Bewertung: 5 / 5
Es dauert nicht mehr lange, und wir dürfen uns Ridley Scotts neuen Film, Gladiator 2, anschauen. Anlässlich dieser Veröffentlichung möchten wir 24 Jahre zurückblicken und widmen uns Gladiator.
Mit Alien oder Blade Runner, aber auch Thelma & Louise lieferte Scott in jedem Jahrzehnt einen starken Beitrag ab. Dieser Trend wurde im Jahr 2000 mit Gladiator fortgesetzt und zeitgleich das Sandalenfilm-Genre wiederbelebt – ein Genre, das zu jener Zeit eher in Vergessenheit geraten war.
Trailer zu Gladiator
Gladiator Kritik
Die Geschichte basiert teilweise auf reale Charaktere, auch wenn die Hauptfigur frei erfunden wurde. Wir befinden uns im Jahr 180 n. Chr., das Römische Reich wächst und hat die letzten Jahrzehnte mit Kriegen verbracht. Kaiser Marcus Aurelius lässt gegen die Germanen kämpfen, angeführt von seinem Feldherrn Maximus Decimus Meridius. Doch die Zeit von Aurelius neigt sich dem Ende zu. Seinen ehrgeizigen Sohn Commodus hält er für ungeeignet, seine Tochter Lucilla hingegen wäre die perfekte Nachfolgerin – wäre sie ein Mann. Deshalb soll sein engster Vertrauter Maximus das schwere Erbe antreten. Sowohl Aurelius als auch Maximus werden jedoch von Commodus verraten. Während Maximus sich als Sklave wiederfindet, hat sich der ungeliebte Sohn zum Kaiser von Rom ernannt.
Wie ein typischer Sandalenfilm präsentiert sich auch die erste Stunde des Films. Gleich zu Beginn sehen wir die Schlacht von Maximus’ Armee gegen die Germanen: Viele Hundert Menschen vor der Kamera, unzählige Schwertkämpfe und Bogenschützen, eine sehr unübersichtliche Situation. Aber Scott versteht sein Handwerk und fängt solche Momente gekonnt ein. Aus heutiger Sicht wirkt die erste Stunde von Gladiator jedoch etwas durchwachsen. Die schnellen Schnitte und die teilweise wackelige Kamera sind nicht immer ganz nah am Geschehen. Trotz allem ist der Fall von Maximus und seine Anfänge als Sklave solide in Szene gesetzt.
Es gibt Filme, die ein Genre über ihre gesamte Laufzeit durchziehen und es gibt Filme, die an einem bestimmten Punkt zeigen, dass sie mehr sein wollen. Zu solchen Werken gehört auch Gladiator. Denn als sich „der Spanier“ im Kolosseum von Rom dem Kaiser als Maximus Decimus Meridius zu erkennen gibt, offenbart sich auch der Film selbst, dass er mehr ist als nur ein actionreiches Sandalenepos.
Die Geschichte von Gladiator ist gespickt mit politischen Machtspielen. Braucht ein großes Reich einen Senat, oder kann der Kaiser allein im Sinne eines großen Führers herrschen? Ist die Kluft zwischen dem Pöbel und dem Wohlstand notwendig? Wie kann man das Volk bei Laune halten?
In solch einer Situation spielen Heldenfiguren eine entscheidende Rolle. Der Kaiser von Rom hat keine Macht, wenn ihm das Volk nicht gehorsam ist. Maximus, erst von Rache getrieben, lernt sein Schicksal als Gladiator zu nutzen, um als Held Einfluss auf das einfache Volk auszuüben – vergleichbar mit Persönlichkeiten wie Elon Musk oder Taylor Swift, die heute für manche Heldenstatus besitzen und so Einfluss auf die Gesellschaft nehmen.
Ridley Scotts Geschichte vom Fall und Wiederaufstieg eines Helden wird von Russell Crowe verkörpert. Die eher introvertierte Figur des Maximus wird eindrucksvoll von Crowes Mimik mit Leben gefüllt. Seine zeitweise Gleichgültigkeit, Hoffnung und auch Mut sind spürbar.
Ihm gegenüber steht Joaquin Phoenix, ein Schauspieler, der damals seine großen Erfolge noch vor sich hatte. Commodus, der nicht respektierte Sohn des Kaisers, hat psychische Störungen entwickelt und ist von einem Drang nach Macht getrieben, was Parallelen zu manchen Staatsführern unserer Zeit aufkommen lässt. Sein Verlangen, seiner Schwester näherzukommen, lässt Phoenix’ Figur noch unberechenbarer wirken. Joaquin Phoenix spielt diese bizarre Figur sehr überzeugend, sodass man als Zuschauer eine große Abneigung aber auch Mitgefühl empfindet.
Diese Schwester, Lucilla, wird von Connie Nielsen dargestellt. Einerseits ist sie gütig und eine liebende Mutter, andererseits zwielichtig mit geheimnisvollen Verstrickungen in ihrer Vergangenheit.
Zwei weitere prägende Nebenrollen stehen Maximus als Gladiatoren zur Seite. Den schauspielerisch limitierten Ralf Moeller setzt Ridley Scott geschickt in Szene und treibt ihn so zu seinem Karrierehöhepunkt. Djimon Hounsous Figur des Juba gibt dem „Spanier“ Halt in seiner Trauer und zeigt ihm trotz schwerer Verluste neue Perspektiven.
Damit eröffnet Gladiator eine weitere Facette: Der Film wagt einen Blick ins Jenseits und präsentiert eine These darüber, was auf der anderen Seite auf uns warten könnte und wir hin und wieder Geduld benötigen. Begleitet von einer wiederkehrenden Metapher.
Eine Leitfigur in Maximus’ neuem Lebensabschnitt stellt Proximo dar. Einst selbst ein Gladiator, kennt er den Weg zur Freiheit und lehrt Maximus, dass man nicht nur gut kämpfen, sondern sich auch präsentieren muss – ein weiteres Spiegelbild was in unserer heutigen Gesellschaft mehr und mehr gefragt ist. Proximo wurde von Oliver Reed dargestellt, der noch während der Dreharbeiten verstarb.
Maximus’ Aufstieg zum Volkshelden im Kolosseum von Rom entfacht zunehmend ein Machtkampf zwischen dem Kaiser und dem Gladiator. Dieser Kampf rüttelt sowohl an den Regierungsstrukturen als auch an Familienbeziehungen. Während die Action zu Beginn des Films noch sehr hektisch und unübersichtlich wirkte, erhalten die Kämpfe der Gladiatoren in der Arena zunehmend eine intimere und greifbarere Wirkung. Das kann als stilistisches Mittel von Ridley Scott verstanden werden, lässt den Zuschauer auf jeden Fall intensiver mit Maximus und seinen Kameraden mitfiebern.
Die vielschichtige Geschichte, die von drei Drehbuchautoren geschrieben und von Ridley Scott inszeniert wurde, wird wundervoll von Hans Zimmers Musik begleitet. In manchen Stücken wie „The Battle“ lassen sich bereits Vorboten von Fluch der Karibik erkennen. „Honor Him“ scheint in seiner Emotion für die Ewigkeit komponiert worden zu sein und prägt den Film. Die Musik wird bedacht eingesetzt, nicht selbstverständlich bei Zimmer. So entfaltet sie eine starke Wirkung.
Gladiator zeigt mit seinen späteren Schwerpunkten zunehmend gesellschaftliche Konflikte und die Kluft zwischen Arm und Reich. Geradezu harmonisch ist der Schulterschluss am Ende, wenn sowohl Wohlstand als auch Pöbel zueinanderfinden, ein Opfer ehren und damit einen Traum von Rom wahr werden lassen.
Fazit
Während Gladiator zu Beginn etwas angestaubt und aus der Zeit gefallen wirkt, entfaltet der Film mit zunehmender Laufzeit seine Vielschichtigkeit. Gezeigt werden nicht nur Action und Kämpfe, sondern gesellschaftliche Strukturen, familiäre Intrigen, ein Blick ins Jenseits und die Verehrung von Heldentum. In all diesen Elementen lassen sich Parallelen zur Gegenwart finden. Das überzeugende Schauspiel insbesondere von Russell Crowe und Joaquin Phoenix lassen Ängste, Hoffnungen, Mut und Abscheu greifbar werden. Das ganze wird durch wundervoll prägende aber nicht erdrückende Musik Hans Zimmers begleitet und durch die umsichtige Regie von Ridley Scott vereint. Das macht Gladiator auch heute noch zu einem ganz besonderen Erlebnis.