Bewertung: 3.5 / 5
Kaum ein Regisseur war in den letzten 25 Jahren für so viele historische Blockbuster verantwortlich wie Ridley Scott. Für sein neuestes Werk Napoleon kommt es zu Reunion mit Joaquin Phoenix, mit dem er schon bei Gladiator erfolgreich zusammenarbeitete. Ob ihr neuestes Werk ähnlich Eindruck hinterlassen wird wie ihre erste Zusammenarbeit?
Napoleon Kritik
Frankreich. Armee. Josephine. Dies waren Napoleons angeblich letzte Worte und sie bestimmten sein Leben. Der Film bietet eine eigenständige und persönliche Perspektive auf Napoleons (Joaquin Phoenix) Anfänge und seinen schnellen Aufstieg zum Kaiser, betrachtet aus dem Blickwinkel seiner von emotionaler Abhängigkeit geprägten, unbeständigen Beziehung zu seiner Frau und einzig wahren Liebe Josephine (Vanessa Kirby). Der Film erzählt von Napoleons berühmten Schlachten, seinem unerbittlichen Ehrgeiz und seinen erstaunlichen Fähigkeiten als Stratege, Anführer und Kriegsvisionär.
Trailer zu Napoleon
Auf eine Sache kann man sich bei einem Film von Ridley Scott immer verlassen, nämlich, dass er optisch hervorragend aussieht. Scott besitzt eine Bildsprache, die immer beeindruckt, selbst in seinen nicht so gelungenen Filmen kann man sich darauf einigen. Napoleon ist da keine Ausnahme.
Helfen tun die tollen Sets und gelungenen Außenaufnahmen und natürlich sind auch die Schlachten, von denen es mehr als eine gibt, hervorragend in Szene gesetzt. Nie wirkt etwas wirklich künstlich und schon gar nicht überladen mit CGI. Wenn während der Schlachten Soldaten auf Pferden aufeinander losrennen, dann ist der Aufwand, der hinter diesem Dreh steckt, deutlich zu sehen. Allein dafür lohnt sich der Gang ins Kino.
Was man nicht erwarten darf, ist ein historisch akkurater Film. Napoleon ist keine Dokumentation, die sich streng an die historischen Vorlagen hält, sondern in erster Linie ein unterhaltsamer Film, der sich einige Freiheiten nimmt. So müsste Napoleon zu Beginn des Films erst um die 20 Jahre alt sein, Phoenix in der Rolle wirkt jedoch um einiges älter und dies ist nur eine optische Kleinigkeit im Vergleich zu manchen weiteren Ungereimtheiten.
Doch wer damit kein Problem hat, wird seinen Spaß haben. Denn mit Napoleon ist Scott ein toller Film gelungen, der trotz seiner Länge zu keiner Zeit langweilig ist. Die Inszenierung ist hervorragend und ein Zeugnis vom Können des Großmeisters. Von Anfang bis Ende zieht der Film einen in seinen Bann und wir hätten am Ende sogar gerne noch locker eine Stunde dran gehangen.
In der titelgebenden Hauptrolle brilliert Joaquin Phoenix. Sein Schauspiel ist hier etwas dezenter als im Vergleich zu seinen Auftritten in Joker oder aber auch Gladiator und dadurch wohl auch weniger einprägsam. Aber erneut kann er zeigen, was für eine tolle Leinwandpräsenz er besitzt.
Nicht weniger Präsenz besitzt Vanessa Kirby als seine ewige Liebe Josephine. In so mancher Szene vermag sie es gar, Phoenix zu überstrahlen. Jedoch kam sie, gerade in Anbetracht ihrer Wichtigkeit, gefühlt etwas zu kurz. Und hier kommen wir zum größten Problem des Films.
Mit 158 Minuten ist Napoleon nicht gerade kurz und es kommt wahrlich nicht oft vor, dass man nach einem so langen Film im Kino hinterher sich wünschen würde, dass der Film sogar noch länger gewesen wäre. Doch genau dies trifft hier zu. Mit der Hauptgrund ist, dass vieles im Film gefühlt zu kurz kommt und man zum Beispiel von Napoleons Feldzug in Ägypten gerne noch mehr gesehen hätte.
Napoleon fokussiert sich auf vor allem drei Aspekte: Napoleons Beziehung zu Josephine, sein politischer Aufstieg zum Kaiser und seine strategischen Fähigkeiten auf den Schlachtfeldern Europas. Jedoch hat man auch hier das Gefühl, dass alles ein wenig zu kurz kommt und manches gar nur abgehackt behandelt wird.
Tatsächlich wirkt die Kinoversion wie die Kurzfassung des eigentlichen Films. Die Stationen Napoleons werden wie eine Checkliste abgearbeitet, was teilweise fehlt sind die Übergänge. Auch die Geschichte von Josephine wirkt für die Kinoversion gekürzt und man kann sehr gut erahnen, wo Szenen geschnitten oder ganz herausgenommen wurden. Dies spürt man auch bei einigen weiteren Figuren. Teilweise sind sie irgendwann ohne Erklärung einfach weg oder tauchen wie aus dem Nichts ohne Erklärung einfach wieder auf.
Scott arbeitet aktuell noch an der 250-Minuten langen Version von Napoleon, die später auf AppleTV+ veröffentlicht werden soll. Nachdem wir die Kinoversion gesehen haben, freuen wir uns jetzt noch umso mehr auf diese längere Version.
Fazit
Klasse Bilder, tolles Schauspiel, großes Kino. Napoleon ist ein richtig guter Film geworden. Ein Film, bei dem es Spaß macht, ihn einfach nur zu sehen. Zumindest in seiner kürzeren Kinoversion kommt er jedoch nicht ganz an Werke wie Gladiator heran, ist aber auch nicht so weit davon entfernt.
Warum vergeben wir nur 3,5 Hüte? Die Vielzahl an historischen Ungenauigkeiten müssen wir kritisch mit in die Bewertung einfließen lassen, obwohl sie nicht den Spaß am Film mindern. Wenngleich wir aber sonst sehr überzeugt von Napoleon waren, so halten wir uns mit der Bewertung noch etwas zurück, da wir das Gefühl haben, erst die Hälfte gesehen zu haben und der Film in der Langfassung seine wahre Größe erst noch entfalten wird. Die Tendenz geht eindeutig Richtung 4 oder gar 4,5 Hüten.
Wir würden euch trotzdem raten, nicht erst auf die Langfassung zu warten, sondern jetzt ins Kino zu gehen. Denn Napoleon ist genau die Art von Film, die man auf der großen Leinwand sehen sollte. Ridley Scott erschafft Bilder, die gemacht sind für großes Kino. Und hinterher hat man einfach Lust auf mehr. Mehr von Napoleon und mehr von solch einfach gut gemachten Filme, wie man sie leider nur noch selten bekommt.
Wiederschauwert: 90 %