Bewertung: 3.5 / 5
Captain Stanley White (Mickey Rourke) ist ein raubeiniger und durch den Vietnamkrieg gezeichneter Polizist. In seinem Revier in Chinatown sagt er der dortigen Unterwelt den Kampf an. Er soll den Mord an einem chinesischen Paten aufklären, um einem Bandenkrieg der einzelnen Syndikate vorzubeugen. Doch seine rassistischen Entgleisungen und fragwürdigen Methoden machen ihn vor Ort nicht sehr beliebt. Der Ehemann White begeht noch dazu eine Affäre mit der Reporterin Tracy Tzu (Arianne Koizumi), was dafür sorgt, daß seine privaten und beruflichen Interessen kollidieren.
Es sind brutale Gestalten. Amerikanische Polizisten, abgeklärt, moralisch ambivalent, blicken sie recht nüchtern in eine Welt, die sich anfühlt, wie ein Kriegsschauplatz. Man kennt das aus dem Noir-Film und aus dem Neo-Noir ebenso: Ein einsamer Rächer, in dunkler Nacht auf einer verregneten Straße. Den Hut bis in die Nasenspitze und den Trenchcoat eng an sich geschnürt. Eine einsame, wehrlose Dame, sexuell verrucht, wie die dortige Welt verrucht ist und alles ein Klischee oder eine Hommage an die Zeit, die so lange vorbei ist. Im Jahr des Drachen ist so eine Art Reminiszenz an diese Tage, wenngleich das keine besonders originelle Konzeption ist. Immerhin ist das jeder Film eine Reminiszenz an die großen der Vergangenheit. Und damit schleicht sich auch schon beim Sehen der Gedanke ein, daß das unweigerlich dazu führt, daß man kein aufschlussreiches Meisterwerk hier vorfindet. Unterdessen ist es natürlich kleinkariert und wenngleich das Werk auch seinerzeit vor allem aus den falschen Gründen verachtet wurde, kann man wohl kaum sagen, daß Cimino neben seinem grobschlächtigen Nihilismus auch nur einen weiteren Eindruck hinterlässt. Dafür ist die Konkurrenz um Werke wie Blade Runner (1982) eigentlich zu groß und ehrlich gesagt ist es auch vermessen, sich an dem messen zu wollen. Du kannst nur scheitern.
Ja, man sucht händeringend nach einer Erklärung für das fehlende Phänomen von Im Jahr des Drachen. Tatsächlich ist es ein Geheimtipp, den man nur zu gerne an Menschen weitergibt. Cimino ist nicht liberal, war er weder in Die durch die Hölle gehen (1978), noch in Heaven’s Gate (1980). Cimino ist ein großer Denker und weniger ein klassischer Geschichtenerzähler. Das Thema Vietnam ist im Kino ein beispielloser Einschlag der erfolgsverwöhnten Kreismaschinerie Amerikas. Das zu behaupten, braucht kognitiv nicht allzu viele Anstrengungen. Es ist eine Phase des Kinos, die Kino vielleicht erstmals – abgesehen von den intellektuellen Ausreißern wie Hitchcock oder Wilder – als Ort der Kritik wahrnahm. Natürlich in den Staaten und ja, man kann gänzlich sowieso nie einfach an irgendwas festmachen. Aber mit New Hollywood wurde Kino anders betrachtet, staatskritisch, ideologiekritisch und mit dem Finger in einer ewig offenen Wunde. In dieser Tradition steht auch Im Jahr des Drachen, wenngleich man das oberflächlich gar nicht meinen würde. Denn wie es für diese Zeit üblich ist und im übrigen irgendwo auch für das Genre des Noir-Films, konfrontiert Cimino den Zuschauer mit einer moralisch zwielichtigen Gestalt. Einem Rassisten, der im Vietnamkrieg gedient hat und seither, nun, nennen wir es mal Vorurteile gegenüber asiatischen Mitbürgern hat. Ein grundlegendes Szenario, was Cimino völlig ausschöpft, ohne dem Zuschauer am laufenden Band zu erklären, wie a-moralisch seine Figuren eigentlich sind.
Natürlich verhandelt er diese These auch an anderer Stelle und greift Klischees über amerikanische Polizeireviere auf, die spätestens seit Dirty Harry (1971) zum Mantra des Polizeifilms gehören. Alle sind korrupt, irgendwie legen sie aber einen hohen Stellenwert auf Freundlichkeit und Anstand. Und das ist ohnehin beispielhaft für die Figuren in Im Jahr des Drachen. Denn tatsächlich kommt es hier zu einer Verschiebung der Wahrnehmung. Im Normalfall, auch im neoliberalen Zeitgeist ist eine besondere Kernkompetenz der Menschen, das sie sich anpassen und bloß freundlich sind. Immer mehr Unternehmen gehen über zu einer Duz-Mentalität, wo der Chef auch gleichzeitig dein Freund ist. Deshalb irritierte Im Jahr des Drachen auch seinerzeit mit seinem Stanley White. Und hier kommt das eigentlich großartige am Film zum Vorschein. So mögen seine Wortwahl und auch die Gedanken dahinter durchtränkt von Zynismus und einem anpassbaren Menschenhass geprägt sein. Und dennoch ist er auch jemand, der zu weiten Teilen das System – also den Polizeiapparat und Unternehmen in Chinatown von Korruption bereinigen möchte. Damit hat er sich natürlich einer großen Aufgabe verschrieben, die ihm zusätzlich durch seine Art und die interne Hexenjagd zusätzlich erschwert wird. Grandios minimalistisch wird das im Übrigen wieder einmal von Mickey Rourke verkörpert, der vermutlich mit etwas mehr Disziplin auch heute den Status eines Robert De Niro oder Al Pacino haben könnte. Wären da nicht so viele exzentrische Einfälle und Ausfälle und Zufälle und andere Gegebenheiten gewesen. Rourkes Leistung ist aber eben einer der Gründe, warum das Klischee des frustrierten und abgeklärten Polizisten hier funktioniert und aus einer solchen Rolle so viel rauszuholen, bedarf schon wirklichem Talent.
Es mag stimmen, daß dieses Gefühl der Größe zur Mitte hin etwas zum Erliegen kommt. Ja, Im Jahr des Drachen ist auch eindeutig zu lang. Auf der anderen Seite schmeißt Cimino hin und wieder auch recht melodramatische Grautöne in seinen Film, die auf eine wunderbare Weise irritieren. Von Liebe wird in Hollywood gesprochen, von Sex und Machtmissbräuchen zeigt Im Jahr des Drachen. Allein die Tatsache, daß Liebe heir lieblos und fast roh und stumpfsinnig in den Vordergrund rückt, zeigt auch, daß der Verlust der Menschlichkeit, ob der Rohheit oder auch anderer Dinge im Leben einfach dazu gehört. Es sind erschreckende Gestalten, wenngleich natürlich hier auch mit Klischees gespielt wird.
Skandalös und provokant erzählt Im Jahr des Drachen vielleicht eine gewöhnliche Polizei-Geschichte an der Oberfläche. Doch wer tiefer gräbt, findet a-moralische Figuren, eine Welt im Chaos und phantastisches Schauspiel in der Hauptrolle vor.
