Bewertung: 4 / 5
So ganz darf man die Hoffnung auf den Auslandsoscar noch nicht aufgeben. Klar, Pina ist raus aus dem Rennen um den Besten fremdsprachigen Film: Es wird beim großen Umschlagöffnen am 26. Februar also definitiv nicht "Germany" verlesen werden. Aber vielleicht "Poland"? Das wäre dann zumindest ein Teilerfolg, denn in Agnieszka Hollands oscarnominiertes Weltkriegsdrama In Darkness flossen nicht nur deutsche Fördergelder, es sind auch drei sehr bekannte deutsche Schauspieler darin zu sehen. Und das erfreulicherweise nicht in Nazi-Uniform.
Ausgerechnet Juden spielen Benno Fürmann, Herbert Knaup und Maria Schrader in diesem bedrückenden Film: Juden, die sich seit der deutschen Besetzung von Lvov auf das Schlimmste gefasst machen. Als die Nazis 1943 das Ghetto der Stadt gewaltsam räumen, gehen sie einen für beide Seiten riskanten Handel mit dem polnischen Kanalarbeiter und Gelegenheitsgauner Leopold Socha (Robert Wieckiewicz) ein: Gegen ein regelmäßiges Honorar soll er die rund 20-köpfige Gruppe Juden in der Kanalisation der Stadt verstecken und mit Lebensmitteln versorgen.
Weiß Gott ist Agnieszka Holland - 1989 bereits für ihr Drehbuch zu Hitlerjunge Salomon oscarnominiert - nicht die Erste, die dem Kinopublikum vor Augen führt, dass es in dieser menschenverachtenden Zeit auch selbstlose Helden gab. Nur ist ihr Poldek, wie die Hauptfigur zumeist gerufen wird, zunächst weder selbstlos noch ein Held. Nicht Mitgefühl, nicht Idealismus treibt ihn an, sondern die schnöde Aussicht auf ein gutes Geschäft. Dass in ihm ein grundanständiger, aufopfernder Kerl steckt, weiß das Publikum lange, bevor Leopold Socha es weiß. Und ihm selbst ist diese Erkenntnis eigentlich egal.
Unauffällig und unaufdringlich geht die Entwicklung der Hauptfigur vonstatten. Vor allem, weil Agnieszka Holland sich nicht nur auf die Mühen und Risiken konzentriert, die der Retter auf sich nimmt. Vielmehr beschäftigte sie die Frage, wie es sich anfühlt, in einer mehr oder weniger zufällig zusammengestellten Gruppe monatelang auf engstem Raum zu leben. Bei unerträglichem Gestank, in Angst und Dunkelheit. Sie zeigt Alltag unter extremen Bedingungen - inklusive Lust, Langeweile, Verrat, Humor, Trauer, Liebe, Wut und Kinderstreitereien um Buntstifte. Diese ungewohnten Einblicke sind es, die In Darkness zu etwas Größerem als einer Heldengeschichte werden lassen. Weil sie die Opfer des Naziterrors nicht bloß pauschal als Opfer darstellen - sondern als Menschen.
In Darkness bekommt 4 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Annekatrin Liebisch)