Bewertung: 3 / 5
Mit seinem 1975 veröffentlichten Roman "High Rise" (dt. Hochhaus, Der Block) lieferte der Autor James Graham Ballard eine gesellschaftskritische Zukunftsvision. Über viele Jahre wurde versucht, diesen Roman in ein filmisches Werk zu verwandeln, doch erst 2013 nahm das Projekt konkrete Züge an. Hat sich die lange Wartezeit seit der Erstveröffentlichung auf High-Rise gelohnt?
Anthony Royal (Jeremy Irons), der berühmte Architekt, hat eine ganz klare Vision der Zukunft: Sein Erbe stellt ein Hochhauskomplex dar, der als Schmelztiegel für die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten dienen soll. Während die oberen Etagen der Oberschicht vorbehalten sind, leben in den unteren Stockwerken die ärmeren Bewohner. Das Hochhaus - ein Abbild der Gesellschaft. Von dieser Vision wird auch der junge Arzt Robert Laing (Tom Hiddleston) angezogen, der seine Vergangenheit hinter sich lassen und in dem erst fertiggestellten Hochhaus ein neues Leben beginnen will. Schnell schließt Laing freundschaftliche Bande mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Wohnkomplex und nimmt als fast unsichtbarer Beobachter am Schauspiel teil. Zunehmende Spannungen wiegeln die Etagen aber gegeneinander auf und als dann noch der Strom ausfällt, wird das gesellschaftliche Experiment auf eine tödliche Probe gestellt.
Trailer zu High-Rise
High-Rise Filmkritik
Denkt man an High-Rise, muss man unweigerlich auf den thematisch nicht unähnlichen Snowpiercer aus dem Jahr 2013 zu sprechen kommen. Gerade die Grundidee eines räumlich begrenzten Abbilds der Gesellschaft weckt Assoziationen. Dennoch könnten die Umsetzung und Botschaft beider Filme nicht unterschiedlicher sein: Während sich Snowpiercer eher einer tieferen philosophischen Botschaft verschreibt, kann High-Rise eher als Warnruf gegen die technologische Entwicklung verstanden werden, aus einer Zeit stammend, als ein Umbruch stattfand.
Dahingehend versucht Regisseur Ben Wheatley auch die zeitliche Einordnung und Herkunft des zugrundeliegenden Romans nicht zu verleugnen. So wie der Roman Mitte der 70er Jahre entstand, ist auch der Film in einem nicht näher definierten Zeitabschnitt jener Epoche angesiedelt. Unterstützt wird diese Darstellung durch eine ganze Reihe hochkarätiger Schauspieler bei denen vor allem Tom Hiddleston, Jeremy Irons und Luke Evans eine besondere Bedeutung zukommt. Sie hauchen ihren Figuren überzeugend Leben ein und tragen vollumfänglich zur Atmosphäre bei.
Diese wird ebenfalls durch einen wunderbaren Soundtrack unterstrichen, der vor allem mit einer breiten Palette an abgewandelten Abba-Songs zu gefallen weiß. Obwohl der Film nur dezent visuelle Tricks einsetzt, ist die visuelle, akustische Darstellung von High-Rise in Kombination mit der Grundidee und der daraus resultierenden Atmosphäre die treibende Kraft hinter diesem Film. Eine Kraft, die nur schwer in Worte zu fassen ist, da ein großer Teil seiner Faszination auch aus eben jenem Aspekt herrührt, einer schwer einzuordnenden dystopischen Vision. Immer wieder wirft High-Rise Fragen auf, über die es nachzudenken lohnt, die auch eine zweite Sichtung des Films irgendwann unabdingbar machen, um wirklich alle Facetten erfassen zu können.
Doch in all diesen Fragen fehlt die eine, die übergeordnete zentrale Botschaft. Während dem Roman die Angst vor der Degeneration der Gesellschaft zugrundeliegt, wird diese im Film zwar anschaulich dargestellt, sich aber mit den zentralen Fragen, die damit zusammenhängen, nur unzureichend auseinandergesetzt. Vieles wird angedeutet, aber oftmals gar nicht erklärt. Buchkenntnisse sind somit an vielen Stellen unabdingbar, um verschiedene Handlungssprünge plausibel nachvollziehen zu können.
Dadurch fügen sich auch viele Elemente und Ideen ungenügend zusammen, da viele Fragen unbeantwortet bleiben und bestimmte Themen überhaupt nicht beleuchtet werden. So verläuft der Bruch der Gesellschaft zwar in Etappen, doch die Stufen dazwischen sind oft viel zu sprunghaft und erschließen sich dem Zuschauer nicht auf plausible Weise. Vielmehr nimmt dieser die vorliegende Entwicklung als Fakt hin. Hinzu kommt, dass der Gebäudekomplex nicht in einer hermetisch abgeschlossenen und für sich funktionierenden Welt spielt. Warum die Verrohung der dort lebenden Gesellschaft nicht von der Polizei und in der Nähe lebenden Bewohnern erkannt wird, ist eine der vielen Fragen, denen sich das Buch zwar widmet, was im Film aber bestenfalls für ungläubiges Kopfschütteln sorgt.
High-Rise Bewertung
High-Rise ist ein toller Film und dann auch wieder nicht. Atmosphärisch dicht, visuell ansprechend und stark gespielt, weiß er zu packen und vor allem dem Auge zu gefallen. Dennoch wirkt die erzählte Geschichte zu zerfasert, voller Sprünge und ohne echten roten Faden. High-Rise wirkt unfokussiert und ergibt kein kohärentes Gesamtbild, welches abseits starker Momente und prägender Eindrücke zu packen weiß. Es fehlt die zentrale Botschaft, die aus den vielen Ideen mehr als die Summe ihrer Einzelteile macht. Und so ist es bei High-Rise wie mit vielen interessanten Konzepten, dass am Ende wie bei einem Hochhaus schnell ein instabiles Gebilde herauskommt. Faszinierend in seiner Bauweise und doch ein wenig baufällig.