++ Update vom 16.12.2019: Auch der Drehbuchautor von Der Fall Richard Jewell, Billy Ray (Captain Phillips), findet überaus deutliche Worte. Dieser Film drehe sich um einen Helden, dessen Leben durch vom FBI und von den Medien - speziell der Atlanta Journal-Constitution - geschaffenen Mythen vollständig zerstört worden sei, beginnt er. Die AJC habe Richard Jewell in aller Öffentlichkeit gehängt. Man habe wild seine eigenen Meinungen vertreten, Annahmen als Fakten abgedruckt und ihn mit dem bekannten Massenmörder Wayne Williams verglichen - und das, nachdem er Hunderte von Leben gerettet hatte.
23 später komme jetzt ein Film daher, eine perfekte Gelegenheit für die AJC, um für das Buße zu tun, was man Jewell angetan habe und die eigenen Missetaten einzugestehen. Und was tue man? Man starte eine Ablenkungskampagne, verzerre das Bild und konzentriere sich auf eine einzelne Minute in einem 129 Minuten langen Film, um lieber eine Behauptung darin anzufechten, als die eigene Rolle bei der Zerstörung des Lebens eines guten Mannes zu akzeptieren. Der Film handele nicht von Kathy Scruggs - er handele vom Heldenmut des Richard Jewell und von der Hetze gegen ihn, davon, was überstürzte Berichterstattung einem unschuldigen Mann antun könne. Und übrigens, so Ray: Er werde zu jedem Wort und jeder Behauptung im Drehbuch stehen.
++ Update vom 13.12.2019: Olivia Wilde schildert auf Twitter ihre eigene Sicht auf ihre Rolle in Der Fall Richard Jewell und stellt einiges klar. Unten der Anfang ihres Tweetstorms, von da aus kann man sich weiterhangeln.
++ News vom 13.12.2019: Heute kommt Der Fall Richard Jewell in die US-Kinos (in unsere erst am 19. März 2020), worauf ein Making-of, eine Featurette und ein Clip mit Kathy Bates, die die einzige Golden-Globe-Nominierung des Films für sich verbuchen kann, einstimmen. Warner Bros. und Regisseur Clint Eastwood haben derzeit aber ganz andere Sorgen, denn sie sehen sich seitens der größten Tageszeitung im Großraum Atlanta mit Diffamierungsvorwürfen konfrontiert. The Atlanta Journal-Constitution droht ihnen mit einer Klage wegen Rufschädigung.
"Der Fall Richard Jewell" Trailer 1 (dt.)
In einem explosiven Schreiben, das Anwalt Marty Singer Warner Bros. und Eastwood im Namen der Atlanta Journal-Constitution geschickt hat, heißt es, es sei höchst ironisch, dass ein Film, der vorgebe, eine tragische Geschichte darüber zu erzählen, wie der Ruf eines FBI-Tatverdächtigen schwer befleckt worden sei, darauf aus zu sein scheine, den Ruf der AJC, einer Zeitung mit einem geachteten 150 Jahre alten Verlagserbe, massiv zu beschmutzen. Der Fall Richard Jewell stelle die AJC und ihr Personal fälschlicherweise als außergewöhnlich rücksichtslos dar, so, als nutze man unprofessionelle, unangemessene Berichterstattungsmethoden und ignoriere vorsätzlich Informationen, die nicht mit der geplanten Berichterstattung zu vereinbaren seien.
All dies ist nur die Eskalation dessen, was sich schon angebahnt hatte. Seit der Weltpremiere des Films beim AFI Festival beharrte AJC-Chefredakteur Kevin Riley in öffentlichen Statements und früheren Briefen darauf, dass zentrale Fakten falsch wiedergegeben würden. Insbesondere soll AJC-Reporterin Kathy Scruggs (gespielt von Olivia Wilde) nie Sex für einen Hinweis eines FBI-Agenten (Jon Hamm) zur Story des Wachmanns Richard Jewell (Paul Walter Hauser) eingetauscht haben, wie es im Film wohl recht unmissverständlich angedeutet wird. Diese Story fand in der Presse und Öffentlichkeit breite Beachtung: Jewell half vor dem Bombenanschlag bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta mit, Hunderte Zivilisten aus der Gefahrenzone zu bringen, nachdem er die Bombe entdeckt hatte. Doch innerhalb weniger Tage wurde er vom gefeierten Helden zum Hauptverdächtigen des FBI - zu Unrecht, wie sich herausstellte.
Man fordere Warner Bros. hiermit auf, umgehend in einem öffentlichen Statement einzugestehen, dass einige der Ereignisse im Film zu dramatischen Zwecken erfunden worden seien und dass man sich bei der Darstellung der Ereignisse und Charaktere künstlerische Freiheiten herausgenommen habe, geht das Schreiben weiter. Darüber hinaus fordere man, dem Film einem entsprechenden Disclaimer hinzuzufügen. Tja, nur soll Der Fall Richard Jewell solch einen Disclaimer am Ende immer schon gehabt haben, wie Warner Bros. kontert. Er lautet: "Der Film basiert auf wahren historischen Ereignisse. Dialoge und bestimmte Ereignisse und Charaktere, die im Film enthalten sind, wurden zum Zwecke der Dramatisierung erschaffen."
Überhaupt schießt das Studio vehement zurück. Der Film beruhe auf einem breiten Spektrum höchst glaubwürdigen Quellenmaterials, hält man den Vorwürfen entgegen. Es sei unbestritten, dass Jewell ein unschuldiger Mann gewesen sei, dessen Ruf und Leben durch einen Justizirrtum zerfetzt worden seien. Es sei bedauerlich und die ultimative Ironie, dass die Atlanta Journal-Constitution, an der Vorvorurteilung Jewells beteiligt gewesen sei, nun versuche, die Filmemacher und den Cast zu verleumden. Der Fall Richard Jewell konzentriere sich auf das wahre Opfer und strebe danach, seine Geschichte zu erzählen, seine Unschuld zu bestätigen und seinen Namen wiederherzustellen. Die AJC-Behauptungen seien haltlos, und man werde sich energisch dagegen wehren. Wenn das mal nicht vor Gericht endet...
One of the things I love about directing is the ability to control the voice and message of the film. As an actor, it’s more complicated, and I want to share my perspective on my role in the film “Richard Jewell”.
— olivia wilde (@oliviawilde) 12. Dezember 2019