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Benedetta

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Benedetta Kritik

Benedetta Kritik

Benedetta Kritik
0 Kommentare - 19.12.2021 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Benedetta" ist.
Benedetta

Bewertung: 3.5 / 5

Die junge Nonne Benedetta (Virginie Eifra) tritt im 17. Jahrhundert als Novizin in ein toskanisches Kloster ein. Dabei wird sie immer wieder von Visionen heimgesucht, die sowohl religiöser, als auch erotischer Natur sind. Mit der Schwester Bartolomea (Daphne Patakia) entwickelt sie langsam eine romantische Liebesaffäre, die natürlich verboten sind. Würden die Äbtissin (Charlotte Rampling) und der Nuntius (Lambert Wilson) davon erfahren, würde ein Skandal die Kirche erschüttern.

Mit einem großen Lachen entlässt Paul Verhoeven seine Zuschauer aus Benedetta. Die Geschichte um eine lesbische Nonne, die von Visionen und Machtgier geplagt wird, ist nicht nur eine typische Geschichte für den Niederländer, sondern gleichzeitig auch eine Geschichte, deren Skandal natürlich vorprogrammiert ist. Sexuelle Übergriffe in der Kirche sind vermutlich so alt wie die Sünde selbst, alle paar Jahre greifen Werke wie Spotlight (2015) die möglichen Ursachen des Missbrauchs an Kindern auf, und machen sie zu ihrem Thema. Nun ist Paul Verhoven in Sachen Skandale und Sexualität ein Regisseur, der seinesgleichen sucht und so nutzt er die historische Persönlichkeit der Benedetta Carlini, um mit der Kirche abzurechnen. Wenn man ein so gewagtes Thema zum Kern des eigenen Werkes ernennt, kann das mitunter schnell plakativ wirken. So hätte der Film exzessive Sexszenen zeigen können und alles in einer simplen Anti-Haltung gegenüber hören Instanzen verklären können. Doch Verhoeven ist nicht einfach nur ein Provokateur um der Provokation Willen. Er ist ein Analytiker, der sowohl vermeintlich gutes und vermeintlich schlechtes miteinander abwägen kann. So schließt auch Verhoven in Benedetta die Idee einer Religion nicht als vollkommenen Nonsens aus. So sind Glaube und Kirche aber dennoch nicht gleichzusetzen, weil das eine unschuldig ist und das andere korrumpiert. Was eben schnell mal unter den Teppich gekehrt wird, ist das der reine Glaube so ziemlich jeden Menschen erreicht. Sei es Agnostik, sei Nichtglaube und so weiter und so fort.

Trailer zu Benedetta

Mühsam wird Benedetta dann erst, wenn man das eigentliche Thema zu schnell durchschaut. Und man muss sich da nichts vormachen, denn das kann man recht schnell. Und auch ein Skandal ist erst ein Skandal, wenn man sich in irgendeiner Weise davon verletzt fühlt oder einen Tabubruch darin sieht. So kränken die Ankreidung des Zölibats, das Aufzeigen homosexueller Beziehungen und die Kritik an Machtstrukturen auch nur all diejenigen, die da irgendetwas Glanzvolles drin sehen. Doch aufgeklärte Menschen werden sich in Benedetta, ob des Gezeigtem entweder köstlich amüsieren, oder derbst langweilen. So kann eine Sexszene zwischen zwei Damen in Kombination mit einem aus einer Jesusstatue geschnitztem Holzdildo mitunter als kreativer Drang nach Lust verstanden werden. Denn irgendwie scheint Sexualität immer ans Tageslicht kommen zu wollen. So gibt es auch den ein oder anderen Sexualpädagogen, der der Auffassung sei, Sex wolle immer gelebt werden. Ob das nun stimmt, oder eben nicht sei an der Stelle mal dahingestellt, Tatsache ist aber, daß das natürlich auch eine metaphorische Kraft zu sich hat, wenn sich zwei Damen einen Jesus-Dildo gegenseitig in ihre Geschlechtsteile oder andere Körperöffnungen schieben.

Überdies wird Sex hier auch immer in Kombination von Gewalt betrachtet. So ist der Umstand der ungleichgewichtigen Beziehung sicherlich nichts Neues und auch etwas, was sich in Verhoevens Werken wie Basic Instinct (1992) bereits findet. Doch ist hier nicht nur die Rede von sexueller Dominanz und damit Macht, sondern tatsächlich physische Gewalt in Form von Folter. Der kleine Exkurs in ein Folterzimmer hat Anleihen an eine extreme Ausübung von BDSM, von welcher die Fifty Shades of Grey-Filme nur träumen können. Sicherlich will man das austreiben und so ist es natürlich auch der Teufel, der seinen Weg in den Deutungsversuch des Gegenübers in Form von Schwester Benedetta findet. Gerade auch hier wird der Film um einiges komplexer, weil Verhoeven dem Zuschauer eben nicht genau erklärt, was nun Wahrheit ist und was eben nicht. So erinnert das Innenleben von Benedetta mitunter sogar ein wenig an Der Exorzist (1973) oder Das Omen (1976), in welchem der Teufel ebenfalls Gestalt annahm. Doch daß sich der Teufel eben in den Reihen der Gläubigen befinden soll, ist im Hinblick auf ein bestimmtes Luther-Zitat auch wieder ein Grund zum Lachen. Gewalt und Sex im Zusammenspiel werden hier bedauerlicherweise zu pointiert eingesetzt und lassen dennoch den Exploitationcharme deutlich werden.

Die Frage nach einem Gott oder wie auch immer das jetzt genau aussehen mag, ist natürlich eine, die das Leben, insbesondere der Gläubigen und Glaubensausübenden Menschen stark beeinflusst. So zeichnet Verhoeven hier eine total absurde Gesellschaft auf, indem er uns einfach nur – wenn auch etwas zugespitzte – Fakten präsentiert. So übt die Kirche als Institution zu jener Zeit viel mehr Macht aus, als heute. Und auch die Frage, warum denn die Diener eines Hauses, das von Liebe spricht, ihr Verlangen nach Liebe nicht ausleben dürfen, wird hier so gekonnt ironisch betrachtet. Denn nicht nur baut die Kirche Druck auf die Bevölkerung, durch etwaige Ablassbriefe oder dergleichen aus, sondern auch auf seine Diener, indem diese eben ein vorgelebtes Bild zeigen müssen. Daß der Sex eben hier relativ sparsam zum Einsatz kommt ist somit auch ein weiteres Mal schade, weil er hier eben nicht nur als reine Provokation fungiert, sondern gleichzeitig auch die Liebe symbolisieren soll. Nicht umsonst treibt Benedetta und Bartolomea der Drang nach Sex immer und immer weiter an.

Diese Gesellschaftsanalyse geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sich auch die Frage nach dem Umgang mit einer menschgewordenen Gottgestalt offenbart. So eröffnet der Film zwar die Wunder von Benedetta als vermutlichen Quatsch und lässt die Figur damit in einem weniger gutem Licht. Allerdings muss auch hier die Frage nach dem „Was wäre wenn?" gestellt werden. Denn ginge man nur mal von der These aus, daß das, was Benedetta tut, stimmt, dann würde sich zeigen, daß die Menschen ihre eigene Gottgestalt abermals töten würden. Sofern dann die Geschichten um Jesus und dergleichen stimmen. Und gerade wenn man das im Zusammenhang mit Lügen betrachtet, so ließe sich Verhoevens Werk eben auch in die Richtung interpretieren, daß auch Jesus als Figur ein lügender Mythos sei. Dabei kann man vermutlich auch sagen, daß Verhoeven sich hier nicht zu einer Aussage bringen lässt, weil er sich nicht traut, sondern weil er den Respekt vor dem reinen Glauben eben doch besitzt und insofern jedem seine Deutung überlassen will. Gerade auch diese Wandlung von der ruhigen, besonnenen Nonne, zur machthungrigen Heiligen wird perfekt von Hauptdarstellerin Virginie Efira getragen. So beginnt sie als schüchternes, zurückhaltendes Wesen, das nach und nach an Selbstbewusstsein gewinnt und dabei immer mehr Macht fordert.

Verhoeven nur reine Provokanz zu unterstellen wäre in Benedetta abermals falsch. Zwar gibt es Momente, die etwas zu viel wollen, gleichzeitig gibt es aber auch die, die zu wenig zeigen. Die Hauptfigur der Benedetta Carlini ist eine faszinierende Persönlichkeit, die sich in dem Sog aus Verlangen und Macht zu verlieren droht. Unterdessen wird das schauspielerisch gut aufbereitet und ist mit einer unglaublichen Wirkung inszeniert, die mal weniger und mal mehr schockieren kann.

Benedetta Bewertung
Bewertung des Films
710

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