
Bewertung: 3.5 / 5
Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens ist ein Klassiker der Filmgeschichte, der mit Werner Herzogs Nosferatu - Phantom der Nacht bereits ein gelungenes Remake nach sich zog. Nimmt man die zahlreichen Dracula-Verfilmungen hinzu, die im Grunde dieselbe Geschichte erzählen, muss man schon ein richtig starkes Werk abliefern, um mit einer Neuinterpretation dieses Stoffes aus der Masse herauszustechen. Nachdem dies Robert Eggers mit seinem letzten Film, einer Variation der ebenfalls schon dutzendfach adaptierten Hamlet-Sage, in beeindruckender Manier geglückt war, waren wir jedenfalls gespannt, ob ihm dies mit Nosferatu - Der Untote nun ebenso gelingen würde.
Nosferatu - Der Untote Kritik
Hier folgt sogleich eine Korrektur, denn diesen Film eine Neuinterpretation zu nennen, wäre in Anbetracht dessen, wie sklavisch sich Eggers bis auf einige Details an die Murnau-Version hält, eine Übertreibung. So ist eine Inhaltsangabe eigentlich überflüssig, soll hier aber dennoch erfolgen: Im Jahr 1838 wird der frisch vermählte und von Geldsorgen geplagte Maklergehilfe Thomas Hutter in die Karpaten entsandt, da Graf Orlok ein Anwesen in Hutters Heimatstadt Wisborg gekauft hat, den Kaufvertrag aber in seinem Schloss unterzeichnen will. Schon vor der Ankunft verdichten sich die Anzeichen, dass Hutter es hier mit keinem gewöhnlichen Kunden zu tun bekommt. Währenddessen leidet seine in Wisborg zurückgebliebene Frau Ellen an einer mysteriösen Krankheit, der mit den Mitteln der Schulmedizin nicht beizukommen ist.
Trailer zu Nosferatu - Der Untote
Max Schrecks Darstellung des titelgebenden Vampirs hat zurecht einen festen Platz in der Ikonographie der Filmgeschichte, so dass es eine weise Entscheidung ist, sich bei einer Neuverfilmung optisch davon abzusetzen. Da um die äußerliche Erscheinung des Grafen in den ersten Szenen durch geschickte Schattensetzung ebenso wie in den Trailern ein Geheimnis gemacht wird, wollen wir hier auch gar nicht zu sehr ins Detail gehen, allerdings gibt es einen Teilaspekt der Darstellung, den wir erwähnen müssen, und zwar die Stimme. Bill Skarsgård (und mit ihm der deutsche Synchronsprecher, der sich eng an dessen Duktus im Original hält) versieht Orlok mit mit einem derart übertrieben breiten osteuropäischen Akzent, dass es wie eine Parodie wirkt. Zudem trägt der Horrorfilm-erfahrene Mime seine Dialogzeilen extrem langsam vor, so dass man beinahe geneigt ist, die um rund 40 Minuten höhere Laufzeit gegenüber dem Original in erster Linie auf die langgezogenen Dialoge mit Orlok zu schieben.
Damit haben wir auch schon den größten Kritikpunkt angesprochen, denn Eggers wälzt eine Geschichte, die Murnau in knackigen 94 Minuten erzählt, auf 132 Minuten aus und das, obwohl er sie nicht mit größeren erzählerischen Hinzufügungen versieht. Dies sorgt an einigen Stellen für Leerlauf, wenn Eggers seine Tableaus nicht mit ausreichend Bedeutung füllen kann. An der visuellen Gestaltung gibt es dagegen nichts auszusetzen, die ist erwartungsgemäß das große Plus des Films. Nosferatu - Der Untote wurde in Farbe gedreht, fühlt sich durch die farbliche Entsättigung aber beinahe monochrom an. Dazu trägt auch bei, dass ein Großteil der Szenen in schwarzweißer Dunkelheit oder in erleuchteten Innenräumen, die der Lichtschein komplett in ein gedämpftes Orange tränkt, spielt, womit Eggers und sein Kameramann Jarin Blaschke gekonnt die Viragierung des Originalfilms referenzieren.
Ansonsten sorgen die zahlreichen symmetrischen Bildkompositionen und langen Einstellungen für eine gleichermaßen melancholische wie unheimliche Atmosphäre, die den zur Handlungszeit vorherrschenden Kunststil der Romantik perfekt einfängt. Dazu tragen neben der exzellenten Kameraarbeit auch die sonstigen technischen Kategorien wie Ausstattung, Sounddesign und Musik bei, die allesamt auf einem hohen Niveau angesiedelt sind.
Die Darstellerleistungen lassen sich größtenteils als solide bis gut abhaken, während Skarsgårds Interpretation des Blutsaugers wie bereits angesprochen das Potential hat, die Meinungen zu spalten. Recht spät im Film kann sich immerhin noch Willem Dafoe, der sichtlich Spaß an seiner Rolle eines Van Helsing-Surrogats hat, zum Szenendieb aufschwingen.
Fazit
Nosferatu - Der Untote ist ein audiovisueller Genuss, bei dem die erzählerische Komponente nicht ganz mit der vorzüglichen Form mithalten kann. Wie sehr man sich daran stört, hängt wohl auch damit zusammen, wie vertraut man mit der zugrunde liegenden Geschichte ist. Einen modernen Horrorfilm mit schnellem Erzähltempo sollte man zudem nicht erwarten, denn statt auf konstante Spannungserzeugung ist Eggers mehr auf das Etablieren einer unbehaglichen Grundstimmung aus.
