Bewertung: 5 / 5
Der Jungeselle C.C. Baxter (Jack Lemmon) träumt vom großen Aufstieg innerhalb seiner Firma. Er lebt alleine in einem kleinen Appartement in Manhattan und versucht sich bei seinen Vorgesetzten beliebt zu machen. Dafür bietet Baxter seinem Chef Jeff Sheldrake (Fred MacMurray) und vielen anderen sein Appartement als Liebesnest für deren Affären an. Für diese Zeit muss Baxter seine Wohung verlassen und sich anderweitig beschäftigen. Als Baxter an einem dieser Tage wieder in seine Wohnung zurückkehrt findet er dort die hübsche Fahrstuhlführerin Fran Kubelik (Shirley MacLaine) aus seiner Firma leblos auf. Die Junge Dame ist innerhalb der Männer der Firma sehr begehrt und auch Baxter hat ein romantisches Interesse an ihr. Baxter gelingt es gerade noch so die leidende Frau, die einen Selbstmordversuch unternommen hat zu retten und nun muss Baxter sich zwischen Moral und Karriere entscheiden.
Was auf den ersten Blick wie eine simple Komödie anmutet ist in den Händen von Meisterregisseur Billy Wilder ein verschachteltes, tiefgründiges Werk voller Subtexte und bitterbösem Anti-Establishment. Denn dieser Film, der sich mühelos neben anderen Wilder Meisterwerken wie Das verlorene Wochenende, oder Zeugin der Anklage einreiht, ist für die damaligen Verhältnisse extrem feministisch zu verstehen. Sicherhlich würde man heute wesentlich weitergehen, wenn man einen solchen Film inszeniert. Dennoch ist es erstaunlich wie sehr die von Shirley MacLaine gespielte Fran Kubelik sich nicht von der weißen Männer-Domäne unterjochen lassen will. Das ihr natürlich ob der Zeit in der sie lebt nicht alles gelingen kann ist verständlich, aber der Charakter stellt sich die richtigen Fragen.
Und nicht nur dieser Charakter, denn auch C.C. Baxter ist alles andere als Eindimensional. Während sich Kubelik fragt, wie sie aus dem Männertrott rauskommt, fragt sich Baxter wie er in diesem Erfolg hat und wie Loyal man für einen Aufstieg sein muss. Es eint die Beiden daher in ihrem Schaffen einem gewissen System zu unterliegen, wenngleich ihre Vorgehensweise anders ist.
Dabei brilliert Lemmon als klassischer Losertyp und Good-Guy. Ein Underdog, dem man gerne beim Gewinnen zusieht, da er eben keine überirdischen Fähigkeiten besitzt, sondern ganz Normal erscheint.
Währenddessen fungiert der von Fred MacMurray gespielte Jeff Sheldrake beinahe antagonistisch. Es ist klar, daß Sympathiepunkte nicht ganz auf sein Konto gehen. Dennoch haben wir hier mit dem erfolgreichen Geschäftsmann eine wesentlich vielschichtigere, systemische Kritik. Denn nicht nur sind diese Geschäftsmänner ob ihres Erfolges in der Lage sich alles zu nehmen was sie möchten, nein Wilder geht dabei sogar noch einen Schritt weiter und zeigt, daß diese Welt des neoliberalen Kapitalismus und Macht im Allgemeinen unfähig macht wirklich zu lieben. Hin und wieder streut der Regissereur im kleineren Stil sogar Erinnerungen an The Wolf of Wall Street. Wenngleich es hier nicht so drastisch gezeigt wird.
Ja, die Story bewegt sich vielleicht in eine erahnbarere Richtung, wobei ich sie tatsächlich nicht so empfand. Sie wirkte ob ihrer Charaktere wesentlich verzwickter und kommt dabei sogar zu einem wie ich finde gewagten Finale. Gewagt ist sie aber nicht nur für die damalige Zeit, sondern auch heute erforderte dieser Umgang und diese Tat letztlich viel Mut. Vielleicht sogar mehr noch als vor Jahren.
Und gewagt ist auch ein gutes Stichwort. Denn natürlich kann man den Film nicht komplett aus seinem historischen Kontext herausnehmen, muss ihm aber auch eingestehen, daß selbst ein kleines Zitat wie „Halt den Mund und gib!“ mit dem dieser wunderbare Film endet villeicht eine ziemliche Provokation ist. Vielleicht sogar noch mehr. Denn betrachte man dieses im Kontext, dann ist das Zeigen und Ausleben von Gefühlen schon sehr gewagt. Betrachte man dies aber als Meta-Kommentar, dann wird deutlich, daß Wilder hier wieder das System kritisieren möchte. Denn während diese Firma an den beiden zerrt, so ist es kein Wunder, daß insbesondere Fran Kubelik nach mehr so leben möchte und nach echtem verlangt. Dies wird verschachtelt mit einem Kartenspiel, kann aber eben auch als ziemlich sexuelle und gewagte Aufforderung verstanden werden.
Und so bedeutet diese Komödie eben viel mehr als ein Zweistünder-Lacher zum abschalten. Wilder macht deutlich, warum manch einer dieses Genre als Meisterklasse einordnet, denn wenn man ehrlich ist, sind gute Komödien rar.
Das Alles macht Das Appartement zu einem Geniestreich mit bitterbösem Ausgang. Je mehr man diesen Film zerdenkt, desto mehr kommt am Ende dabei rum. Das kann man nicht häufig sagen und dabei lässt der Film uns nicht nur mit einer tollen Story zurück, sondern eben auch mit durchdachten Charakteren und einem sehr kritischen Subtext. Wenngleich nicht jeder Moment Eins zu Eins heute so funktionieren würde, kann man diesen Film aber zu hundert Prozent in das Jetzt übertragen und er hat dabei nichts an Aktualität verloren. Richtige Helden brauchen keine Waffen und so sind es vor allem wehrlose Menschen die hier ihre Taufe erfahren.