Bewertung: 4 / 5
In ihrem neuen Film Und morgen die ganze Welt erzählt Julia von Heinz die Geschichte der jungen Studentin Luisa, die sich in der linken Kommune ihrer besten Freundin engagiert und sich im Kampf gegen die rechte Szene immer stärker radikalisiert. Ein mitreißender Film von hoher Relevanz, der die Frage nach der Rechtfertigung von Gewalt und demokratischem Widerstand packend inszeniert.
Julia von Heinz packt mit ihrem neuen Film ein hochaktuelles gesellschaftliches Thema an. Gleichzeitig gelingt auch ein reflektierender Blick zurück in eine deutsche Geschichte, die immer geprägt war von dem Prinzip einer Auseinandersetzung zwischen demokratischen und anti-demokratischen Kräften. Die Desillusionierung einer vorangegangenen Generation, die ihren Kampf bereits aufgegeben hat, hat auch Einfluss auf die Figur der Luisa, die Mala Emde mit beeindruckender Ausdruckskraft spielt und die völlig zurecht mit dem Bisato d´Oro als beste Darstellerin in Venedig ausgezeichnet wurde.
Trailer zu Und morgen die ganze Welt
Die packend inszenierte Story fesselt mit einem sehr sicheren Gespür für Timing fast wie in einem Thriller, immer wieder gibt es dialogstarke Sequenzen (Co-Drehbuchautor John Quester), in denen gesellschaftliche Themen verhandelt werden, und das stark zusammenspielende Ensemble, allen voran neben Emde Noah Saavedra und Tonio Schneider als Alfa und Lenor, die für verschiedene Ansichten innerhalb des linken Spektrums stehen, kann sämtliche Konflikte glaubhaft verkörpern.
Die Kamera von Daniela Knapp ist nah bei Luisa, ihre innere Zerrissenheit schafft die Verbindung zum Publikum. Die Frage, wie weit man in seinem Kampf gegen antidemokratische Kräfte gehen darf, lässt von Heinz unbeantwortet stehen. Stattdessen kommt sie immer wieder auf einen Satz des Grundgesetzes (§20, Abs.3) zurück, der da heißt: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." Dieser Absatz wird zu einem starken zentralen Motiv, wenn er in einer Szene im Hörsaal von Studenten diskutiert wird oder einfach als Kommentar über den eindrucksvollen Bildern steht.
Und morgen die ganze Welt ist ein Film, der viel Platz für einen ausführlichen Diskurs bietet - auch nach dem Kinobesuch.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung