Bewertung: 4.5 / 5
Festgefahren. Eintagsfliege. Das sind zwei Begriffe, mit denen [b]Neill Blomkamp[/b] aktuell häufig bezeichnet wird. [b]Festgefahren?[/b] Eine Haltung, die ich durchaus nachvollziehen kann. Blomkamp bleibt seiner Heimat treu und lässt "Chappie" nach "District 9" abermals im Untergrund Johannesburgs, Südafrika, spielen. Ich habe momentan allerdings nichts daran auszusetzen, erzählt "Chappie" schließlich eine gänzlich andere Geschichte. Dennoch bin ich froh, dass sich Blomkamp in seinem nächsten Projekt dem Weltraum und gewissen außerirdischen Lebensformen widmet. Auf Dauer wird das Südafrika-Setting zwangsläufig eine ermüdende Wirkung entfalten, ich fühle mich da nach "Chappie" jedenfalls vollkommen gesättigt. [b]Eintagsfliege?[/b] Dem muss ich vehement widersprechen! Sicherlich, "Elysium" war kein großer Wurf, allerdings auch weit weg von einem schlechten Film. Wegen "District 9" wird Blomkamp bei mir wohl auf ewig einen Stein im Brett haben und daher hatte ich in "Chappie" vollstes Vertrauen. Mit seinem dritten Kinofilm hat er meiner Meinung nach ein großartiges Comeback gefeiert!
Zu Beginn des Films bedient sich Blomkamp seines altbekannten Stilmittels. Via Nachrichtenformaten und Handkameravideos schildert er die Ausgangslage der Geschichte. Um der grassierenden Kriminalität in Johannesburg Herr zu werden, beauftragt die Polizei die von Michelle Bradley (Sigourney Weaver) geleitete Firma Tetra Vaal damit, Kampfroboter herzustellen. Dabei spaltet sich die Forschung in zwei konkurrierende Lager. Auf der einen Seite das Ingenieur- und IT-Genie Deon Wilson (Dev Patel), der die Forschung an K.I. basierten, menschengroßen Robotern vorantreibt. Auf der anderen Seite der Ex-Soldat Vincent Moore (Hugh Jackman), welcher die K.I. als gefährlich betrachtet und stattdessen auf die von Menschenhand gesteuerte, metergroße Kampfmaschine "Moose" (dt. "Elch") setzt. Mit Hilfe der K.I. Roboter kann die Polizei die Kriminalität drastisch senken, Moore findet in der Firma also kein Gehör. Schließlich gelingt Wilson die Perfektionierung der K.I., die er trotz Verbots an einem ausrangierten Roboter testet... Das ist die Ausgangslage der Geschichte und danach hat es sich bereits mit dem Nachrichten-Stilmittel. Alles weitere serviert Blomkamp in klassischen Bildern.
Ab einem gewissen Punkt wird man als Zuschauer unweigerlich an einen Scheideweg gelangen - und zwar dann, wenn die beiden Gangster Yolandi (Yolandi Visser) und Ninja (Watkin Tudor Jones) einen größeren Part in der Handlung einnehmen. Hier ein kleiner Exkurs für alle Unwissenden: Yolandi Visser und "Ninja" Watkin Tudor Jones sind im echten Leben besser bekannt als die südafrikanische Band "Die Antwoord", welche zumeist durch kontroversen und sperrigen Content auffällt. Obendrein sind sie sehr gut mit Neill Blomkamp befreundet. Jedenfalls tun beide das, was sie am besten können: Sie spielen sich selbst - mit aller Härte! Das muss man mögen oder eben nicht! Mir gefallen ihre Figuren außerordentlich gut und vor allem weil sie in ihre Antwoord-Rollen schlüpfen, kommen ihre schauspielerischen Leistungen ziemlich authentisch rüber. Dagegen wirkt z.B. ein Hugh Jackman, der ansonsten eine gute Leistung abliefert, gradezu blass. Darüberhinaus hat Ninja im Deutschen die Synchronstimme des Jesse Pinkman aus Breaking Bad, was hier einfach wie die Faust aufs Auge passt. Begeistert wurde ich ebenfalls von Dev Patel, der vor allem dann glänzt, wenn er Aggressionen zeigen darf. Sigourney Weaver war dagegen verschenktes Potential, ihre Rolle ist kaum der Rede wert. Sie wurde einzig und allein wegen ihres großen Namens engagiert. Sharlto Copley kann ich persönlich nicht beurteilen, da ich den Film im Deutschen gesehen habe. Die deutsche Synchro macht den Job aber wirklich wirklich gut.
Ich liebe den Charakter Chappie! Zu jeder Zeit fühlt man mit diesem Charakter mit. Neben der oben erwähnten Synchro und der animierten Gestik sowie Mimik hat hier Blomkamp als Drehbuchautor ganze Arbeit geleistet! Chappie ist liebenswürdig, sympathisch, lebensfroh und lernfreudig. Er kann in einem Moment witzig und im nächsten Moment bedrohlich sein. Einerseits naiv und begeistert wie ein Kind und andererseits erschüttert und gezeichnet vom harten Leben in Johannesburg. Er folgt einem stetigen Lernprozess, in der Gesamtheit seiner Gefühle ist er von einem Menschen kaum zu unterscheiden.
Blomkamp lässt im Zuge der Mensch-gegen-Maschine-Thematik mehrere interessante Gedankengänge in die Geschichte miteinfließen. So gibt es z.B. kein klassisches Gut und Böse. Was letztendlich zählt, sind Chappies Erfahrungen. Das Leben ist ein ständiger Lernprozess und grade als Kind hat man viel zu lernen. Eine gute Erziehung ist das wichtigste im Leben eines Kindes, Chappie hat sowohl gute Elternteile und Lehrer als auch schlechte. Dazu zählen Deon Wilson, Vincent Moore, Yolandi, Ninja und viele mehr. Ein Beispiel: Die Szene, in der Yolandi ihm aus dem Buch vorliest, was für ein Moment! Das erinnerte mich an meine Kindheit. Wohlgemerkt, manche Charaktere sind dabei sowohl gute als auch schlechte Erzieher. Zurück zu Chappie: Er lernt, stellt Fragen, kopiert Verhaltensweisen, reflektiert Verhaltensweisen, drückt seine Gefühle aus. Mit jeder gemachten Erfahrung erhöht sich die Komplexität seines Bewusstseins, seiner Identität. Er agiert und reagiert als "schwarzes Schaf" der Gesellschaft. Ein Welt- und Menschenbild kristallisiert sich heraus und irgendwann muss sich Chappie mit seinen Idealen auseinandersetzen. Allgemein kann Chappie nur so gut oder böse sein wie die Menschen in seinem Umfeld. Als stark empfand ich ebenfalls die Gotteskritik im Film, auch wenn diese nur kurz angerissen wurde. "[i]Warum hast du mich erschaffen, wenn ich doch nur sterbe?[/i]" So begleitet man Chappie von der ersten bis zur letzten Sekunde an auf seinem Lernzprozess. Nie wird es langweilig, es bleibt immer spannend und interessant.
Glücklicherweise legt Blomkamp größtenteils Wert auf eine ruhige und charakterbezogene Inszenierung. Actionelemente sind natürlich auch vorhanden, diese halten sich aber in Grenzen und dienen lediglich der Unterstützung des Plots. Was ich etwas vermisst habe, war die explizite Gewaltdarstellung aus Blomkamps beiden Vorgängerfilmen. Sicherlich liefert er harte Action (vor allem am Ende), aber da wäre oft noch mehr möglich gewesen. Was die Kriminalität in Johannesburg angeht, hat Blomkamp hier natürlich wieder ein gelungenes Bild gezeichnet. Großes Lob muss man ebenfalls der Arbeit an den visuellen Effekten entgegenbringen. Die Roboter (Design, Gestik, Mimik, etc.) sehen schon ziemlich klasse und glaubhaft aus.
Ein besonderes Highlight war für mich die Musikuntermalung. Blomkamp arbeitet sich hier einmal quer durch das OEuvre der "Antwoord" und mich als Liebhaber dieser Band hat es sehr gefreut, Yolandis und Ninjas Rap in den Ohren zu haben. "Aai aai aai, I am your butterfly. I need your protection, be my samurai." :-) Für die passende, instrumentalische Untermalung sorgte Hans Zimmer mit einem teils rockigen und teil elektronisch-sphärischen Soundtrack. Ich war überrascht, als ich seinen Namen im Abspann gelesen habe, denn der Soundtrack hörte sich überhaupt nicht nach Zimmer an!
[b]Fazit:[/b] Insgesamt hat mich Neill Blomkamp mit "Chappie" ziemlich gut unterhalten. Eine Science Fiction Geschichte über die Mensch-gegen-Maschine-Thematik mit interessanten Gedankengängen. Schade, dass das Werk an den Kinokassen so geflopt ist! Für die Klasse eines "District 9" fehlte mir da zwar ein bisschen, aber ein gelungenes Comeback nach dem mäßigen "Elysium" ist der Film allemal. Aufgrunddessen vergebe ich für dieses Werk [b]9/10 Punkten[/b] bzw. [b]4,5/5 Hüten[/b]. Eine uneingeschränkte Empfehlung würde ich dennoch nicht aussprechen, da "Die Antwoord" schon sehr speziell ist. Für den vollen Genuss sollte man mit Yolandi und Ninja schon was anfangen können.
Chappie Bewertung