Bewertung: 3.5 / 5
Ein namenloser Fremder (Clint Eastwood) kommt nach Lago, wo er die Bewohner als Feiglinge tituliert. Als er einen örtlichen Gauner erschießt, möchten ihn die Bürger zum Bleiben bewegen, denn es wird nicht der einzige Bandit bleiben. Nach einigem Zögern lässt sich der Fremde unter der Bedingung, daß ihm jeder Wunsch erfüllt wird, dazu überreden, die Bürger zu beschützen.
Die bedrückende Stimmung, die in Western gerne zur Spannung eingesetzt wird und aus dessen das gesamte Szenario einen schleichenden Prozess der Gewalt entwickelt, entsteht auch in Ein Fremder ohne Namen. Einem Werk, daß Clint Eastwood in seiner Inszenierung stark an seinen alten Freund Sergio Leone anlehnte. Wenngleich Eastwood nie dessen Klasse erreichen sollte, so gibt es hier eine Anspannung. Und zwar durch die Hauptfigur. Wortkarg und unerschütterlich erreicht dieser Fremde ohne Namen die kleine Stadt Lago. Dort ist er die große Hoffnung der Bewohner, auf ein besseres Leben. Doch dafür müssen sie einen Pakt mit dem Teufel eingehen, denn dieser Mann möchte einiges für seine Hilfe und dabei fragt er auch nicht, sondern nimmt sich einfach was er will. Das müssen auch die jungen Frauen Sarah Belding und Callie Travers spüren, die im Verlauf der Geschichte mal mehr, mal weniger mit dem Mann aneinander geraten und als Folge dessen, oder einfach aus einer Laune heraus vergewaltigt werden. Das hat keinen Charme zu sich und ist eben in einer ganz klaren Mentalität begründet, nach welchem Frauen eben für ganz gewisse Dinge gut sind, aber doch auch mal bitte ihren Mund halten soll. Nun lässt Clint Eastwood keinen Zweifel daran, daß man ohnehin an dieser Hauptfigur zweifeln darf, dennoch fehlt hier ein reflektiertes Aufarbeiten oder Anmerken, weil es auch die anderen Herren in diesem Film nicht wirklich für wichtig befinden, oder es billigend in Kauf nehmen.
Die Frau ist hier längst materiell, in vielen Punkten für hysterisch erklärt oder nicht mit dem Blick auf die wesentlichen Dinge. Und da das so gut geklappt hat, entsteht daraus natürlich eine Liebe. Also keine, die auf Gegenseitigkeit beruht und so verliebt sich die von Verna Bloom gespielte Sarah Belding in bester Stockholm-Syndrom-Manier natürlich in den namenlosen Fremden. Dann ist auch wirklich alles in Ordnung. Ansonsten liefert der Film die typischen Eastwood-Themen, mit dem versagendem Staat, Korruption in den eigenen Reihen und dem Volk, daß sich gegen Angreifer wehren muss. Das ist durchaus spannend zu beobachten, weil es im Prinzip Jahrzehnte später in den Werken von Eastwood noch gleich ist, nur daß hier das Problem, auch ein Eigenverschulden der Menschen ist. Dafür darf man sich tatsächlich freuen, weil es zeigt, daß man Menschen nie aus der Verantwortung ziehen kann, wenn etwas nicht richtig läuft. Und daraus zieht der Film eine ganz eigenartige Atmosphäre und Spannung, weil die Figur kein wirklicher Beschützer oder dergleichen ist und auch mit den Verantwortlichen in dieser Kleinstadt nicht wirklich zurechtkommt. Das beruht auf Gegenseitigkeit und dadurch gewinnt Eastwoods Charakter natürlich etwas Erhabenes und ebenso abgeklärtes, weil er sich dazu herablässt, dem Volk zu helfen. Dieser Zynismus, der sich durch Ein Fremder ohne Namen zieht, macht ihn auf interessant, weil er sich natürlich auch an den Italo-Western anlehnt und damit eigentlich zur Dekonstruktion jener Stigmata führen sollte.
Im Prinzip wird die Geschichte hier nicht wirklich der Rede wert: Stadt wird bedroht. Mann kommt in Stadt. Mann bleibt verschlossen. Mann lässt sich dazu herab, Angreifer abzuwehren und Stadt auf einen Kampf vorzubereiten. Fertig. Dabei fällt aber auch ein weiteres Thema von Eastwood in diesem Film auf. Denn selbst wenn Eastwood eigentlich keinem wirklich nachteiligen gesellschaftlichen Stigma entspricht, so ernennt seine Hauptfigur den Kleinwüchsigen Mortdecai zum neuen Bürgermeister. Und das ist natürlich besonders, weil man sowas eigentlich nicht erwarten kann. Nun lässt sich der Film dabei aber nicht so gerne in die Karten schauen, weil man das auf einer Deutungsebene so oder so sehen kann. Klar ist, daß der Staat – also in dem Falle die Kleinstadt – völlig versagt hat. Klar ist aber auch, daß sich der Fremde ohne Namen auch über die Bevölkerung lustig macht und eben alles verlangen kann, was er möchte. Eine Auflösung dessen bietet der Film tatsächlich nicht, doch vom reinen Gefühl her, scheint der Film dahingehend tatsächlich recht inklusiv zu denken. Und das liegt vor allem daran, daß die Konsequenz dessen folgt.
Unterdessen baut der Fremde auch im Zuge der bald erscheinenden Räuber die Kleinstadt in eine Festung um. Hier lässt der Film tatsächlich erstmals starken Symbolismus in den Film einfließen. Also nicht, daß Western keinen Symbolismus hätten, schließlich bestehen sie zumeist nur daraus, aber das ist dann schon wieder a-typisch, wenn der Fremde die Häuser der Stadt rot streichen lässt. Man kann wohl nicht davon ausgehen, daß das Rot hier die Liebe darstellen soll, also kann es eigentlich nur für Blut und damit den Tod und/oder die Hölle stehen. Das, was man als Modellbau-Kriegsbemalung verstehen kann, zeigt unweigerlich auch, was die Banditen hier erwarten wird. Und dann folgen wirklich gute Schießereien und gängige Genre-Klischees, die ihren Reiz aus der puren Rauheit der Figuren ziehen. Zwar wird die Hauptfigur zu lange zu wenig, bis gar nicht durchleuchtet und führt dann letztlich nur zu einer eher moderaten Wendung. Auf der anderen Seite bedient der Film somit ein weiteres, typisches Eastwood-Thema. So ist die gesamte Geschichte eigentlich eine sehr persönliche und handelt von Verlusten.
Der gesamte Film wird dabei von Eastwood eben sehr dreckig und brutal in Szene gesetzt. Die gesamte Aussicht ist triste, der Hauptcharakter nicht wirklich sympathisch und auch musikalisch macht Komponist Dee Barton hier die Light-Variante eines Ennio Morricone-Scores. Das passt eben in das Setting und hilft den dekonstruierenden Charakter des Filmes zu untermauern. Denn der Film spart nicht mit roher Gewalt in jedweder Form, sodass immer ein beklemmendes Gefühl verbleibt.
Nun bedient Clint Eastwood in seinem Werk Ein Fremder ohne Namen sicherlich eine Menge Klischees und will auch im direkten Vergleich, mit den ganz großen nicht mithalten können. Auf der anderen Seite ist der Film ehrlicher und rauer, er wirft ein unschönes Bild auf eine grauenhafte Zeit und zieht seine Spannung aus dem Kleinstadt-Charme, der dann in einem wirklich spannenden Finale enden sollte.