Bewertung: 4.5 / 5
Getragen wird der Film aber von den beiden Hauptdarstellern. Während Josh Hutcherson (Die Reise zur geheimnisvollen Insel) zwar einige Erfolge in der Vergangenheit verbucht hat, dürfte Die Tribute von Panem - The Hunger Games ihm jetzt zum Durchbruch verhelfen. Peeta bekommt leider nicht die volle Aufmerksamkeit, die seiner Kollegin zuteil wird, die verfügbaren Momente weiß Hutcherson aber in der Regel zu nutzen. Jennifer Lawrence stellte schon in X-Men - Erste Entscheidung und Winters Bone ihr schauspielerisches Talent unter Beweis, doch Katniss haucht sie wirklich Leben ein. Ob die emotionalen Momente mit ihrer Schwester, die nachdenklicheren Momente vor den Spielen oder die Szenen in der Arena - Lawrence ist der Film.
Auffällig ist jedoch, dass nie explizit die im Buch beschriebenen Gewaltdarstellungen zur Schau gestellt werden. Zu exzessive Szenen wurden geändert oder Ross griff zu einem Kunstgriff und unterlegte die harten Kämpfe mit einer deutlichen Wackelkamera. Das mag gestandene Actionfans stören, jedoch darf hier das Zielpublikum nicht gänzlich aus den Augen verloren werden, an die sich das Buch nun einmal richtet. Denn trotz der Änderungen ist die Darstellung noch immer hart und trotz FSK12 in Deutschland ist der Film in der Form nicht jedem Kind zuzumuten. Oft ist es nicht die gezeigte Gewalt, die den Schrecken ausmacht, sondern der psychologische Horror. Dieser wirkt weitaus stärker, vor allem wenn einem bewusst wird, dass hier Kinder Kinder töten.
Trailer zu Die Tribute von Panem - The Hunger Games
Auch wenn Die Tribute von Panem - The Hunger Games nicht gehetzt wirkt, hätte es aus Sicht eines Buchkenners wohl nicht geschadet, den Film nicht so zwanghaft auf zwei Stunden auszurichten. Vor allem diversen Charakterentwicklungen in der Arena wäre eine etwas längere Laufzeit zu wünschen gewesen, besonders die Beziehung zwischen Rue und Katniss hätte auf diese Weise noch einmal deutlich an Dramatik gewonnen. Auch die Liebelei zwischen Katniss und Peeta wirkt im Film unglaubwürdig, hier hätten zusätzliche Passagen aus dem Roman das Gesamtpaket abgerundet. So mancher wird sich auch eventuell nicht mit der Optik mancher Szenen und der Ausstattung anfreunden können. Das ist jedoch nicht die Schuld von Ross, sondern vielmehr Autorin Suzanne Collins zuzurechnen, die im Roman dem Lesefluss zuliebe selten Wert auf Details legte. Distrikt 12 oder die Arena mit seinem Füllhorn dürften also bei jedem Leser andere Assoziationen wachrufen. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Effekte. Größtenteils werden Trickeffekte eher sparsam eingesetzt und kommen hauptsächlich im Kapitol zum Einsatz oder im Finale. Diese Szenen sind meist überzeugend, leider gelang es den Machern nicht, Feuer überzeugend darzustellen: Wenn Katniss zum Mädchen wird, das in Flammen steht, sind die Tricks für das Jahr 2012 einfach nicht mehr zeitgemäß.
Mit Kreativität und größtenteils glaubwürdigen Protagonisten gelang es Suzanne Collins mit ihren Romanen eine dystopische Vision zu zeichnen, die für nahezu alle Altersgruppen zugänglich ist. Das Gesamtwerk wirkt dadurch größtenteils frisch, doch schaut man genauer hin, fallen unzählige Quellen auf, bei denen sich Collins reichlich gütlich tat. Dies fällt Literatur- und Filmkennern unweigerlich auf. Auch wenn Collins immer betonte, ihre Hauptinspiration u.a. aus der Theseus-Sage und aktuellen Geschehnissen auf der Welt zu ziehen, sind Ähnlichkeiten zu Running Man und 1984 unverkennbar. Noch auffälliger wird die Ähnlichkeit zum 1999 erschienen Roman Battle Royale, der 2000 verfilmt wurde. Ähnlichkeiten bei der Grundidee und Umsetzung zwischen Die Tribute von Panem - The Hunger Games und Battle Royale sind frappierend, wobei letzteres Werk deutlich schonungsloser in der Darstellung ist. Dies ändert nichts daran, dass es Collins gelang eine spannende Romanreihe auf die Beine zu stellen, die jetzt einen sehr gelungen Film hervorbrachte, der schon bald seine Fortsetzung finden dürfte.
Trotz der genannten Kritikpunkte, die vor allem der Sicht eines Buchkenners geschuldet sind, ist Die Tribute von Panem - The Hunger Games der Film geworden, auf den man sich gefreut hat. Düster und nachdenklich bietet er "Kinounterhaltung" für nahezu alle Altersgruppen und wer ihn bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, sollte sich spätestens jetzt informieren. Es dürfte der Grundstein für eine mehrjährige Kinoreihe gelegt worden sein und bei der gebotenen Qualität können wir das nur begrüßen. Möge das Glück stets mit euch sein - 4,5 von 5 Hüten.
(AS)