
Bewertung: 2.5 / 5
Der englische Adel im 18. Jahrhundert. England befindet sich im Krieg mit Frankreich. Die kranke Königin Anne (Olivia Colman) ist nicht in der Lage das Land zu regieren und daher liegt die Verantwortung über den Staat in den Händen der vertrauten Lady Sarah (Rachel Weisz). Sie versucht zu regieren, Annes Gesundheit unter Kontrolle zu bringen und auch deren Launen zu ertragen. Denn Anne ist impulsiv und unberechenbar. Eines Tages tritt Sarahs Cousine Abigail (Emma Stone) an den Hof. Sie hat ihren Adelstitel verloren und soll nun als neues Dienstmädchen niedere Arbeiten verrichten. Doch die Königin bemerkt bald, daß Abigail viel zu bieten hat, während auch Abigail versucht in der Gunst der Königin zu steigen. Etwas, was Sarah missfällt. Es kommt zu einem erbitterteren Spiel um Gunst und Macht am Hof.
Über die Bedeutung und Einordnung des Adels wird in der heutigen Gesellschaft ja nach wie vor gestritten. Ob das blaue Blut und all diese, nun sagen wir mal, historischen Schwierigkeiten nicht eigentlich anders betrachtet gehören, kann man aber allerdings auch sehr gut streiten. Dann gibt es also die Lager, die zum einen große Bewunderer der Adligen sind und sich etwa über ihren Lebensstandard und ihr modisches Know-How erfreuen und die anderen, die darin eher die Profiteure einer gewissen Ausbeutungs- und Unterdrückungskultur sehen. Insofern ist das also ein heikles Thema, was nicht zuletzt im Populär-Film, wie auch im Märchen seit Jahrhunderten immer wieder in ein positives Licht gerückt wird. Man muss dazu sagen, daß solche Märchen natürlich aus einer Epoche stammen, in der es extrem schwierig war ein schlechtes Wort über den Adel zu verlieren, wenn man nicht sonderlich erpicht darauf war, den eigenen Kopf zu verlieren. Im Kostümfilm hat der Adel also definitiv seinen Platz und diese sehr seichte, historische Aufarbeitung ist natürlich auch wichtig, um zu verstehen, warum man das auch anders sehen kann. Da kommt so eine absurde Komödie wie The Favourite – Intrigen und Irrsinn natürlich nur gerade recht und arbeitet sich an Königin Anne Stuart und ihrem Hof ab. So weit, so gut.
Trailer zu The Favourite - Intrigen und Irrsinn
Besonders subtil geht Yórgos Lánthimos in seinem Hofstaat-Spiel jedenfalls nicht vor. Man beobachtet interessanterweise drei Damen, von denen zwei nach Macht streben und eine sie hat. Das ist natürlich in Zeiten, in denen Game of Thrones (2011 bis 2019) die Welt dominierte, ein recht vielversprechendes Konzept. Wobei man feststellen muss, daß Lánthimos Niveau mit dem er scheinbar angetreten war, nicht gänzlich halten kann. Denn dafür verliert sich der Film gerade nach dem Anfang doch recht schnell in einer Dauerschleife aus Macht, Sex, Intrigen und skurrilen Bildern. Man muss keinen zweistündigen Film darüber machen, wie prolig und absurd zu Teilen der Adel. Man muss auch keinen zweistündigen Film darüber machen, um die Irrungen und Wirrungen, ja gar, die schiere, weltfremde Misanthropie des Adels zu sehen. Im Garten bei schönem Wetter und Ruhe wird dann über Krieg und Frieden debattiert. Ganz nebensächlich, fast schon zum guten Ton gehört es sich für den britischen Adel, sich mit den Franzosen zu bekriegen. Das hat ja eine gewisse Historie um es mal vorsichtig auszudrücken. Und während man von der Gewalt dort eigentlich nichts mitbekommt, ist natürlich klar, daß solche Urteile die Welt verändern und tausende von Leben kosten werden. Insofern gelingt hier die Übertragung in die Gegenwart schon ganz gut. Denn auch heute werden Kriege sop entscheiden und so geführt. Als wäre das nichts, was irgendeine moralische Überlegung bräuchte. Nein, daß ist kühl, rational und einfach.
Allen voran möchte The Favourite – Intrigen und Irrsinn auch ein Actors-Piece sein. Wenn wir mal ehrlich sind, dann sind die Ideen hinter dem Film ja auch nicht sonderlich originell. Eine entpervertierte und dekadente Gesellschaft, daß prägte in diesem Zusammenhang auch einige Jahre zuvor Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012). Und dort kann man auch deutliche Parallelen entdecken, denn natürlich ist die Mode durchaus ähnlich absurd. Klar, daß ist der Epoche geschuldet und interessant ist ja zudem noch, daß man hier eine Umkehr erlebt. Heißt also, daß vor allem viel Make-up und Perücken eher ein Ding für Männer ist, während Frauen sehr natürlich wirken. Ob darin allerdings eine große Erkenntnis liegt, oder doch eher ein Klischee umgedreht wird, will ich mal nicht weiter ausführen. Tatsächlich funktioniert das auf anderen Ebenen. Wie gesagt, daß Schauspiel. Wenn Lánthimos sein Ensemble um Emma Stone, Olivia Colman, Rachel Weisz und Nicholas Hoult in Szene setzt, dann sind alle herrlich überdreht. Man erinnert sich fast an einen Baz Luhrmann-Film. Auch die Kameraführung und das Spiel mit Perspektiven erinnern mitunter daran. Insgesamt möchte Lánthimos wohl darauf hinaus, daß sich seit jenen Tagen relativ wenig in der wohlhabenden Gesellschaft getan hat. Daß man seinen Tag mit scheinbaren Banalitäten zubringt, während irgendwo anders noch Kriege und Mord mitentscheiden werden. Daß ist vielleicht das Bitterste am gesamten Film.
Ein weiteres Zeitphänomen spielt dabei natürlich auch die Rolle der Frau. Besonders Abigail, aber auch die anderen Damen stehen hier in einem deutlichen Abhängigkeitsverhältnis. Mal von Launen, mal von Macht. Wenngleich Männer auch kaum zentral eine Rolle spielen, so erkennt man besonders im lüsternen Treiben von Samuel Masham dort auch eine weitere Parallele zum Thema MeToo. Das geht zwar nicht aufs Ganze, überzeugt aber dadurch, daß es durchaus mit dem gleichzusetzen ist, was wir heute erleben. Daher hat The Favourite – Intrigen und Irrsinn auch weiterhin kein Problem, sich selbst zu erklären und in diesen Tagen zu legitimieren. Denn immerhin ist fast alles so auch auf die heutige Zeit übertragbar. Gleichzeitig lässt der Blick in die Vergangenheit aufhorchen, warum man sich als Mensch oder als Zivilisation kaum weiterentwickelt hat. Der Film ist dahingehend schon sehr einleuchtend.
Im gesamten ist The Favourite – Intrigen und Irrsinn schon sehr unzugänglich. Etwas wild, manchmal zu artifiziell und künstlich aufgeblasen. Das kostet den Zuschauer zurecht Nerven, ist aber durch sein beeindruckendes Schauspiel zumindest ansehbar geworden. Allen voran die Darstellung der Figurendynamik gelingt hier perfekt als Übertragung auf Jetztzeit.
