Bewertung: 2.5 / 5
Mission Impossible Dead Reckoning Teil I – Filmkritik
Bei der Niederschrift dieser Kritik läuft „Mission Impossible DR1“ seit über einem Monat in den Kinos, und er tut sich sichtlich schwer. Ende August 2023 beläuft sich sein Einspielergebnis gerade einmal auf ca. 541,6 Millionen Dollar. Davon ausgehend, dass vom heimischen US-Markt 55 Prozent, vom internationalen 43 Prozent und vom chinesischen Markt lediglich 25 Prozent der Einnahmen bei den Produktionsstudios landen, muss das Studio angesichts des fast 400 Millionen Dollar teuren Produktions- und Marketingbudgets derzeit einen ungefähren Verlust von über 146 Millionen Dollar verkraften. Das ist schmerzhaft. Um überhaupt den Break-even-Point zu erreichen, müsste „Dead Reckoning Teil 1“ meinen Berechnungen zufolge mindestens 870 Millionen Dollar weltweit einspielen. Dass es dazu nicht kommen wird und stattdessen von einem veritablen Flop gesprochen werden muss, ist inzwischen klar. Aber warum ist das so? Ich mache mich an einen Erklärungsversuch…
Trailer zu Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins
Ich erkenne drei Kernprobleme dieses Films und ein weiteres übergeordnetes Phänomen:
1) Der Film ist viel zu lang
2) Die Handlung ist viel zu kompliziert
3) Die Action ist “over the top”
4) Das Franchise is “over the top”
Zunächst zu Punkt 1, der Länge des Films: Während der erste Teil aus dem Jahr 1996 noch 110 Minuten kurz war, die Teile 2 und 3 etwas über 120 Minuten dauerten, und die Teile 4 und 5 (also Ghost Protocol und Rogue Nation) etwas über 130 Minuten liefen, begann der Regisseur es mit dem sechsten Teil (Fallout aus dem Jahr 2018) bereits zu übertreiben. Mit 147 Minuten setzte er – was die Filmlänge betraf – bereits einen Rekord. Doch der aktuelle Film ist nochmals um 16 Minuten länger und dauert inzwischen ermüdende 163 Minuten. In den zwei Stunden und 43 Minuten kam es mir häufig so vor, dass der Regisseur dem Film durchaus mehr Knackigkeit hätten verpassen können, indem er ganze Erzählpassagen weggelassen hätte. Das hätte diesen Streifen besser gemacht. Eindeutig. Natürlich gibt es Filme, die eine längere Laufzeit verdienen und diese sogar brauchen, aber „Dead Reckoning Teil 1“ gehört definitiv nicht dazu. Wenn die einzelnen Sequenzen auch größtenteils knackig inszeniert sind, so ist das alles in allem trotzdem viel zu lang geraten. Eine lange Laufzeit verbessert einen Film nicht unbedingt. Hier hätte eine um mindestens dreißig Minuten kürzere Laufzeit dem Film sehr gut getan. Dann wäre er schlicht knackiger und schmissiger geraten.
Ein kurzes Rechenbeispiel möchte ich einfügen: Bei ca. 400 Millionen Gesamtkosten kostet der Film also inklusive der Marketingkosten fast 2,5 Millionen Dollar pro Minute. Was hätte er gekostet, wenn er statt 163 nur 120 Minuten lang gewesen wäre? Ein einfacher – sicherlich nicht hundertprozentig korrekter – Dreisatz verdeutlicht, dass die Kosten um ca. 100 Millionen Dollar geringer gewesen wären. Der Break-Even-Point läge dann bei ca. 660 Millionen, ein Einspielergebnis, der gegebenenfalls sogar noch erreicht werden kann, auf jeden Fall aber das Minus reduziert hätte, das er jetzt gerade aufbaut. Fazit: Die zu lange Laufzeit macht die Filme gleichzeitig zu teuer, was ihre Rentabilität beschneidet. Außerdem verbessert eine lange Laufzeit den Film nicht automatisch. In diesem Fall behindert sie das Sehvergnügen. Eine um 30 Prozent längere Laufzeit erhöht das Einspielergebnis nicht in demselben Maß, falls sie das überhaupt tut.
Nun zu Punkt 2: der Film ist viel zu kompliziert und unübersichtlich. Die Handlungsbeschreibung dieses Films auf Wikipedia erstreckt sich auf fast zwei ausgedruckte DIN A 4-Seiten. Diese Handlungsbeschreibung lässt sich kaum kürzer zusammenfassen. Ich kann es dem geneigten Leser nicht zumuten, alle für die Geschichte relevanten Sachverhalte zu erläutern. So viel sei jedoch gesagt. Die Geschichte reiht eine wilde Actionszene an die nächste, ein aufregendes Setting weicht dem nächsten. Unterbrochen wird dies häufig von getragenen Expositionsdialogen der Darsteller, die dem Zuschauer immer wieder erklären müssen, was gerade Phase ist, wer wo steht und warum der nächste Schritt so erfolgen muss, wie wir es später sehen werden. Wir werden als Zuschauer also quasi immer auf die kommenden Szenen vorbereitet, damit wir uns nicht in Fragen und Verständnislosigkeit verlieren. Folgen kann man der Handlung trotzdem nur schwerlich. Viele Filmkritiken, die ich gesehen und gelesen habe, kamen zu dem Urteil, dass das letztlich ja auch nicht wichtig sei. Ich sehe das entschieden anders. Wenn Du der Geschichte inhaltlich nicht oder kaum folgen kannst, dann können die Actionszenen noch so gut sein. Du wirst Dich verloren fühlen. Und genauso fühlte ich mich: beeindruckt von den starken Bildern und der gut inszenierten Action, aber letztlich alleingelassen, weil ich kaum verstand, wer wer ist, wer gerade wen jagt und wer was von wem will. Zwischenzeitlich fragte ich mich, ob ich als einziger zu doof bin der Handlung eines Actionfilms zu folgen, aber zu meiner Erleichterung durfte ich nach der Kinovorstellung feststellen, dass es keineswegs nur mir so ergangen war. Und das zeigte mir, dass es eben nicht ausreicht immer einfallsreichere, gigantische und sich immer weiter überbietende Actionszenen zu präsentieren. Die Filmemacher müssen dies mit einer nachvollziehbaren Geschichte verweben. Aber genau das tut „Dead Reckoning Teil 1“ nicht. Die Geschichte mag durchaus komplex (was diese hier zweifellos ist) und deswegen durchaus anspruchsvoll sein. Aber sie muss verstanden werden. Und genau das gewährleistet der Film nicht. Wenn beispielsweise Luther Stickell in weiten Teilen des Films nur dazu genutzt wird uns zu erklären, was wir zu denken, zu empfinden und zu fürchten haben, damit wir die Filmhandlung überhaupt erst verstehen, dann läuft etwas gehörig schief.
Nun zum dritten Punkt: Die Action ist „over the top“! Drei Beispiele möchte ich herauspicken, Szenen, die aus meiner Sicht dazu beitrugen, dass ich dachte, das alles sei zu viel des Guten. Zum einen ist da die Verfolgungsjagd, bei der Grace – gespielt von der wundervollen, charismatischen, bildhübschen und vor Charme sprühenden Hayley Atwell – und Ethan Hunt in Rom vor irgendwelchen Häschern fliehen müssen. Sie tun dies in einem kleinen Elektro-Fiat. Die Idee ist witzig, die Actionszene aber solche zu lang geraten. Nach einiger Zeit bringt die Länge dieses Actionkapitels keinen erzählerischen Mehrwert mehr. Da hilft es auch nicht, dass die Filmemacher versuchten noch zusätzliche Spannung in die Szene zu bringen, indem die Handgelenke der beiden Hauptfiguren aneinander gekettet sind, woraufhin sie zusätzlich noch die halsbrecherischsten Verrenkungen machen müssen, um das durch die Gassen Roms donnernde Vehikel in die richtigen Bahnen zu lenken. Das war letztlich nicht besonders spannend, denn so etwas haben wir 26 Jahre zuvor schon in einem Bondfilm (Der Morgen stirbt nie) gesehen. Zum Schluss steht der gelbe Fiat dann zu allem Überfluss auch noch quer auf einem Schienengleis und droht von einem Schnellzug erfasst zu werden. In letzter Sekunde – wie könnte es anders sein – entkommt Hunt der Gefahrensituation, um dann festzustellen, dass seine überaus geschickte Mitstreiterin verschwunden ist. Wie sie verschwunden ist, wird uns unbefriedigender Weise nicht erzählt. Diese Verfolgungsjagd ist gut inszenierter Action-Radau, von dem man aber nicht erkennt, wohin er den Protagonisten letztlich führt. Die Szene wirkt so, als sei sie im Film, weil sie eben geil ist und nicht, weil sie die Geschichte maßgeblich vorantreibt. Diese Actionszene hätte so auch in einem der drei Vorgängerfilme stattfinden können.
Zweites Beispiel: Der bereits aus den Trailern bekannte Sprung von Tom Cruise mit einem Motorrad von einer Klippe, um dann mit einem Fallschirm auf einem Zug zu landen, ist das beste Beispiel dafür, dass der Zuschauer merkt, dass man sich erst den Stunt ausgedacht hat, um diesen dann anschließend ziemlich hanebüchen in die Geschichte hineinzuschreiben. Die Herleitung zu diesem Stunt ist lächerlich. Das ist erzählerisch nicht gut gelöst, weil es viel zu schnell geht und viel zu beiläufig – ja, höhepunktlos - erzählt wird. Wäre dieser Stunt hingegen der einzige Actionhöhepunkt gewesen, auf den der gesamte Film über eineinhalb Stunden hinarbeitet (weil beispielsweise die Helden nur auf diese Weise in den Zug gelangen können), dann hätte die Szene wahrscheinlich die erhofften Wow-Effekte ausgelöst. So aber verkommt dieser Stunt nur zu einer weiteren von unzählig vielen Actionnummern des Films.
Drittes Beispiel: Gegen Ende des Films kommt es auf dem Dach eines Zuges zu einem Kampf zwischen Ethan und dem Bösewicht Gabriel. Auch diese Szenen haben wir schon diverse Male gesehen, wieder in einem Bondfilm (die machten das sogar schon schon vor vierzig Jahren, siehe Octopssy aus dem Jahr 1983) und just ein paar Tage zuvor in dem Indiana Jones-Film „Das Rad des Schicksals“. Das wirkte leider nicht neu, sondern in erster Linie geklaut.
Nun zitiere ich die Handlungsbeschreibung auf Wikipedia:
„Gabriel, der zuvor die Lokführer getötet und die Bremsen des Zuges zerstört hat, springt vom Zug und sprengt eine vorausliegende Eisenbahnbrücke, auf die der Zug zusteuert. Ethan und Grace können daraufhin gemeinsam die Lokomotive abkoppeln, fliehen aus den nacheinander abstürzenden Zugwaggons Richtung Zugende, drohen aber selbst mit den Wagen in den Abgrund zu fallen.“
Das ist wieder einer der Szenen, die schlicht und einfach zu viel des Guten aufbietet. Offenbar reicht ein abstürzender Waggon nicht, es müssen gleich mehrere sein. Als wäre die Gemengelage nicht schon bedrohlich genug, lodert in einem der Waggons darüber hinaus ein sich gefährlich ausbreitendes Feuer der Bordküche, und in einem anderen Waggon droht zusätzlich noch ein Klavier auf die beiden Helden zu stürzen. Ich nenne das eine Verschachtelung von Actionszenen, also Actionszenen innerhalb von Actionszenen. Das alles ist zu viel! Das ist dramaturgisch irgendwann nicht mehr packend, sondern überladen und erzählerisch schleppend, so gut die Szenen für sich genommen auch inszeniert sein mögen.
Viertens: Das Franchise ist over the top! Ist die Zeit der Franchises vorbei? Fest steht, dass es Filmreihen in der Vergangenheit oft nicht guttat, wenn ein und derselbe Regisseur zu viele Teile einer Filmreihe inszenierte. Als sehr gutes Beispiel dient hier aus meiner Sicht die James Bond-Reihe. Regisseur Lewis Gilbert inszenierte ingesamt drei Bondfilme, zuletzt „Moonraker“ aus dem Jahr 1979. „Moonraker“ war ein spaßiger Film, der seinen Vorgänger in allen Belangen toppen sollte. Ob das gelang, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass man der Reihe nach diesem Megaerfolg einen neuen Regisseur verordnete. Der neue Regisseur John Glen inszenierte daraufhin 1981 einen ganz andersartigen Film, der auf übertriebene Gadgets verzichtete und viel mehr Bodenständigkeit zum Ausdruck brachte. Allgemein wird dieser erste Film (In tödlicher Mission) des Regisseurs John Glen gefeiert. Doch dann machten die Produzenten einen schweren Fehler. Weitere vier Bondfilme inszenierte John Glen anschließend, und es wurde unverkennbar, dass der Reihe irgendwann der Drive, das Neue, ja schlicht neue Impulse fehlten. Und auch der Mission-Impossible-Reihe merke ich an, dass der mittlerweile dritte Film des Regisseurs Christopher McQuarrie zwar überaus routiniert inszeniert ist und er sich hinsichtlich der Actionszenen wieder einmal selbst zu übertreffen versucht, dass es ihm jedoch an entscheidenden Impulsen fehlt, die dem Zuschauer das Gefühl vermitteln: JA, DAS muss ich sehen. Ehrlich muss der Zuschauer diesen Film hier nicht sehen. Denn er ist eine Kopie seiner zwei vorherigen Machwerke „Rogue Nation“ und „Fallout“. Bösewichter und Sidekicks mögen gewechselt haben, der Aufbau ist aber vollkommen identisch. Da in den beiden vorherigen Erzählungen die Handlung auch schon vergleichsweise wirr war, ist dieser dritte Teil eigentlich nur noch eine Aneinanderreihung von bombastischen Actionszenen, die es mit ihrer extremen Action-in-Action-Verschachtelung vollkommen übertreiben. Was sollen die Zuschauer vom kommenden Teil – Dead Reckoning Teil 2 – noch erwarten? Noch mehr Action-Bombast? Mein Fazit lautet: Vier Filme eines Regisseurs innerhalb einer Filmreihe sind zuviel. Neuer Wind hätte bereits diesen Teil umwehen müssen. Auch wenn Christopher McQuarrie hier eine andere Bildsprache testet und die Schauspieler fast immer aus einer tieferen Position ins Kamerabild nimmt (was ich persönlich als nervig empfand), so ist dieser Film dennoch ein 1:1-Abziehbild der vorherigen zwei Filme.
Zu guter Letzt glaube ich, dass die Zuschauer grundsätzlich nach etwas Neuem dürsten. Nach neuen Geschichten, nach Abwechslung. Die eindrucksvollen Einspielergebnisse sowohl von „Barbie“ als auch von „Oppenheimer“ und die vernichtend schlechten Ergebnisse der Franchise-Giganten von DC und Marvel - „Shazam 2“, „The Flash“, „Black Adam“, „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ und neuerdings „Blue Beetle“- zeigen das deutlich. Die zuletzt immer schwächer werdenden Einspielergebnisse der Furious-Reihe stützen meine Einschätzung zusätzlich. Irgendwann is et och mal jut, es sei denn, man haucht der Reihe neues Leben ein. Das hat Tom Cruise als Produzent der Reihe aber leider verpasst.
Schulnote: 3-