Bewertung: 4 / 5
Entweder liegt es daran, dass Steven Spielberg wegen seiner religiösen Hintergründe auf den Zweiten Weltkrieg einen weniger neutralen Blick werfen kann als auf den Ersten Weltkrieg, oder er hat 13 Jahre später schließlich aus den Schwächen von "Saving Private Ryan" gelernt: Mit "Gefährten" hat Spielberg einen Film gedreht, der die Bezeichnung Antikriegsfilm im Gegensatz zu "Saving Private Ryan" vollkommen verdient und der mehr mit "The Thin Red Line" gemein hat als mit Spielbergs "WW II"-Pendant. Im Grunde genommen handelt es sich hier um die naiv-idealistische Version von Terrence Malicks Werk.
Anstatt den Krieg in "Gefährten" aus Sicht der Engländer oder der Deutschen zu zeigen, wählt Spielberg die Sichtweise des Pferdes Joey, welches aufgrund diverser Umstände zum Einen in die Hände der Engländer, der Deutschen oder französischer Zivilisten fällt oder sich zum Anderen unabhängig von den Menschen durch das Kriegsgebiet bewegt. Alle Kriegsparteien werden von Spielberg also gleichberechtigt behandelt und keine wird bevorzugt, wenn Geschütze aus dem einen Graben abgefeuert werden, wechselt Spielberg direkt zum gegnerischen Graben und zeigt die Opfer. Indem er den Krieg aus den Augen eines unschuldigen Pferdes heraus beleuchtet, welches gegen seinen Willen in den Kampf geschickt wurde, entlarvt Spielberg den Krieg analog zu Malick als etwas Widernatürliches, welches von den Menschen in die Welt hineingetragen wird.
Trailer zu Gefährten
In der stärksten Szene des Films stellt Spielberg das Pferd Joey als pazifistischen Fixpunkt dar und beweist, welche positive Kraft selbst in Kriegsfilmen aus seinem naiven Idealismus gezogen werden kann. SPOILER: Im Niemandsland hat sich Joey im Stacheldraht verheddert, was sowohl die Engländer als auch die Deutschen dazu veranlasst, dem Pferd zu helfen. Aus einem Akt der Völkerverständigung heraus kann das Pferd befreit werden, die darauffolgende Frage nach dem Besitz wird nicht durch einen gewalttätigen Faustkampf sondern durch einen diplomatischen Münzwurf beantwortet. SPOILER ENDE. Das Pferd wird hier von Spielberg also als Symbol für den Frieden etabliert, welches im weiteren Verlauf der Handlung um jeden Preis beschützt und am Leben gehalten wird. Kitsch wie in der Lazarettszene ist dementsprechend von inhaltlicher Relevanz, da er das unbedingte Ausrechterhalten des Friedens wiederspiegelt.
Soviel zu meiner Analyse, zum Schluss möchte ich noch kurz etwas zum Film allgemein schreiben. Die Kriegsszenen fallen längst nicht so brutal aus wie in "Saving Private Ryan", da sich "Gefährten" eben an ein jüngeres Publikum richtet, Spielbergs Stamm-Kameramann Janusz Kamiński gelingt es allerdings trotzdem, ähnlich eindrucksvolle und schockierende Bilder wie im realistisch härteren "Saving Private Ryan" einzufangen. Um daran anzuschließen, John Williams Soundtrack zu "Gefährten" erreicht zwar nur selten die Emotionalität und Eindringlichkeit von "Saving Private Ryan", unterstützt die Bilder aber dennoch sehr gut. Darüberhinaus hat Spielberg hier einen famosen Cast versammelt, der unter Anderen aus Briten, Franzosen und Deutschen besteht. Peter Mullan, Emily Watson, David Thewlis, Tom Hiddelston, Benedict Cumberbatch, Toby Kebbell, Eddie Marsan, Liam Cunningham, David Kross, Rainer Bock - das kann sich schon sehen lassen!
Fazit: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber Spielberg hat sich mit "Gefährten" im Kriegsfilmgenre nach "Saving Private Ryan" tatsächlich noch einmal neu erfunden! Auch wenn ich "Saving Private Ryan" insgesamt für den besseren Film halte, empfinde ich "Gefährten" klar als aussagekräftigeren Antikriegsfilm.