Bewertung: 4.5 / 5
Als bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises der mit 60.000 Euro dotierte Preis der Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken (VGF) an den Film Die Farbe des Ozeans ging, sagte der mit Standing Ovations begrüßte Rupert Neudeck, Gründer der Rettungsorganisation "Cap Anamur", dies sei der "moralisch wichtigste Film" unter den Ausgezeichneten. Der Film stellt einen Frage, die bereits vor 30 Jahren aufgeworfen wurde, als tausende Vietnamesen über Wasser aus ihrem Land flohen: Die Frage nach notwendiger Hilfe. "Keiner flieht freiwillig. Wir können doch Schiffbrüchige nicht erst fragen, ob sie auch den richtigen Beruf haben", hatte damals der Nobelpreisträger Heinrich Böll gesagt. Maggie Peren zeigt nun anhand einer kleinen Gruppe die Not von tausenden Flüchtlingen aus Afrika, die ins gelobte Europa wollen. Wieder ist es müßig, nach den Gründen der Flucht zu fragen.
Als während ihres Gran-Canaria-Urlaubs die deutsche Touristin Nathalie (Sabine Timoteo) mit dem Schicksal einer Gruppe senegalesischer Flüchtlinge konfrontiert wird, stellt sich für Nathalie erst gar nicht die Frage, ob sie helfen soll. Nathalie wird helfen, ohne ihre Vorgeschichte im Detail wissen zu wollen.
Ganz anders naturgemäß José (Álex González), der junge Grenzpolizist, der die Überlebenden in ein Auffanglager in Strandnähe bringt. Für ihn ist die Verhaftung und Abschiebung der Flüchtlinge zynische Pflicht - schließlich wird er täglich aufs Neue mit dem Problem von Afrikanern konfrontiert, die die "Festung Europa" stürmen wollen. Wohin auch mit ihnen, denkt José, außer man schickt sie zurück?
Dem Senegalesen Zola (Hubert Koundé) und seinem kleinen Sohn Mamadou (Dami Adeeri), die sich zuvor noch mit letzter Kraft an den Strand retten konnten, gelingt die Flucht aus dem Auffanglager. 1.000 Euro, so erfahren sie, würde die Überfahrt auf das spanische Festland kosten. Als Zola Nathalie um Hilfe bittet, zögert diese trotz des Abratens ihres Mannes nicht. Und doch beschwört sie mit ihrer Hilfe eine neue Katastrophe herauf.
Obwohl das afrikanische Flüchtlingsproblem nach Reportagen von Lampedusa oder Gran Canaria inzwischen allen geläufig ist (und achselzuckend hingenommen wird), gelang Maggie Peren mit ihren afrikanisch-spanisch-deutschen Darstellern ein kleines Meisterwerk. Ihr Film verbindet Action und Poesie, die Echtheit der Dialoge und eine erstaunliche symbolische Kraft der Bilder (Kamera: Armin Franzen), die mitunter an den italienischen Neorealismus erinnern.
Natürlich durfte man in keinem echten Auffanglager filmen, alles wurde täuschend ähnlich nachgebaut. Die Gitter und Zäune, die die Trennung von unbeschwertem Tourismus und der Gefangenschaft der Geflohenen signalisieren, erscheinen wie eine immer da gewesene Grenze, die keinen Anspruch auf Dauer haben darf. Die Produzenten Boris Jendreyko und Thomas Klimmer (Südart) schafften mit ihren spanischen Koproduzenten in mehrjähriger Arbeit eine logistische Meisterleistung, was Schauplätze und Wahl der Darsteller betrifft. Der Geist des Rettungsschiffs "Cap Anamur" schwebt nun über dem Film - es wäre Zeit zu handeln, eine gute Zeit für Tränen ist es nicht.
Die Farbe des Ozeans bekommt 4,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Wilfried Geldner)