Bewertung: 3.5 / 5
Eine C-Kompanie der US-Streitkräfte soll die Eroberung der Solomoneninsel Guardalcanal unterstützen. Jeder Soldat hat seine eigenen Sorgen und so sucht Private Witt (Jim Caviezel) Ruhe bei einem einfachen Naturvolk der Insel, während er vom First Sergeant Edward Welsh (Sean Penn) gedenkt wird. Jack Bell (Ben Chaplin) möchte einfach nur wieder zu seiner Frau zurück und Lieutenant Colonel Gordon Tall (Nick Nolte) möchte weiter Karriere machen.
Mühelose Winde, Gedankengänge zur Heimat und zu den Geliebten die man hinterlassen hat. Ein Kontrast aus schier sinnloser Gewalt, und zwischendurch, die liegt die Stille. Blicke zum Himmel, zum Herrn und die Frage, wie man das zulassen konnte. Zentral ist generell die Warum-Frage Warum Krieg? Warum Gewalt? Warum Existenz? Warum Liebe? Warum Schmerz? Und so weiter und so fort. Es ist Terrence Malick der mit Der schmale Grat Antworten sucht und wie ein kleines Kind in die Welt blickt vor dem Hintergrund eines Kriegs ohne Sinn und Verstand. Es will tiefgründig sein, doch zu welch tiefgründigen Analysen und Ideen kommt denn der Film eigentlich? Richtig, zu gar keinen und tatsächlich ist das regelrecht entlarvend für Malick, denn sein hochgelobter Antikriegsfilm Der schmale Grat hat eigentlich nichts zu sagen. Die Fragen, die gestellt werden, können nie beantwortet werden und sind in dem Kontext der ebenso unbeantwortbaren Gewalt irgendwie abgeschmackt. Was soll denn das Lamentieren über das Leben, während die Welt gerade ganz andere Dinge braucht? Einen Frieden, der in diesem Fall eben leider auch nur durch Gewalt hergestellt werden konnte. Und da kommt dann irgendwann etwas zusammen, was nicht zusammengehört. Philosophische, oder mehr oder weniger sogar recht pseudo-philosopisches Geschwafel, während die Welt den Bach runtergeht. Unangebracht und absurd, nur leider nicht gut absurd wie etwa Apocalypse Now (1979).
Es tut mir ja Leid, daß ich jetzt hier den Zahnarzt spielen musste. Ich gehe da auch nicht gerne hin und dennoch ist es wichtig, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Denn das, was Der schmale Grat bei vielen Leuten so hochhievt, ist in Wahrheit nicht wirklich tiefgründig. Allerdings heißt das nicht, daßs Malicks Werk frei Kunst wäre. Denn das ist es nicht. Tatsächlich hat man es hier mit einem klassischen Fall von Style-over-Substance zu tun, wenngleich Malick vermutlich genau das Gegenteil im Sinn hatte. Doch die Bilder, die er erzeugt, sind eben kontrastreich, kein intelligenter oder nie dagewesener Kontrast, aber kontrastreich. Es heißt ja auch nicht, nur weil das kein philosophisches Denkmal ist, daß Der schmale Grat nicht beeindruckend sein kann. Und das ist er, wenn er seine Figuren durch die Wildnis jagt und dabei tatsächlich etwas herausstellt, was in vielen Kriegsfilmen nie zum Thema wird. Denn tatsächlich ist dieses Werk vermutlich das unheroischste Kriegserlebnis seit Jahrzehnten. Natürlich ist Krieg immer etwas Schwieriges. Ihn zu inszenieren und in seiner Gewalt darzustellen, gelingt wenigen. Doch inzwischen hat Krieg im Kino ja eine Panorama-Ästhetik eingenommen, die für sich genommen, natürlich ihren Wert hat. Dunkirk (2017), 1917 (2019) oder Im Westen nichts Neues (2022) bestätigen diese These. Doch Krieg ist als Bild weniger schockieren, denn als Gefühl. Und genau darin liegt die Stärke vom Film. Man hat hier eben keine Helden, sondern Menschen, die nicht einmal als wirkliche Gruppe zu verstehen sind.
Jede Figur kämpft im Film auf ihre Art und Weise einfach nur ums Überleben. Auf Schleichwegen halten sie sich, um nicht zu sehr aufzufallen und man versteht sofort, daß es unter den amerikanischen Soldaten auch keine wirkliche Solidarität gibt oder ein Verständnis, daß das Leben um jeden Preis zu schützen ist. Das heroische Zeitalter ist vorbei, lang lebe der Post-Heroismus. Dadurch entsteht tatsächlich abseits der peinlichen Philosophie eine wirklich tiefgründige Frage. Klar, diese kam auch in anderen Werken schon mal zum Vorschein, aber Malick gelingt es hier, die Themen Kontrolle und Pflicht auf eine Art und Weise zu inszenieren, wie sie wirklich nicht spannender sein könnten. Völlig im Wahn brüllt Colonel Gordon Tall diese Gruppe über ein Mikrofon an und erinnert sie an ihre Pflichten. Pflichten, denen sie nicht nachkommen wollen, weil sie Angst haben, ihr Leben für das der anderen zu opfern. In diesem Sinne ist Der schmale Grat sogar recht Anti-Patriotisch, was sich auch im weiteren Verlauf deutlich macht. Denn der Kriegseinsatz lohnt sich nicht und es warten auch keine Frauen mit weißen Taschentüchern am Ufer und empfangen ihre Helden. Der schmale Grat zeigt eher, daß die Gemeinschaft das Problem ist und die Tragik dessen liegt darin, daß man als Gemeinschaft zu dieser Zeit eigentlich auch keine andere Wahl hatte, als zu kämpfen. Nun ja, auf kurz oder lang gesehen zumindest. Und ganz nebenbei mal erwähnt, weil es sonst untergeht und keinen Platz mehr findet. Nick Nolte stiehlt jedem im Film die Show, weil seine Figur absurd komplex und dann wiederum unglaublich einfach wirkt.
Natürlich ist Der schmale Grat irgendwo ein bisschen selbstverliebt. Er inszeniert Pathos, ohne Pathos zu wollen und gibt der Tragik irgendwo einen manipulativen Rahmen. Gleichwohl auffallend ist, daß der Film sich immer in einer gewissen Beengtheit abspielt, wenn es um die Gewaltakte geht. Da entsteht ein weiter Kontrast zur ach so schönen Schönheit der Welt, die eher Weltläufig ist. Malick inszeniert hier quasi einen ironisch wirkenden Mikrokosmos, der seine volle Wirkung entfaltet, wenn es zu den ersten Opfern kommt. Er will eigentlich keine großen Töne in der Gewalt und in dem Tod, doch genau diese sind es, die ihn paradoxerweise so sehenswert machen. Denn es ist abstoßend und irgendwo natürlich logisch, daß die Heimkehr der Soldaten hier nicht den gleichen Reiz ausmachen kann, wie es die Gewalt tut. Beziehungsweise, darf das natürlich auch infrage gestellt werden. Denn Malick lässt sich da nicht so sehr in die Karten schauen, ob es nun Gewalt oder Leid sind, die hier den Reiz ausmacht. Es bleibt unklar, aber in einem so anti-heroischen Werk ist das irgendwo auch klar.
Mit den 1990er Jahren wurde das Thema Krieg im Kino auserzählt. Und Der schmale Grat ist nicht der Film, der es beendete. Dafür ist er irgendwo zu infantil gehalten und will auf große Thesen hinaus, die eigentlich keine sind. Das kann natürlich auch groß sein, ist es aber nicht. Weiterhin gelingt Malick aber die Kurve und er kommt auf Thesen und Meinungen hinaus, denen man sich nur anschließen kann.
