Netflix hat mit Ausgabe 2 auch die letzten drei Episoden der dritten Staffel veröffentlicht, womit der Abschied von Henry Cavill jetzt vollständig ist. Konnten die letzten Episoden noch einmal überzeugen? Konnten sie noch einiges herausreißen, nachdem uns Ausgabe 1 schon nicht wirklich überzeugen konnte? War es ein würdiger Abschied von Cavill?
"The Witcher" Season 3 Ausgabe 2 (dt.)
Im Grunde könnten wir jetzt vieles, was wir bereits in unserer Review zu Ausgabe 1 geschrieben haben, schlicht noch einmal wiederholen. Der damalige Eindruck hat sich leider verfestigt und von einer Verbesserung in diesen letzten Folgen kann man kaum reden. Man muss es leider so direkt sagen: The Witcher hat sich im Verlauf der jetzt drei Staffeln zu einer großen Enttäuschung entwickelt. Diese Serie spielt bei weitem nicht in der Liga mit, in der Netflix sie sicherlich zu Beginn gesehen hat.
Üblicherweise würden wir hier jetzt eine Review schreiben, aber da sicher einige erst gewartet haben, bis alle Episoden veröffentlicht sind, um sich Staffel 3 anzusehen, gehen wir dieses Mal nicht zu sehr auf inhaltliche Dinge ein, sondern konzentrieren uns mehr auf die Serie an sich. Und warum es Review nennen, wenn ein anderer Name wesentlich passender ist.
Abrechnung
Wir haben sie jetzt also gesehen, die letzten Szenen mit Henry Cavill als Geralt von Riva, der Hauptfigur der Serie The Witcher. Zumindest sollte er die Hauptfigur sein, immerhin ist er der titelgebende Witcher. Doch ist er es wirklich? Im Verlauf der Serie gerät man darüber doch in Zweifel. Zu oft stehen andere Figuren im Fokus. Und das ist nicht immer etwas Schlechtes, doch es geschieht hier in den drei Staffeln so oft, dass für die eigentliche Hauptfigur kaum Platz zu sein scheint und sie fast in den Hintergrund gedrängt wird. Dass man zudem einen charismatischen Henry Cavill in der Hauptrolle hat, macht dieses Vorgehen nur noch weniger nachvollziehbar. Man sabotiert sich hier schlichtweg selbst, in dem man das Beste an der Serie viel zu wenig einsetzt.
Dies wird auch in den letzten drei verbleibenden Episoden wieder mehr als deutlich. In der sechsten spielt Geralt, trotz einer gelungenen Kampfeinlage, erneut nur eine Nebenrolle, da es hier hauptsächlich um den Kampf der Zauberinnen um Aretusa geht. In der siebten Episode kommt Geralt fast gar nicht vor, da diese Episode sich hauptsächlich um Ciri dreht. Und auch in der achten und letzten Episode hat Geralt, bis auf die letzten Minuten, nicht wirklich viel zu tun.
Es ist wie gesagt nicht verkehrt, auch mal andere Figuren und Handlungsstränge in den Mittelpunkt zu rücken, doch sollte man dabei nie den Fokus auf die eigentliche Hauptfigur verlieren.
Auch sonst können die letzten drei Episoden genauso wenig überzeugen wie die ersten fünf dieser Staffel. Wir haben es in der letzten Review bereits geschrieben und müssen uns hier leider wiederholen: Das große Problem war und ist einfach das Drehbuch. Die Handlung ist einfach viel zu wirr und chaotisch erzählt und man versäumt es ständig, dem Zuschauer ein Gefühl für das zu geben, was da eigentlich gerade vorfällt. Oft fragt man sich: Wo sind wir gerade eigentlich? Wer war das jetzt nochmal? Sollte ich wissen, dass diese Figur so handelt und böse ist? Und warum war das jetzt von großer Bedeutung? Viele andere Serien bekommen es wesentlich besser hin, den Zuschauer an die Hand zu nehmen. Hier jedoch fühlt man sich die meiste Zeit einfach komplett verloren.
Es hilft dabei auch nicht, dass es auch in Ausgabe 2 wieder Szenen gibt, die einfach nur schwer nachvollziehbar sind bzw. einfach keinen Sinn zu ergeben scheinen. So tut Ciri etwas am Ende der sechsten Episode und sucht einen Ort auf, wobei man nie genau erklärt bekommt, warum sie jetzt eigentlich genau dort hingegangen ist.
Was die allgemeine Qualität von The Witcher betrifft, so zeigt sich auch hier in der dritten Staffel ein geteiltes Bild, welches sich nur schwer erklären lässt. Die Sets zum Beispiel sehen toll aus, alles in dieser Welt wirkt hochwertig. Auch die Drehorte können sich sehen lassen, teils gibt es schöne Landschaftsaufnahmen und auch die Inszenierung ist nicht immer schlecht. Zudem überzeugt die Kampf-Choreografie. Wenn Geralt zum Schwert greift, ist das nahezu immer ein Highlight.
Eigentlich klingt dies so, als würde The Witcher in derselben Liga spielen wie ein Game of Thrones oder House of the Dragon, doch das tut es leider bei weitem nicht, obwohl es das vermutlich könnte. Die Zutaten sind alle vorhanden, das nötige Potenzial liegt in jedem Fall vor. Doch man kann es einfach nicht richtig umsetzten. Zum einen wegen der wirklich schwachen Drehbücher, aber auch wegen der Inszenierung im Ganzen. Die Kampf-Choreografie ist wie gesagt meist gelungen, die Art, wie diese von der Kamera eingefangen wird, jedoch nicht. Auch die Lichtgestaltung lässt nicht selten auf eine eher zweitklassige Serie schließen. Die Sets beim Drehen sind sicherlich auf einem ähnlichen Niveau wie zum Beispiel bei Game of Thrones, doch sie sehen eben in den fertigen Episoden einfach nicht so gut aus.
Über vieles könnte man sicherlich hinwegsehen, wenn wenigstens die Geschichte überzeugen könnte. Und damit wären wir erneut beim Drehbuch angekommen. Und wir müssen hier einfach mal unseren Frust freien Lauf lassen, denn es ist fast nicht zu verstehen, warum es gerade in diesem Punkt bei The Witcher so qualitative Mängel gibt. Die Macher der Serie haben mit den Romanen von Andrzej Sapkowski und der Videospielreihe von CD Projekt Red immerhin gleich zwei grandiose Vorlagen, an denen man sich bedienen kann.
Und vor allem hier müssen wir einfach The Witcher mit zwei anderen Serien in Vergleich setzten. Zum einen natürlich Game of Thrones, aber auch The Last of Us. Erstere macht natürlich thematisch auch Sinn, es geht uns hier aber viel mehr um die Umsetzung der Geschichte, denn man tat hier etwas sehr Entscheidendes: Man holte den Autor der Buchvorlage mit an Bord, George R.R. Martin. Er war an der Entstehung von Game of Thrones mitbeteiligt und steuerte in den ersten Staffeln sogar eigene Drehbücher für die Serie bei. Erst in den späteren Staffeln zog er sich mehr und mehr zurück, was die Serie dann auch leider qualitativ zu spüren bekam.
Ähnlich verhielt es sich bei der Verfilmung von dem Videospiel The Last of Us. Damit die Geschichte auf die richtige Weise als Serie umgesetzt wird, holte man den Autor des Videospiels, Neil Druckmann, als Showrunner ins Boot, der dann auch zusammen mit dem zweiten Showrunner Craig Mazin gemeinsam die Drehbücher schrieb. Und man spürt der Serie seine Beteiligung in jeder Episode an.
Weder Andrzej Sapkowski noch CD Projekt Red sind an der Serie The Witcher in irgendeiner Weise beteiligt. Und dies merkt man sehr deutlich, und zwar im absolut negativen Sinne. Nicht nur hat man es versäumt, die Leute ins Boot zu holen, die bewiesen haben, dass sie tolle Geschichten in diesem Universum schreiben können, auch hat man es versäumt dafür zu sorgen, dass diese bereits vorhandenen Geschichten für die Serie gut umgesetzt werden. Es ist ein Versagen auf ganzer Linie.
Als bekennender großer Witcher-Fan überrascht es daher nicht, dass Henry Cavill mit der Entwicklung der Serie nicht wirklich einverstanden war. Was genau hinter den Kulissen vorgefallen ist, wissen wir nicht. Was aber längst allgemein bekannt ist, ist, dass er seinen Abschied von der Serie nach drei Staffeln erklärt hat. Bedenkt man, wie viel ihm diese Rolle bedeutet, kann man sich gut denken, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen ist. Was wiederum deutlich macht, wie schlimm es hinter den Kulissen aussehen muss, dass er sich zu diesem Schritt gezwungen sah.
Wir müssen davon ausgehen, dass die Macher sich von ihrem Weg nicht abbringen lassen wollen, auch nicht von einem Henry Cavill, weswegen kaum auszugehen ist, dass sich groß in der kommenden Staffel etwas ändern wird. Und damit hat die Serie sehr wahrscheinlich für ihren eigenen Untergang gesorgt. Denn in einem Punkt sind sich alle einig: Cavill war der absolut richtige für diese Rolle. Er war das Aushängeschild. Das einzige, was The Witcher wirklich sehenswert und interessant gemacht hat. Wir wollen nicht schlecht über Liam Hemsworth reden und natürlich sind wir neugierig auf seinen Geralt. Aber wir müssen auch nicht so tun, als könne er auch nur ansatzweise ein würdiger Ersatz für einen Henry Cavill sein. Der Mann war Superman! Und das nicht nur wegen seines sehr gut trainierten und muskulösen Körpers, sondern wegen dieser unfassbaren Ausstrahlung, die er besitzt. Wegen seines Charismas. Und es ist unbegreiflich, dass Netflix nicht den Wert davon erkannt hat.
Fazit
Diese letzten Episoden konnten so wenig überzeugen wie der Rest der dritten Staffel. The Witcher ist nicht schlecht, bei weitem nicht. Doch bedenkt man die Vorlage und was man für einen Hauptdarsteller zur Verfügung hatte, ist es einfach nur traurig, wie wenig man mit alldem offenbar anzufangen wusste. Netflix hätte hier das nächste Game of Thrones schaffen können oder etwas auf dem Niveau von Foundation, halt eine Serie, die in der obersten Klasse mitspielt. Doch stattdessen begnügte man sich mit Durchschnitt.
Wir brauchen nicht um den heißen Brei herumreden. Natürlich werden einige neugierig darauf sein, Hemsworth als Geralt in Aktion zu sehen. Doch die simple Wahrheit ist, dass für viele Fans die Serie mit diesen letzten Episoden zu Ende ging. Ohne Henry Cavill bietet The Witcher leider kaum noch Argumente, um die Serie weiterzuverfolgen. Die Zuschauerzahlen gingen mit der dritten Staffel bereits zurück und uns fehlt jede Fantasie dafür, warum eine vierte Staffel erfolgreich sein sollte. Schade, es wäre so schön gewesen.