Bewertung: 3.5 / 5
Konventionelles Kino ist ihre Sache nicht: Mit ihrem sensationellen Animationsfilm Persepolis setzten die Comic-Künstler Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud 2007 neue Maßstäbe für das Genre. Ihr neues Werk Huhn mit Pflaumen, das als Fortsetzung des prämierten Erstlings und Teil einer geplanten Trilogie verstanden werden will, ist allerdings ein Realfilm. Wieder diente ein Comic Satrapis als Vorlage: Erzählt wird die tragikomische Geschichte eines Großonkels, dessen Liebessehnsucht keine Erfüllung findet. Das Ergebnis ist ein melancholisches Märchen, herrlich komisch und verspielt.
Teheran, Ende der 50er-Jahre. Nasser Ali Khan (Mathieu Almaric) ist der wohl größte Geiger seiner Zeit - bis ihm seine hysterische Frau das Instrument zerschlägt. Seine Suche nach einem Ersatz bleibt ohne Erfolg: Keine Geige lässt ihn mehr jene Freude empfinden wie die zerstörte. Nasser beschließt zu sterben: Ein Leben ohne die Musik ergibt keinen Sinn, zumal er nur beim Klang jener Geige seiner unerfüllten Liebe nahe war.
Im Bett, von pathetischer Todessehnsucht durchdrungen, lässt er sein Leben Revue passieren. Da sind die Erinnerungen an seine geliebte, schöne Mutter Parvine (Isabella Rossellini), die ihn einst dazu drängte, die schnöde Lehrerin Faranguisse (Maria de Medeiros) zu ehelichen - mit der Folge, dass aus dieser Beziehung zwar zwei Kinder hervorgingen, aber nie das große Gefühl. Die Liebe hat er nämlich nur für Irane (Golshifteh Farahani, Der Mann, der niemals lebte) empfunden, die er während seiner Ausbildung kennen lernte. Ihr Vater war gegen die Heirat, das Glück letztlich hatte keine Chance.
Dieser Nasser Ali Khan war der Bruder von Marjane Satrapis Großvater, von dem die Regisseure bereits im autobiographischen Persepolis erzählten. Thema war hier Satrapis bedrückende Kindheit unter dem Mullah-Regime. Nun setzt sich die Familiensaga fort, als Realfilm, der dennoch die temporeiche Phantasie und den künstlerischen Stil des Animationsfilms nutzt. Die Handschrift der beiden Regisseure bleibt unverkennbar: Rückblenden, Zeitsprünge bis hin zu rasant entwickelten Zukunftsszenarien prägen die lebendige Erzählweise auf erfrischende, unterhaltsame Weise.
Die sorgfältig ausgewählten Darsteller, die bisweilen etwas überagieren, machen den Film zu einer charmanten Burleske. Großartig vor allem: Mathieu Almaric, der schon in Schmetterling und Taucherglocke eindrucksvoll sein fiebriges Talent unter Beweis gestellt hat.
In Huhn mit Pflaumen, übrigens das Lieblingsgericht von Satrapis glücklosem Großonkel, wird das alte Teheran voller Wehmut und Nostalgie wieder zum Leben erweckt. Umso erstaunlicher, dass der komplette Film vor den Kulissen der Studios in Babelsberg entstanden ist. Da hat das Filmteam ganze Arbeit geleistet.
Huhn mit Pflaumen bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Heidi Reutter)
