Bewertung: 5 / 5
Ich habe einige Zeit gebraucht, bevor ich diesen Film angesehen habe, insbesondere, da das Echo darauf in den Medien so wahnsinnig mies war. Allenthalben habe ich über furchtbare Kreaturen, lächerliche Bewegungen und ähnliches gelesen. Und nachdem ich bei einem anderen Franchise, das meine Kindheit geprägt hatte, sehr viele Enttäuschungen in den letzten Jahren hinnehmen musste, aufgrund von völlig überzogener PC, lustloser Story Erzählung und völliger Ignoranz dem Publikum gegenüber, habe ich mich offen gesagt nicht an diese Verfilmung des von mir sehr geliebten Musical Klassikers aus meiner Jugend herangewagt.
Oh, wie habe ich mich geirrt…
Trailer zu Cats
Aber zunächst zu dem, was ich persönlich mir auch anders gewünscht hätte:
Old Deuteronimy ist ein alter Kater – keine Katze. Auch, wenn ich Judy Dench sehr verehre und ihre Performance hervorragend war, hätte ich mir hier „Werkstreue“ gewünscht. Ebenso habe ich Gus‘ Theater im Theater vermisst, wenn wir seinen Flashback erleben dürfen und er einen Ausschnitt aus dem Stück spielt, mit dem er berühmt wurde. Rumpleteazer und Mungojerry singen einen Song, der furchtbar monoton ist im Vergleich zu dem, was ich aus den 90-zigern kenne. Wieso das ausgetauscht wurde, weiß der Himmel. Gut finde ich es nicht. Muss die arme Grizabella dauernd herumlaufen, als wäre sie eine 4-jährige, die keine Taschentücher benutzen kann? Ich hätte ihr den Kummer auch ohne Rotzbahn unter der Nase abgekauft. Sonst hätte ich mir von Jenny Anydots noch mehr Stimme gewünscht, aber hey – sie ist Gold gegen das, was man in der deutschen Synchronisation geboten bekommt. Was bitte ist mit dem Qualitätsanspruch an die Sängerinnen und Sänger passiert? Das kann man sich nicht anhören, ich musste nach kurzer Zeit auf den Originalton wechseln. Meine Empfehlung an alle: Schaut es auf Englisch, könnt ihr kein Englisch, schaut es mit Untertiteln. Vertraut mir…
Gut, das war es aber auch schon – jetzt zu den positiven Dingen.
Erstmal das Setting. Der Film erschafft eine eigene, wunderschöne Welt, in der die Geschichte der Jellicle-Cats stattfindet. Das ist unter anderem das Geheimnis einer guten Story, die Umgebung muss glaubhaft in eine andere Welt entführen. Das ist nach meinem Dafürhalten gelungen.
Ebenso die Umsetzung der Katzen selbst. Waren die bewegten Ohren und das animierte Fell für viele Stein des Anstoßes, war genau das für mich eine großartige, neue Idee, die den Katzen noch mehr Authentizität verliehen hat. Die Verantwortlichen haben offenbar sehr genau darauf geachtet, wann und wie sich Katzenohren in speziellen Situationen bewegen… nur hätte man die Szenen noch ein paar Mal rendern dürfen. Manchmal sieht man das CGI schon sehr. Kein Geld mehr?
Nichtsdestotrotz ist das Charakterdesign äußerst gelungen, insbesondere bei Victoria, Old Deuteronimy, Mr. Mistoffelees und Macavity – WAS ein Fiesling, eindrucksvoll hinterhältig gespielt von Idris Elba. Auch hervorragend gespielt. Gerade Judy Dench verleiht dem alten Jellicle Oberhaupt die notwendige Wärme und Würde, so, wie auch Gandalf Schauspieler Ian McKellen den alten Theaterkater Gus mit dem Format eines englischen Shakespeareschauspielers verkörpert.
Besonders hervorheben möchte ich auch Francesca Hayward, welche die junge, ausgesetzte Katze Victoria mit einer ehrlichen Unschuld, Liebe und auch Melancholie spielt, die einen ab und an hat ein Tränchen verdrücken lassen, ebenso wie Jennifer Hudsons Grizabella. Ich möchte sogar sagen, dass die Szenen dieser beiden Protagonistinnen gemeinsam die stärksten Momente in einer Aneinanderreihung von großartigen Momenten im Film waren.
Es ist nicht einfach, ein Stück, das für die Bühne geschrieben wurde und Menschen in den Rollen von Katzen vorsieht, auf die große Leinwand zu bringen. Ich habe aber in jedem Moment des Films gespürt, dass es den Machern ein Anliegen war, dieses so würdig und phantasievoll wie nur möglich zu tun. Der Film hat es geschafft, mich nach langer Zeit wieder mehrmals(!) zu Tränen zu rühren, und das funktioniert nicht bei etwas, das völliger Schrott ist.
Wer weiß, woher die harschen Kritiken allenthalben kamen – was mich gestört hat, habe ich geäußert. Aber wenn man sich auf dieses "Theater auf der großen Leinwand" - Experiment und die Entführung in dessen neue Welt einlässt, hat man einen wahrhaft wundervollen Kino-/Musicalabend.
Daher, trotz meiner Kritik und weil es heute so selten ist, dass ein Film solche Wagnisse zeigt und dabei berührt, meine 5 Sterne dafür.