Bewertung: 3.5 / 5
Climax ist vor allem ein Film für die Sinne, die Augen, die Ohren. 90 Minuten, die nicht nur für die Figuren, sondern auf ihre Weise auch für den Zuschauer zu einem Drogentrip werden. Tanz, Ekstase, Leidenschaft, Emotionen... All das köchelt bis zum Höhepunkt vor sich hin. Schönheit wird zu etwas Hässlichem, bei der die Story und Motivationen zwar auf der Strecke bleiben, aber man dennoch zum Höhepunkt kommt. Experimentell und unkonventionell, ganz klar ein französischer Film, der es liebt, französisch zu sein.
Climax Kritik
In einem einsamen verlassen Schulgebäude treffen sie sich. Verschiedene Tänzer aus ganz Frankreich, vereint für ein Ziel, eine unglaubliche Performance auf die Beine zu stellen und dann auf Tournee zu gehen. Drei Tage üben sie, Fremde kommen sich näher und das Ergebnis ist ein Genuss. Der letzte Abend, jetzt wird gefeiert, getrunken und auf das angestoßen, was man in den letzten Tagen geschaffen hat. Ekstatisch werden Körper zur Musik bewegt, werden Grenzen ausgelotet, und dann kippt die Stimmung. Jemand hat Drogen in den Alkohol gemischt. Die Wirkung setzt ein, erst langsam, dann immer stärker. Aus Zuneigung wird Misstrauen, aus Leidenschaft Hass...
Trailer zu Climax
Climax ist ein Film, wie er wohl nur aus einem Land wie Frankreich kommen kann und dessen ist sich Regisseur Gaspar Noé vollends bewusst, und selbstbewusst tritt er an, dies zu beweisen. Das machen bereits die ersten Minuten des Films klar, die nicht nur die Protagonisten vorstellen, sondern dem Zuschauer auch in fetten Lettern klarmachen "Dies ist ein Film, der stolz ist, französisch zu sein!" und so prangt gleichsam patriotisch die französische Flagge fast die gesamte Spielzeit groß im Bild. Die Claims sind abgesteckt, doch was auf den Zuschauer zukommt, erwartet dieser wohl nicht, denn Climax wird seinem Titel gerecht, es ist ein Höhepunkt ganz besonderer Art, ein Höhepunkt für die Sinne.
Gleich zu Beginn werden wir hineingeworfen in eine schier nicht enden wollende Tanzchoreographie, die übergeht in Party, kein Schnitt scheint die Abfolge zu stören, die Kamera schwenkt durch den Saal, erfasst die unterschiedlichen Gruppen, filmt die Tänzer, belauscht die Dialoge. Es wird getanzt, getrunken und gefeiert und im Hintergrund die Musik, ausgewählt aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen, die unablässlich auf den Zuschauer einprasselt, zusammen mit den Bildern den Zuschauer berauscht. Während die Darsteller unbewusst die Drogen nehmen, nimmt der Zuschauer die optische Droge unbewusst auf. Was schön beginnt, wird zunehmend verstörender, wenn sich Abgründe auftun, Missgunst herrscht und jeder jedem misstraut. Wie konnte es soweit kommen?
Diese Frage lässt Noé offen, überlässt sie gänzlich dem Zuschauer, der nur dem folgen kann, was vor ihm geschieht. Wir erleben eindrucksvoll, dass Sofia Boutella eine wirklich gute Darstellerin ist, wenn man sie nicht in amerikanischen 08/15-Produktionen verheizt. Wir erleben Hitze und Kälte, Sex und Gewalt, Blut und andere Körperflüssigkeiten, Licht und Dunkelheit. Es ist die faszinierende Kameraarbeit, die all dies auf so beklemmende Weise einfängt, die nicht enden wollenden Kamerafahrten durch die Gänge der Schule, wie scheinbar schnittlos zwischen Schauplätzen und zentralen Figuren gewechselt wird.
Alles erinnert ein wenig daran, dass so ein Film von Quentin Tarantino stammen könnte, wenn dieser nicht Amerikaner sondern Franzose durch und durch wäre. Alles ist mies, verstörend, nichtssagend und doch wieder toll. Die verwirrenden Botschaften zwischendurch tun ihr Übriges. Was will der Film ausdrücken? Will er einen Drogenrausch symbolisieren, sind Drogen schlecht? Was ist die Aussage oder muss diese der Zuschauer selbst finden? Klar ist, die Handlung ist bei Climax zur absoluten Nebensache degradiert worden, die Figuren bleiben weitestgehend Platzhalter für die Zuschauer und wer sich eine Auflösung für alles wünscht, wird enttäuscht. Das Wie und Warum wir offen gelassen, wie auf einen echten Höhepunkt folgt manchmal Ernüchterung, die Leere. Dahin wird der Zuschauer entlassen, nach 90 Minuten Drogenrausch. Ein Trip, nicht für jeden gedacht.