dürfte jedenfalls klar sein, dass seine Figur ein manipulatives Wesen besitzt und sie Jocelyn nach allen Regeln der Kunst zu brechen versucht.

Bezüglich der Zurschaustellung von nackten Körpern und Sexualpraktiken legt diese Episode von The Idol einen weiteren Gang zu. Bei den entsprechenden Szenen macht sich wenig überraschend eine beklemmende Horrorstimmung breit, denn das Machtgefälle und die manipulativen Absichten können schwer verdrängt werden und es ist offensichtlich, dass es sich vorliegend nicht um Verbindungen auf Augenhöhe handelt.

Die Verschachtelung der beiden adressierten Handlungsstränge macht demnach deutlich, dass Körper und Geist im Showgeschäft einem Schlachtfeld gleichen, um das zahlreiche Parteien zu buhlen versuchen. Für uns ist die Serie mutig, denn sie traut sich dunkle Abgründe zu vermitteln und wirft kritische Schlaglichter darauf, dass der Wille zum Kommerz mit Blut und falschen Versprechungen gesalbt ist. Ab wann etwas freiwillig geschieht, ist vor diesem Hintergrund irrelevant, denn ein Star ist immer vom Zuspruch anderer Menschen abhängig und als benötigt er die Absolution - sowohl vom Management als auch von den Massen an Fans.

Zugegebenermaßen: sonderlich subtil geht es in The Idol bislang nicht zu und es ist auch nicht davon auszugehen, dass dieser Eindruck in den weiteren Episoden korrigiert wird, allerdings passt das wiederum zum angeprangerten System, das besonders süchtig nach jungen Frauen "mit dem gewissen Etwas" ist.

An dieser Stelle geht es um Billigung und Mitwisserschaft und ein mögliches Karriere-Ende scheint stets nur ein Fingerschnippen entfernt zu sein. Aktuelle Bezüge für diese Tendenzen lassen sich im Zeitgeschehen ohne Weiteres finden, wenn man einigermaßen wachen Auges durch die Medienlandschaft schreitet. In diesem Zusammenhang ist The Idol nach dieser Folge vielleicht nicht die bekömmlichste und ausgefeilteste Serie der jüngeren Geschichte, jedoch kann sie als längst überfälliges Brennglas verstanden werden. Die Finger dürfen gern noch tiefer in diese klaffende Wunde vordringen.

Quelle: HBO
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