
Bewertung: 3.5 / 5
Spoiler- & Contentwarnung:
Gewalt, Mord, Misshandlung
David Finchers bester Film:
"The Killer"
Eine (trockene) Analyse.
Trailer zu Der Killer
Film braucht nicht mehr, als gut inszeniert zu sein. Keine sympathischen Figuren, keine tiefsinnige Botschaft, keine innere Logik. Nicht einmal eine kohärente Handlung ist von Nöten - denn auch in Filmen, in denen narrativ gesehen kaum etwas passiert, passiert genug. Sogar, wenn sie ... langweilig sind.
Oder besser: Langweile inszenieren. Ein haarfeiner Unterschied, der jedoch aufzeigt, dass jedes Element eine Kunstwerks auch Teil seines Ausdrucks sein kann. Monotonie, Repetition, deren Effekte auf die Zuschauenden und auf die Figuren: Filme wie "A Ghost Story" oder David Finchers "The Killer" suchen genau darin ihre Bedeutung. Spiegeln so die Situation ihrer Protagonisten*innen.
Das Warten. Das Ausharren, bis etwas passiert. Monochrome Shots, denen somit bewusst die visuellen Reibungspunkte von Farbkontrasten fehlen, sich wiederholende Aufnahmen, die narrative Eintönigkeit eben darin bildlich festhalten, und Motive, deren Komposition bereits Eintönigkeit innewohnt. Eine Wendeltreppe, statische Kameraaufnahmen und immer und immer wieder dieselben Perspektiven. Geduld, das braucht es. Braucht Michael Fassbender in "The Killer".
Sein Voiceover folgt keiner narrativen Funktion, ist mehr ein Gedankenstrom. Verschiedene Überlegungen, die bei Konzentration auf Musik verstummen, die bildlich kommentiert werden. Eine Liegestütze, ein Gedanke. Repetition als Motiv, auch für die Figur. Routine. In "The Killer" ist Film eine audiovisuelle Studie subjektiver Wahrnehmung. Shots, die Fassbenders Perspektive repräsentieren, zeigen auch, was er hört. Der Soundtrack ist mehr atmosphärisches Klirren statt Melodie, die Geräusche der Settings dienen als eigentliche auditive Untermalung.
David Fincher erzählt die rudimentäre Geschichte eines kaltblütigen Auftragsmörders vor allem visuell. Er siedelt das Wesen seiner Figur im Subtext an - geht ihr Auftrag schief, entkommt der Film seiner eigenen Langweile. Die Farbgebung wird kontrastreicher, die Umgebung wechselt sprunghaft, und kommt es zum Zweikampf, werden die Aufnahmen dynamisch, die Schnitte schneller. Eine raue, körperbetonte Choreografie, in der die Figuren wild aufeinander einprügeln, der Action jede Ästhetik rauben. Gebrochen von bildhafter, trockener Comedy, deren narrative Relevanz sie vor dem Selbstzweck bewahrt. Und die auch dem Film, wie die verschiedenen, plötzlichen Kills, die Gleichförmigkeit von Beginn nur noch weiter nimmt.
Es geht schließlich um Kontrollverlust. So oft Michael Fassbender auch seinen Leitspruch wiederholt, kann er sich im Verlauf des Filmes doch immer weniger daran halten. "Stick to your plan" - der Plan ist dahin, sobald er daneben schießt. "Anticipate, dont improvise" - spätestens im Kampf Mann gegen Mann ist er zur Improvisation gezwungen. "Trust no one" - statt Rache entscheidet er sich im Finale für Vertrauen. "Never yield an advantage" - seinen Vorteil gibt er ab, als er sein nächstes Opfer mitten in der Öffentlichkeit aufsucht. "Fight only the battle youre paid to fight" - die ganze Handlung des Filmes beruht darauf, dass er aus persönlichen Gründen kämpft. "Forbid empathy" - und doch zeigt er Empathie, als er die Leiche eines seiner Opfer auf dessen Wunsch hin nicht verschwinden lässt. Die letzte Wiederholung seines Mantras kann er nicht einmal mehr zu Ende bringen.
Stück für Stück stellt der Film seinen Protagonisten als fehlbar, als hilflos, als menschlich heraus. Zählt sich die Figur zu Beginn noch zu einem der Wenigen unter den Vielen, bleibt ihm in der letzten Szene nur noch, diese Einordnung zu revidieren. Weil seine Freundin für sein Versagen bezahlen muss, weil sich seine Selbstversprechen im Tod von Tilda Swinton als Lügen offenbaren, weil er sich in seinen Antagonisten*innen selbst wiedererkennt. Die Kälte im Schauspiel von Michael Fassbender ist Fassade, seine sonst so durchgeplante Figur doch nicht so distanziert von den Morden, wie er glaubt. Er zeigt es kaum, aber auch er sucht den Nervenkitzel, das Risiko. Denn auch wer ein nihilistisches Gesellschafts- und Menschenbild vertritt, ist dennoch ein Teil davon, ist dennoch ein Mensch.
7,5 von 10 Enten.
