Bewertung: 4 / 5
Der britische Autor Rudyard Kipling hat sich zu Lebzeiten wohl nie ausgemalt, welche Faszination sein Roman Das Dschungelbuch eines Tages auf Menschen jedes Alters ausüben würde und dass im Jahr 2016 fast jeder wenigstens vom Wolfsjungen Mowgli gehört hat (auch wenn die Geschichtensammlung deutlich umfangreicher ist). Diese Bekanntheit beruht dabei zu großen Teilen auf Disneys Trickfilm Das Dschungelbuch aus dem Jahr 1967, welcher ein zeitloses Meisterwerk ist und noch heute Jung und Alt erfreut. Fast 50 Jahre später setzte sich Disney erneut an diese Geschichte und präsentiert sie in einem modernen Gewand.
Als kleiner Junge wird Mowgli (Neel Sethi) von Bagheera, dem Panther, im indischen Dschungel gefunden und zu Akelas Wolfsrudel gebracht. Dort wird Mowgli liebevoll aufgenommen und fortan als Wolf großgezogen. Doch eines Tages kehrt nach langer Abwesenheit der Tiger Shir Khan in den Dschungel zurück und ihn verlangt es - angetrieben von seinem Hass auf Menschen - Mowgli zu töten. So wird ein schwerer Entschluss gefasst: Mowgli muss den Dschungel verlassen und Bagheera soll ihn hinausführen, damit der Junge ein neues Leben bei den Menschen beginnen kann. Ein großes Abenteuer beginnt...
Trailer zu The Jungle Book
The Jungle Book Kritik
Sich an eine neue Adaption von einem so beliebten und markanten Film wie das Das Dschungelbuch zu wagen, ist ein riskantes Unterfangen. Mit Jon Favreau hat Disney aber jemanden hinter die Kamera locken können, der dazu befähigt ist, etwas Spannendes zu schaffen. Man kann ihm tatsächlich ein Kompliment aussprechen, da er sich zunehmend als beeindruckender Regisseur etabliert. Was Favreau an Bildkompositionen zaubert, ist erstaunlich, denn die Mischung aus CGI und realem Mowgli ist hervorragend gelungen. Der Bruch von Real und CGI - der beispielsweise durch die Cartoon-Darstellung in den Warcraft - The Beginning-Trailern entsteht - wird hier komplett vermieden und seit Avatar - Aufbruch nach Pandora hat es keinen Film mehr gegeben, der so glaubwürdig eine digitale Welt erschafft. Aus diesem visuellen Effektgewitter zieht The Jungle Book einen großen Teil seiner Faszination.
Der restliche Spaß entsteht durch die bekannte Geschichte, die um dezente Wendungen und neue Szenen ergänzt wird. Dabei wird immer wieder das Original zitiert, aber einer modernen Neuinterpretation unterworfen. Viele Melodien aus dem Trickfilm sind in unterschiedlich starker Ausprägung auch im Soundtrack von The Jungle Book zu finden, ebenso kamen die Macher nicht drumherum, auch Balus "Probier's mal mit Gemütlichkeit" und King Louies "Ich bin der König im Affenstaat" unterzubringen. Die Nostalgie-Keule wird mit voller Wucht geschwungen, dabei folgt die Geschichte fast immer bekannten Pfaden, wirkt aber durch kleine Abweichungen nie langweilig. Selbst Mowgli bekommt einen etwas anderen Storybogen verpasst, um eine Charakterentwicklung zu ermöglichen. Mit 105 Minuten fühlt sich der Film genau richtig an und auch beim Abspann haben sich Favreau und sein Team etwas Wunderschönes ausgedacht.
Ein wenig bedauerlich ist es dennoch, dass trotz seiner visuellen Raffinesse und der dezenten Abwandlungen der Geschichte Disney zu sehr am Konzept vom Das Dschungelbuch hängenbleibt. Kiplings Werk immer nur auf Mowgli zu reduzieren, ist schade, bietet das Buch darüber hinaus viel mehr Geschichten, die ebenfalls unter diesem Titel veröffentlicht werden und somit etwas Eigenständiges darstellen könnten. Warum immer Mowgli, wenn auch Rikki-Tikki-Tavi, die Weiße Robbe oder Toomai von den Elefanten spannende Geschichten werden könnten? Sicherlich, da schwingt Düsternis mit und so hat sich Disney für die klassische Erzählung entschieden, wohl auch um den Zuschauer nicht mit einer Geschichte zu verwirren, die er nicht diesem Filmtitel in Verbindung bringen würde. So aber muss sich The Jungle Book notgedrungen dem Vergleich mit dem Trickfilm-Original stellen.
Damit stellt sich die Frage, braucht es diesen Film? Gewissermaßen nein, sieht man einmal vom visuellen Standpunkt ab und dass es nur eine logische Neuinterpretation mit heutigen Möglichkeiten ist. Ist der Film besser als das Original? Ebenfalls nein, da er sich mehr leiht als Eigenständiges zu bieten. Er ist aber auch nicht schlechter, das neue The Jungle Book ist einfach anders. Dennoch kamen wir nicht umhin, immer wieder an das Original zu denken, denn die Lieder und vor allem die Synchronisation damals sind einfach in Fleisch und Blut übergegangen, so dass The Jungle Book hier nur verlieren kann. Die neue Synchro ist durchaus gelungen, wobei Armin Rhode als Balu den überzeugendsten Job macht, der Rest liefert sehr solide Arbeit ab. Es liegt aber nicht die gleiche Magie in den Stimmen der Tiere, die uns wie einst ins ferne Indien entführten. Dennoch hat der Film trotz dieser vergleichsweise geringen Mängel und seinem starken CGI-Fokus immer noch richtig viel Herz.
The Jungle Book Bewertung
The Jungle Book ist ein toller und stellenweise atemberaubender Film geworden, der sich aber immer wieder dem Vergleich mit dem Original stellen muss. Mal mehr, mal weniger intensiv wird sich an markanten Punkten beim Trickfilm bedient, Nostalgie erzeugt, um dann der Geschichte dezente Änderungen mit auf den Weg zu geben. The Jungle Book ist ein visuelles Fest und setzt mit seiner düsteren Darstellung etwas andere Akzente. Egal ob man das Original kennt oder nicht kennt, dieser Neuinterpretation sollte man im Kino ruhig eine Chance geben.