In einem kargen Tal in Kalifornien betreibt die Haywood Familie ihre kleine Ranch, „Haywood Hollywood Horses“ trainiert Pferde für Filmproduktionen, und das wohl seit Generationen. Eines Tages geschieht das undenkbare, der Vater Otis Sr. wird vor den Augen seines Sohnes Otis Jr. („OJ“, Daniel Kaluuya) von einer vom Himmel fallenden Münze tödlich getroffen. Der mysteriöse Vorfall wird auf ein Flugzeug geschoben und nicht weiterverfolgt, aber einige Monate später kämpft OJ darum, die Ranch finanziell über Wasser zu halten. Mit den Gigs bei Filmproduktionen läuft es nicht gut, und weder der sozial eher scheue OJ noch seine sehr extrovertierte Schwester Emerald („Em“, Keke Palmer) kriegen das Business wirklich wieder auf die Beine. So schlecht steht es um die Ranch, dass OJ sich gezwungen sieht, einige seiner Pferde an die nahe Western-Attraktion „Jupiter`s Claim“ zu verkaufen. Aber eines Nachts sieht OJ dann etwas, was ihm eine Idee zu schnellem Geld und Ruhm gibt. Leider hat er dabei vergessen, dass er in einem Jordan Peele Film ist, und nicht alles das ist, was es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Misdirect
Trailer zu Nope
Es ist wahrscheinlich keine Übertreibung, dass Peele zu einem den vielversprechendsten Regisseuren der aktuellen Zeit gehört. Er hat erst drei Filme im Petto, und trotzdem steht schon mehr als deutlich „Written/Directed by Jordan Peele“ darauf, als wären sie von Tarantino. Er ist quasi sein eigner Brandname geworden, von dem man packende Horrorfilme mit gesellschaftlichem Kommentar in cleveren Metaphern erwartet. Und bei seinem dritten Film nutzt er diese gewonnene Narrenfreiheit, um die Erwartungen zu unterwandern. Nope funktioniert, typisch, auf mehreren Ebenen, aber Peele führt uns auch ein wenig in die Irre. Das charmante dabei allerdings: der Film funktioniert, wenn man will, als ganz einfacher Blockbuster mit hohem Spannungs- und Unterhaltungspotenzial. Vordergründig haben wir hier einen Western/SciFi/Horror Hybriden, der dann aber (mehr dazu später) eben auch als Kommentar zu genau diesen Genres dient die, nicht umsonst, typischerweise nicht mit Schauwerten geizen. Einen Teil seiner Spannung zieht der Film dabei aber auch aus ein paar falschen Fährten, zunächst einmal scheint es, als würde Peele uns mit dem Kommentar zum namenlosen Schwarzen Jockey wieder einmal in die Thematik von Get out lenken. Das ist aber gar nicht das Kernthema des Filmes, der tatsächlich zweimal das Genre wechselt, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten.
Spektakel
Das eigentliche Kernthema des Filmes wird uns allerdings gleich am Anfang vor die Nase gehalten. Wer einen Bibelvers als Intro verwendet, dem könnte man Ambitionen unterstellen, und so arbeitet sich Peele auch hart am Thema des Spektakels und unserem problematischen Umgang damit ab. Dass er das ganze einfach einmal in einen scheinbaren Blockbuster packt, nimmt man als Freund des Subversiven natürlich gerne mit. In diesem Kontext machen auch die Flashbacks zu der gescheiterten Show mit dem Affen „Gordy“ nicht nur Sinn, sondern sind auch essenziell. Die Schlüsselszene, die sich des Themas annimmt, ist dann wohl auch die, in der Ricky "Jupe" Park (Steven Yeun), der Besitzer von „Jupiter’s Claim“ und ehemaliger Kinderstar aus genannter Show, den Vorfall beschreibt, durch den diese dann abgesetzt wurde. Er beschreibt den Vorfall nicht aus der Eigenperspektive, sondern benutzt einen SNL Scatch zu dem Vorfall, um ihn zu beschreiben. Hier schnappt Peele geschickt gleich zwei Bälle in der Luft auf: zum einen eben, wie wir ein Trauma verklären. Zum anderen, wie wir auch aus Tragödien wieder Schauwerte machen (vielleicht sind beide Punkte auch verzahnt…). „Jupe“ wird hier zum zentralen Charakter, weil er auch noch die völlig falschen Schlüsse aus dem Erlebten gezogen zu haben scheint, nämlich dass er in der Lage ist, ähnliche Situationen zu kontrollieren. Und um diesen Punkt mit seiner Kritik am Spektakel noch zu unterstreichen, greift Peele nochmal in die Trickkiste. Der ganze Film hat mehr als eine Anspielung oder Referenz zu zwei von Spielbergs wichtigsten Filmen, Der weiße Hai und Unheimliche Begegnung der dritten Art. Eines der Stilmittel bei Spielberg ist wohl sein berühmtes „Spielberg Face“, wenn seine Charaktere zu etwas, naja, spektakulärem hochblicken. Das tun die Charaktere in Nope auch, aber hier ist es eher der blanke Schrecken, den man in den Gesichtern bald sieht.
Exploitation
Was machen wir mit etwas spektakulärem? Na, am besten Geld draus. Nahtlos knüpft sich das Thema der Ausbeutung im Film an das Spektakel an. Der genannte „Jupe“ ist hier gleich zweimal präsent, auch vor allem spielt der Haupthandlungsstrang in diese Richtung. Was auch immer da in den Wolken ist, OJ und Em wollen es. Abgelichtet und/oder irgendwie zum zur Schau stellen, am besten gleich bei Oprah. In einer weiteren Schlüsselszene, die allerdings (bewusst) ganz klein gehalten wird, thematisiert das der Charakter Angel sogar direkt und spricht an, dass man doch hier wohl hoffentlich etwas Höheres anstrebt oder verfolgt. Das wird dann natürlich gleich unter den Teppich fallen gelassen, denn am Ende geht es eben nur um den Ruhm. Und dementsprechend hat das Ende auch eine bittersüße Note, wenn das Monster dann endlich abgebildet wird, aber eben auch dadurch getötet und geschändet wird .
Medien
Nope ist wahrscheinlich auch der beste Blockbuster für die TicToc Generation. Überall Kameras, bereit dann doch den einen interessanten Moment zu erwischen. „What’s the matter? Don’t you want to be on TV?” fragt der fliegende TMZ Reporter, dessen Hirnwindungen sich nur um Aufnahmen zu drehen scheinen. In seinem bescheuerten silbernen Anzug sieht er aus wie ein personifizierter Spiegel der Mediengesellschaft, und ist gleichzeitig der ultimative Trigger für das gejagte Tier, wie in einer Szene am Anfang etabliert . Dass sich das „UFO“ in einer wörtlichen „Cloud“ versteckt und wie ein Auge aussieht, gibt natürlich Ambivalenz/Metapher Bonuspunkte.
The perfect shot
Dass die Bilder sich bei den Themen des Filmes einreihen, sollte jetzt nicht wundern. Peele greift hier tatsächlich auf seinen ersten Film Get out zurück. Hier wurde das Blitzlicht der Handykamera ja zur Metapher, dass man die Bilderkonstruktion der „Weißen“ Gesellschaft durchbrechen musste. Nope geht aber einen anderen Weg, hier geht es eher um die Besessenheit, die perfekte Aufnahme zu machen. Der Kameramann Antlers Holst (großartig: Michael Wincott) spielt hier die zentrale Rolle, und sein Charakter geht dann auch den entsprechenden Weg (das ist allerdings auch der einzige Teil, wo ich dem Film so etwas wie Plumpheit unterstellen würde).
Weniger thematisch als eher technisch möchte ich hier übrigens nochmal hervorheben, wie fantastisch der Film vom Sounddesign und der Inszenierung gemacht ist. Peele hat fraglos Spielberg studiert, und nutzt ambivalenten Sound und die „Stille vor dem Sturm“ um effektiv Spannung zu generieren. Diverse Sequenzen (die Kamerafahrt zu „Gordy“) zeigen ebenfalls, dass er weiß, dass es oft effektiver ist, weniger zu zeigen, und echter Horror sich eben aus der eigenen Fantasie ergibt.
Nope
Jetzt habe ich gar nicht über die Charaktere usw. geschrieben. Ist auch fein, diese funktionieren im Zusammenspiel gut, und Peele hat sich auch seinen typischen schwarzen Humor beibehalten (die angeblich erste „fist bomb“ endet mit einer echten Explosion, um mal eine böse Stelle zu nennen). Aber vielleicht spreche ich einfach nochmal den seltsamen Verweigerungstitel des Filmes an. 100% einordnen lässt sich dieser nicht (mein Take…), aber man sollte ihn sich bei seiner Erwartungshaltung durchaus zu Herzen nehmen. Nope ist nicht so (als Blockbuster aber gerade so) straight forward wie die beiden Titel davor. Nicht das, was man vielleicht sieht oder erwartet. Und für mich hat der Film auch stark davon profitiert, ihn ein zweites Mal zu sehen. Das Ergebnis ist ausgesprochen vielschichtig, was man auch (Musikauswahl war bei Peele immer wichtig) an einem zentralen Musikstück ausmachen kann. „Sunglasses at night“ ist sowohl ein peppiger Song, deutet in genau der Szene, wo er spielt vielleicht auch einfach darauf hin, dass man das „UFO“ eben nicht direkt ansehen kann, und wird auch gerne interpretiert als ein Song über jemanden, der sich gerne besonders „Tough“ gibt. Unterhaltung und Ambivalenz, das kann er, der Peele.