Bewertung: 1.5 / 5
Mich hat der Film im Prinzip schon mit der Texteinblendung verloren. Im Vorgänger wurde der Text noch mit ruhiger, gediegener Musik untermalt, hier knallt direkt ein lauter, krawalliger Score wie aus einem 08/15-Actiontrailer rein, "Gladiator II" hat schlicht kein Gespür für Feingefühl.
Dass ein Film Retconning betreibt, um eine Geschichte zu erzählen, damit kann ich leben, wenn es dann wenigstens gut erzählt und umgesetzt wird, aber das hier fühlt sich echt wie Ridley Scotts "The Rise of Skywalker" an... Weitestgehend entpuppt sich "Gladiator II" als schlechteres, dümmeres und digitaleres Remake des Vorgängers.
Trailer zu Gladiator 2
Zumindest sind die Seeschlacht gegen Numidien (stark und erfrischend mit Rom als Antagonist) und die Seeschlacht im Kolosseum recht ansehnlich. Von den Charakteren weckt einzig Denzel Washingtons Interesse (in diesem Film aber weiterhin oberflächlich), ich hätte alles, was mit "Gladiator" zu tun hat aus dem Film gestrichen und um Washingtons Figur, seine Motive und seine politischen Intrigen einen eigenständigen Film über Rom entworfen.
Die rezeptionelle Verkultung und Lobhudelei seiner Performance regt mich allerdings schon etwas auf. Washington spielt okay, jedoch fernab von gut, er hat den Vorteil, dass er es vermag, sein Jürgen-Klopp-Colgate-Lächeln durch den Film zu tragen, und dass er als einziger auffällt, weil er im Gegensatz zu allen anderen den Film nicht ernstzunehmen scheint und sich stattdessen selbst spielt. "Gladiator II" gehört Denzel Washington, ja, aber das liegt nur bedingt an ihm selbst, sondern vor allem an seiner Rolle, die wie oben genannt als einzige Interesse weckt.
Dass Paul Mescal als Hauptdarsteller gegen Russell Crowe verliert, liegt finde ich daran, dass er als Lucius eben nicht Crowe als Maximus ist, vom Film aber geradezu dazu gezwungen wird. Er muss die gleiche Geschichte durchleben und Rom auf die gleiche Weise retten, er muss Maximus Rüstung und Schwert tragen, er muss sein leiblicher Sohn und der Erbe vom Rom sein. Gerade letzteres wird für ihn nicht vernünftig entwickelt, es wird postuliert und er nimmt es hin, wird einfach vom Romverachter zum Romverteidiger. Lucius redet vom Traum von Rom und Marcus Aurelius, obwohl er zum Traum und seinem Großvater nie den großen Bezug gehabt haben kann, Zeit seines Kindheitslebens war Marcus Aurelius auf Kampagne in Germanien. Es fesselnder Antagonismus existiert im Film ebenso kaum, erst wird Pedro Pascal als Mescals Schurke aufgebaut, bis man erfährt, dass das nicht stimmt, sondern dass Washington der eigentliche Schurke ist, zu dem Mescal aber auch kaum Bezug hat außer seiner diffusen (Traum von)-Rom-Liebe, weswegen Washington vermutlich erst Lucilla umbringen muss (starke Szene nichtsdestotrotz!), um dem Duell der beiden genügend Gravitas zu verleihen.
All dies hätte vielleicht sogar funktionieren können, Paul Mescal wird allerdings vom Film obendrein noch alleine gelassen, er erhält von der Regie, vom Drehbuch und Score kaum Unterstützung.
Schließlich noch das peinliche Ende, welches vorne und hinten keinen Sinn ergibt, sondern nur auf die Nostalgie abzielt. Man kann eine transzendente Verbindung oder Erinnerung/Gedenken zwischen dem lebenden Sohn und dem toten Vater herstellen. Aber was zum Teufel haben dort Maximus´ Visionen der Heimkehr zu seiner Familie und das Durchs Korn Streichen sowie "Now We Are Free" als Untermalung zu suchen? Das sind Maximus´ Visionen und Ausdruckselemente seiner Geschichte, mit der Lucius nichts zu tun hatte, von der er nichts wissen kann, nicht daran denken, sich nicht daran erinnern kann. Und von Maximus jenseitiger Position aus, Zeit seines Lebens wusste er nichts von der Vaterschaft, er wird bei Lucius nicht an seine spanische Heimat und Farm denken, es ist für ihn dann eine neue Erfahrung, für die es eine neue Bebilderung und einen neuen Song bedurft hätte.
Ausblick: Ridley Scott stellt in Aussicht, dass er seinen 220-minütigen First Cut vielleicht noch als Extended Cut veröffentlicht, da kann man ja gespannt sein... Vielleicht beschäftigt er sich stattdessen allerdings lieber mit einem "Gladiator III", den er an "Der Pate II" anlehnen möchte. Ich kann nur hoffen, dass sich Ridley Scott für zukünftige Projekte einen anderen Drehbuchautoren als David Scarpa ("Napoloen") zulegt, ihre Zusammenarbeit ging aus meiner Sicht jetzt zweimal gewaltig in die Hose.
Im Vergleich mit dem, was "Gladiator II" letztendlich geworden ist, hätte ich mir lieber Nick Caves Fortsetzungsentwurf auf der Leinwand gewünscht, kontrovers und verrückt, aber immerhin kreativ.