Bewertung: 5 / 5
Diesmal fange ich mal schäbig und cheezy an: Ein altes Indianersprichwort lautet: "Urteile nicht über einen Mann bevor Du nicht einen Monat lang in seinen Mokassins gegangen bist."
Mit diesen Worten leite ich meine Filmkritik zum Film King Kong ein, gleich aber dahin schielend, den Film aus rassisitischer Sicht zu besprechen, und dann auch mal einen kleinen Kreuzvergleich mit bekannten Werken der Filmgeschichte zu ziehen. Wird jetzt also ein bißchen sperrig, lang, möglicherweise unbequem und für manche über das Ziel hinaus schiessend. Aber Rassismus ist so eine Sache: Jeder nimmt sie anders wahr, aber wenn sich jemand davon betroffen sieht, dann ist da im Prinzip eigentlich schon was dran - egal was die gutgläubige Mehrheit dann abwiegelt. Denn der der diskriminiert wird, ist derjenige, dessen Schuhe die Mehrheit eben nicht anhat. Wenn Du einmal am Flughafen rausgepickt wirst, ist das Zufallsprinzip, wenn du jedes Mal derjenige bist, der rausgepickt wird, dann ist es kein Zufall mehr, die drumherum sehen nicht, dass du dieses Erlebnis schon 50 Mal hattest und wundern sich über deinen Verdruss und halten dich für einen Hysteriker.
Bekanntermassen spielt Fay Wray die Hauptrolle in diesem Film. In den 1930ern und lange darüber hinaus war sie legendär in den Klatschspalten als männerverschlingendes nimmersattes Partyluder. Sie war nur zweite Wahl, nachdem Jean Harlow abgesagt hatte. Gerüchten zu Folge konnte sie für die Rolle mit folgenden mehr als nur doppeldeutig auslegbaren Worten geködert werden: "You will have the tallest, darkest leading man in Hollywood!"
1. Zum Film:
Die Story ist hinlänglich bekannt: Eine Crew landet auf einer abgelegenen Insel, die einzige Frau wird von den Eingeborenen einem wie ein Gott angebeteten Affen geopfert. Dieser verliebt sich in sie und beschützt sie gegen alle möglichen Viecher, die Crew rettet die Frau und nimmt den Affen gefangen und mit nach New York. Dort bricht er aus, greift sich die Frau, steigt auf das Empire State Building und wird von Flugzeugen abgeschossen.
Ziemlich viel Inhalt und aus heutiger Sicht wären das locker drei Stunden Material, wenn nicht gar mehr (Moment Mal, da gibt es ein fast 1:1 Remake von einem gewissen Peter Jackson mit dieser Laufzeit, wow; doch dazu später mehr), aber dieser Film läuft gerade einmal 95 Minuten oder so. Und selbst da muss man sagen, dass quasi 25 Minuten auf Druck der Produzenten rausgeschnitten werden mussten, um auf die maximalen 90 Minuten (damalige Vorgabe) irgendwie zu kommen. Aber selbst diese Entscheidung ist vollkommen okay, denn der Film ist einfach ständig in Bewegung und man würde heute sagen "extrem kinetisch". Ein typischer Blockbuster eben, eine Achterbahnfahrt, die dem Publikum einfach keine Verschnaufpause gönnen will und darf. Der Film ist eine wahrgewordene Jahrmarktsattraktion. Weitere 25 Minuten in dem angeschlagenen Tempo, so interessant es heutiger Sicht ist, hätten den Filmfluss wahrscheinlich schon strapaziert.
Und dabei sind die Filmschaffenden (Der Haupt-Drehbuchautor und der Regisseur, sorry aber ich kann mir nicht alle Namen merken) wirklich extrem innovativ und detailversessen: Zumindest einer von beiden war im 1. Weltkrieg tatsächlich ein Flieger und daher die Idee mit den Fliegern am Ende, also tatsächlich auch was nennen wir es mal autobiografisches. Und zumindest einer von beiden war auch mal in Afrika stationiert oder zumindest dort unterwegs, so dass sie die Afrikaner aus ihrer Kolonialherrenposition heraus so minderwertig gesehen haben. Wie gesagt, das waren andere Zeiten und andere Erziehungen, man kann ihnen daraus selbst heute keinen Strick daraus drehen. Zumal sie die Eingeborenen der Insel im Prinzip genauso darstellen, wie sie damals in etlichen Abenteuerfilmen portraitriert wurden: Eigentlich nur als Kanonenfutter, das zudem auch noch das Publikum einerseits ercshrecken, andererseits belustigen soll. Ihr Hauptaugenmerk lag definitiv nicht auf der rassisitischen Komponente, sondern auf dem Schock-Effekt und dem Unterhalten des Publikums.
[Kurzer Exkurs: Welchen klassischen Regisseur man von diesem "ich-kann-es-nicht-mal-Vorwurf-nennen" definitiv freisprechen kann, ist Alfred Hitchcock. Ausgerechnet dieser alte Lüstling (anderes difiziles Thema) war in seinen Filmen immer darauf bedacht, kulturelle Unterschiede für das Publikum zu erklären und so mit gewissen Vorurteilen aufzuräumen, man denke nur an die Szene in Nordafrika in der Mann der zu viel wusste. Sowas zieht sich bei ihm wie ein roter Faden durch seine Filmografie...]
Zurück zur Filmbesprechung: Interessant an der Darstellung des Affen (Kong) ist hierbei, dass er zum einen extrem rassistisch sexualisiert dargestellt wird: Er ist groß, schwarz, mächtig, aggressiv und geifert der weißen Frau bis in den Tod hinterher. Diese sexuelle Konnotation wird vor allem in der berühmten Entkleidungs- und Schnüffelszene deutlich, wo er ihre Klamotten entreisst, sie befummelt und dann mehrfach an zweien seiner Finger riecht. Na ja wahrscheinlich interpretiere ich da einfach zu viel rein. Es wird immer so dargestellt, dass er was für die weisse Frau empfindet, und obwohl er ja das Monster des Filmes ist, ist er ganz klar derjenige, dem immer mehr die Sympathien des Publikums zufliegen. Das liegt auch daran, dass er zum einen sein Leben mehrfach für die Frau riskiert, zum anderen aber auch, weil er aus seinem natürlichen Biotop gerissen wird und für Show-Zwecke mißbraucht wird. Und egal, wie rassistisch und klischeebeladen die Figur auf den ersten Blick ist, sie wird mit zunehmender Dauer immer humaner und am Ende die humanste Figur. Das liegt auch daran, dass Kong aus einem Gott zu einem Underdog gemacht wird, der eigentlich gar keine Chance hat. Das Publikum bekommt das mit und fiebert mit der Figur mit - so ähnlich wie das sowjetische Publikum in Rocky 4 anfängt Rocky anzufeuern, obwohl er ja der Feind sein soll.
Aber damit nicht genug, die Filmemacher machen also nicht nur einen oberflächlich rassistischen Action-Reisser, der mal ganz nebenbei extrem subversiv die komplette Erwartungshaltung dieses Konzepts unterläuft. Nein, sie machen Kong auch noch zudem zu einer extrem mythisch überhöhten Figur, der während des Filmes (bewußt so von den Machern beabsichtigt) ständig seine Größe ändert, immer der jeweiligen Szene-Anforderung entsprechend. Das macht den Film aber in keinster Weise inkonsistent, sondern überhöht die Figur Kong zu etwas wenig Fassbarem. Zu einem Mythos.
Rein technisch brauchen wir nicht viel zu sagen, Tricktechnisch über jeden Zweifel erhaben und selbst heute noch sehr interessant zu schauen, gibt es trotzdem die eine oder andere Anektode zu erzählen: So ist King Kong der erste Tonfilm überhaupt, bei dem man gleichzeitig in einigen Szenen musikalische Untermalung und Stimmen gleichzeitig hört.
Es gibt schlussendlich zwei Fragen zu beantworten:
1. ist King Kong rassistisch? Ja. ABER er ist nicht überheblich rassistisch oder böswillig rassistisch. Er ist einfach ein Kind seiner Zeit und bedient gewisse Klischees, um einen astreinen Blockbuster zu generieren, der mit zunehmender Dauer eben jene rassistischen Motive geschickt unterläuft und dem weißen Mann und der weißen Frau kein gutes Zeugnis ausstellt.
2. Die (in diesem Fall) wichtigere Frage: ist King Kong ein guter Film? Nein. Er ist ein sehr guter Film. Er ist ein extrem guter Film. Er ist bahnbrechend und er ist legendär.
10 Punkte (wenn ein Film dies wirklich verdient, dann King Kong!)
2. Rassistischer Blockbuster-Vergleich der frühen Kinojahre
a) Tarzan
Ehrlich gesagt lasse ich das hier nicht wirklich für mich gelten, da hier prinzipiell eine ähnliche Story wie in King Kong erzählt (Expeditionsteam und so, und die weiße Frau (Jane) kommt dem Wilden (diesmal Tarzan statt Kong) näher) wird und das Expeditionsteam auch nicht wirklich als die Guten rüberkommen. Dass die Afrikaner so dargestellt werden wie sie werden, liegt wie oben schon beschrieben an der Zeit und der Erwartungshaltung des Publikums jener Zeit. Das zu kritisieren, wäre auch zu kritisieren, dass in den frühen Tom und Jerry Trickfilmen die dicke haushälterin ganz offensichtlich schwarz ist: Es ändert nichts an der Wahrnehmung des Films und schmälert auch nicht die Qualität. Es ist einfach nur ein zeitliches Dokument, das nicht böswillig konzipiert oder konnotiert ist. DAS ist allerdings nur eine Seite der Madaille. Hier im europäischen Raum trifft das zu. ALLERDINGS in den USA, wo ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung eben schwarz ist, wo ganz klar die Rassentrennung ein enormes gesellschaftliches Thema ist (noch immer, da brauchen wir uns nichts vormachen), wo sich eine nicht unbeachtliche Anzahl an Stimmen, von eben genau diesem angegriffen fühlen, da ist es auch ebenso probat zu sagen, dass es sehr wohl eine stark rassistische Komponenete hat, die den Film komplett ruiniert. Das müssen wir so nicht ebenso sehen (wie gesagt, ich liebe den Original Tarzan mit Johnnie Weissmüller fast so sehr wie ich King Kong liebe), aber das kann man würdigen und akzeptieren. Wie gesagt, mein Indianer Zitat von oben, ne ;-)
8 Punkte!
b) Die Geburt einer Nation
Tja, schwieriges Terrain. Das Laufen auf rohen Eiern. ich hatte das Glück, Die Geburt einer Nation tatsächlich sehen zu können. Da war eine Retrospektive auf Bayern 3, welche sich der Stummfilmära verschrieben hatte und filmtechnisch revolutionäre Filme aus der Frühzeit der Blockbuster-Zeit präsentierte (ich glaube das war meistens Sonntags ab 23 Uhr!). In dieser Zeit zeigte der Sender auch den ersten Ben Hur Film (ein Epos von einem Film, das sich vor dem Remake mit Charlton Heston kaum verstecken braucht!) und den General mit Buster Keaton (eine der einflussreichsten Action-Epen aller Zeiten und selbst der neue Mad Max orientiert sich sehr stark an jenem Werk!). Fangen wir mal mit den technischen Elementen an: Was Griffith hier abliefert, ist allererste Sahne (Storyboard, Schnitt, Kamerafahrten, sogar Farbige Elemente (1915 wohlgemerkt), hinzu kommt eine Erzählung, die einfach tatsächlich als Crowdpleaser angesehen werden muss: die Massen werden mobilisiert und mitgenommen. Im Prinzip muss jeder Filmstudent diesen einen Film gesehen haben und ihn kennen. Das ist meine persönliche Meinung - und ich habe dieses Medium nicht studiert - nur um Missverständnissen vorzubeugen.
Aber der Film ist ein beunruhigendes Werk, insofern dass er wirklich bösartig und garstig ist, den schwarzen Mann als bösartig hinstellt, und die weißen Männer als Helden darstellt. Und das auf eine extrem verquere Art und Weise, dass vorne und hinten nichts zusammen passt. Dennoch in seiner verschrobenen Argumentation und Präsentation bedient er die Ängste und Vorurteile einer weißen Gesellschaft, die die schwarze Gemeinschaft unterdrückt, sich dabei im Recht sieht, und ihre Position eben durch solche überbordenden Angst schürenden Werke rechtfertigt.
Die Geburt einer Nation ist ein aggressives, gemeines Werk. Es ist ein Werk, das im Alleingang den bereits toten Kuklux-Clan wieder zum Leben erweckt und eine rechte Bewegung in Gang setzt, die bis heute andauert und wahrscheinlich noch nicht einmal ihren Höhepunkt erreicht hat. Griffith - ein Pionier und technsich gesehen einer der wichtigsten Filmschaffenden aller Zeiten - erschafft hier ein Monster von einem Film, das ihm jedoch auch schon zu Lebzeiten als rassistisch und geschichtsverfälschend vorgeworfen wurde. Griffiths nächster Film Intolernace kam dann 1916 heraus und hatte eine extrem pazifistische Grundhaltung und prangerte Intoleranz in jeglicher Form an. Jener Film ist filmhistorisch betrachtet zwar weniger bekannt, da weniger kontrovers, aber dafür filmtechnisch sogar noch eine Schippe besser als die Geburt einer Nation, und wird gemeinhin als seine Art der Entschuldigung für Geburt einer Nation gewertet. Aber es gibt auch nicht wenige Stimmen, die sagen, dass Griffith mit dem Titel Intolerance darauf anspielte, dass die heuchlerische Presse einfach seinem ach so ehrlichen Film gegenüber Intolerant war, und dass er weiterhin der Meinung war, dass die Geburt einer Nation die Wahrheit wiedergäbe.
Wie auch immer, sehr zweischneidiges Ding, da eine eindeutige Wertung zu geben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Filmhistorisch, tricktechnisch sicherlich 10 Punkte, inhaltlich irgendwas um 1-2 Punkte, und das deshalb, weil hier nicht einfach stumpf eine rassistische Geschichte erzählt wird, sondern die Story wirklich perfide aufgebaut ist und das wirklich seine Qualitäten hat.
[Weiterer kurzer Exkurs: Boah, ekelt mich das gerade an!]
3. Kurz noch zu Peter Jacksons King Kong
Nach dem überragenden Erfolg der HdR-Trilogie hat Peter Jackson freie Hand und Carte Blanche für sein nächstes Projekt. Er sucht sich ein 1:1 Remake des Überklassikers King Kong aus 1933 aus. Er nimmt sich die ausufernde Zeit von drei Stunden, um dem Film endlich auch die ruhigen Momente zu gönne, die der Film in seinen Augen wohl braucht und baut einige Szenen wieder mit ein, die es dmals nicht in den Kinocut geschafft haben. Um dem rassistisch problematischen Element des Originals zu entweichen, verlagert Jackson seine Story einfach in die Südsee weit weg von Afrika und domestiziert den sexuell aggressiven schwarzen Mann im Gorillakostüm zu einem Riesenbaby in Riesenaffengestalt. So weit so gut. Kann man so stehen lassen? Ja, kann man!
Man kann aber genauso gut sagen: Die Eingeborenen sind immer noch schwarz (angemalt), immer noch irgendwie unheimlich und das alles wirkt nach wie vor irgendwie rassistisch. Der Weiße Mann ist hier deutlich dem Schwarzen Mann überlegen und der einzige Punkt, wo der schwarze Mann dem weißen überlegen sein könnte (Das körperliche, was auch das sexuelle beinhaltet) wird dafür einfach mal entfernt, im Extremfall der Gorilla wird kastriert! Stattdessen darf er Schlittschuhlaufen lernen (wo ist der Augenrollemoji, wenn man ihn braucht?).
Natürlich ist das sehr weit hergeholt, und dürfte nicht die Intention von peter Jackson sein, der ja extra den handlungsort aus Afrika weg verlagert, um ja keine rassistischen Fallstricke zu erleben.
Doch das Problem, dass ich damit habe, ist dass ich eben doch die Geburt einer Nation kenne, ich weiß, dass Peter Jacksons Bildsprache sehr stark davon geprägt ist, vor allem immer dann wenn Gandalff ins Bild geritten kommt mit seinem leuchtenden Stab. Dass die schwarzen Figuren in seinen Filmen irgendwie rassistisch anmutenden Karikaturen sind. Sowohl bei Herr der Ringe als auch bei King Kong kann man auch die Vorlage für verantwortlich machen. Aber gewisse Entscheidungen bezgl. der Inszenierung und optischen Aufbereitung trifft er dann doch selbst. Dass das keine rassistische Konnotation haben soll, sondern einfach bombastisch aussieht und daher benutzt wird, geschenkt, aber ein Restzweifel bleibt dann doch bestehen. Vor allem, wenn man damit selbst häufiger konfrontiert ist, ist man dann sensibilisierter dafür als einer, der einfach nur einen Bombastfilm sehen will.
Alles schön und gut.
5 Punkte, da dem Original in meinen Augen nichts hinzufügend, sondern sogar irgendwie mindernd. Klar, hier steckt Jackson alles rein und der Film ist mehr als solide, aber den Vergleich kann er einfach nicht standhalten.
So noch einmal die Wertung für das Original:
10