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15:17 to Paris

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Eastwood ohne Biss

15:17 to Paris Kritik

15:17 to Paris Kritik
1 Kommentar - 17.02.2018 von Moviejones
Wir haben uns "15:17 to Paris" für euch angeschaut und verraten euch in unserer Kritik, ob sich dieser Film lohnt.
15:17 to Paris

Bewertung: 1.5 / 5

Herr Eastwood, bitte melden Sie sich an der Zentrale! Herr Eastwood...Ihre geistige und körperliche Anwesenheit ist erforderlich! Ehrlich, Freunde, was ist das denn?! Ein Film, der jegliches handwerkliches Geschick vermissen lässt, eine im Vergleich ziemlich banale Story noch banaler umsetzt, die den Zuschauer, von so manchem US-Amerikaner vielleicht abgesehen, fast angewidert zurücklässt. Man bekommt eine kleine Europareise in 15:17 to Paris geschenkt, aber das war es auch schon - und leider ertappt man sich am Ende bei dem Gedanken, dass der inzwischen 87-jährige Regisseur offenbar einiges von seinem Können verloren hat.

15:17 to Paris Kritik

Am 21. August 2015 ereignete sich in einem Thalys-Zug von Amsterdam auf dem Weg nach Paris ein Anschlag. Schlimmeres konnte nur durch den beherzten Einsatz von vier Mitreisenden vereitelt werden. Der Attentäter Ayoub El Khazzani (Ray Corasani) stieg in Brüssel in den Zug und wollte mit zwei Waffen, darunter einem Sturmgewehr, ein Blutbad unter den Reisenden anrichten. Es gelang jedoch einigen Passagieren, sich dem Attentäter zu widersetzen, der daraufhin von drei befreundeten Amerikanern - Spencer Stone, Aleksander Skarlatos und Anthony Sadler - sowie dem britischen Geschäftsmann Christopher Norman überwältigt und festgesetzt werden konnte. Später erhielten die vier Männer den Orden der Ehrenlegion vom damaligen französischen Präsidenten François Hollande überreicht, zudem führte der Anschlag dazu, dass kurze Zeit später deutlich höhere Überwachungsmaßnahmen an französischen Bahnhöfen eingerichtet wurden, sofern man einen Fernzug ins europäische Ausland betreten wollte.

Trailer zu 15:17 to Paris

Soweit, so gut. Eine mehr oder minder spannende Story vor dem Hintergrund der weltweiten Bedrohung durch Islamisten wird zu einem gut 90-minütigen Kinofilm verarbeitet. Leider ist so einiges auf dem Weg zwischen Idee und Umsetzung schiefgelaufen, dass man sich wie etwas süffisant eingeleitet schon fragt, wo eigentlich der Clint Eastwood hin ist, der uns so großartige Filme wie Die Brücken am Fluss oder Million Dollar Baby bescherte.

Beginnen wir mit der Tatsache, dass die echten Jungs, Stone, Skarlatos und Sadler, sich selber spielen, ebenso wie Christopher Norman seine Rolle übernimmt. Und bei allem Verständnis für Authentizität ist dies eine der gröbsten Fehlentscheidungen, die man 15:17 to Paris vorhalten kann. Hölzerne, für weniger nationalistisch geprägte Zuschauer fast tumbe junge Amerikaner, die in die Armee eintreten wollen, "um Menschen zu helfen", gepaart mit typischen Klischees (Maßkrüge in Frankfurt, nichtdeutsche Deutsche und der obligatorische Seitenhieb auf unsere Nazihistorie, der so gar nichts beiträgt) machen den Film zumindest für hiesige Zuschauer zu einem Parforceritt.

Was den Film zudem beinahe unerträglich macht, ist seine Art, mit den Geschehnissen umzugehen. Da wird minutiös in der Vergangenheit dieser jungen Männer gewühlt, werden unverständlich banale Details offengelegt, so dass man staunend rufen möchte, auch aus Einzelkindern mit ADHS kann was werden! Oder was wollen uns die Macher mit diesem langen Vorspiel sagen? Auf der anderen Seite erfährt der Zuschauer nichts, rein gar nichts über den Attentäter. Weder Herkunft noch Antrieb wird wenigstens kurz beleuchtet und das ist bei allem Blick auf die Amerikaner äußerst schwach.

Wobei wir das Wort "Helden" nach 15:17 to Paris eher ungern nutzen. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um Menschen, die in einer Extremsituation unfassbar souverän reagiert haben und denen viel Lob gebührt - auf der anderen Seite zeigt gerade die Reaktion von Spencer Stone, dass auch eine riesige Portion Glück eine Rolle spielte und der Anschlag fast an Ladehemmung scheiterte. Kurz gesagt, der Angreifer war doof und der Ami hatte Glück im Unglück. Deswegen wirkt die Glorifizierung beim Schauen ziemlich überhöht und daran leidet der Film. Nicht umsonst wird auf die belanglose Vorgeschichte so viel Wert gelegt und der Anschlag selbst, dessen Momente teilweise schon während des Films eingeblendet werden, erhält dabei kaum mehr als zehn Minuten Sendezeit. Aufgrund dieser Entscheidung leidet zudem noch die Spannung und wenn schließlich das Attentat in einem Augenblick weggewischt ist, bleibt die Erkenntnis, dass aufgrund verbohrter Islamisten später zwar flott Aktionen folgen, aber all das dennoch immer wieder passieren kann. Denn was helfen flughafenähnliche Kontrollen am Gare du Nord, wenn auf deutschen Bahnhöfen nicht mal ein Fahrkartencheck vorm Einsteigen erfolgt?

Überhaupt wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Film abseits ein, zwei netter Bilder fürs Reiseverkehrsamt Venedig auch weitere Informationen vermittelt hätte, die Route mit Einblendungen konkretisiert oder am Ende auf die Folgen eingegangen wäre. Was wurde aus dem Angreifer? Es wurden Kontrollen eingerichtet, wie eben erwähnt? Was wurde nach der Ehrung aus den Männern, schließlich ist das Ganze um zweieinhalb Jahre her? Der Film lässt es an so viel vermissen und könnte ein etwas besserer Seminarbeitrag eines Filmstudenten sein, nur mit höherem Reisebudget.

Entweder unterliegt 15:17 to Paris einer größeren Bedeutung, die sich uns nicht erschlossen hat, oder wir haben wirklich einen der schlechtesten Kinofilme seit langem gesehen. Eine mies inszenierte Story irgendwo zwischen Doku, Road Trip und Action, mehr kommt hier nicht zusammen. Man beobachtet junge Amis beim Europatrip, doch weder gibt diese Geschichte dem Film etwas mehr Substanz, noch kann man sich für die Protagonisten erwärmen. Naivität und Glück gingen eine segensreiche Verbindung ein, was aber bleibt ist ein alter Regisseur, der die Chance gekommen sah, etwas Heroisches über seine Landsleute zu erzählen und dabei grandios scheiterte.

15:17 to Paris Bewertung
Bewertung des Films
310

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1 Kommentar
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Pantalaimon77 : : Moviejones-Fan
19.04.2018 13:57 Uhr | Editiert am 19.04.2018 - 13:59 Uhr
0
Dabei seit: 08.02.10 | Posts: 128 | Reviews: 1 | Hüte: 5

Bei Eastwood hat vor einigen Jahren ein Gesinnungswandel stattgefunden, den ich nicht mehr nachvollziehen kann. Seit einem knappen Jahrzehnt beschränkt er sich darauf, patriotisch-amerikanische Heldenbiopics mit teils fragwürdigen Protagonisten zu erzählen und reaktionäre Statements zu verbreiten. Dabei hatte er zuvor über 20 Jahre lang intelligente, menschliche und systemkritische Werke geschaffen, die seinen Ruf als ernstzunehmenden und anspruchsvollen Filmemacher zementiert haben. Obwohl ich es einerseits bewundernswert finde, dass dieser hochbetagte Mann noch immer regelmäßig auf dem Regiestuhl Platz nimmt, erscheint es mir so, als würde er sich inzwischen künstlerisch nicht mehr weiterentwickeln.

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