Bewertung: 4 / 5
Wie viele Etiketten mussten sich Leute zwischen Anfang 20 und Ende 30 in den letzten Jahren aufdrücken lassen? Generation Praktikum. Generation Web 2.0. Generation 1000 Euro. Generation Y. Alles interessante Sammelbegriffe - nur finden sich die Betroffenen darin auch wieder? Dietrich Brüggemann, Jahrgang 1976, und seine Schwester Anna, Jahrgang 1981, offenbar nicht: "In meinem Umfeld wurden nicht überdurchschnittlich viele Praktika gemacht, und ich kenne auch niemanden, der vor allem seinen Lebenslauf optimieren will", resümiert der Ältere. "Aber als ich 30 wurde und auf die vergangenen Jahre zurückschaute, da sah ich eine überschaubare Menge an Umzügen." Die Idee zur Komödie 3 Zimmer / Küche / Bad war geboren.
Ein Jahr lang begleitet man die vielen Hauptdarsteller, von denen ständig irgendwer am Kistenpacken zu sein scheint: Thomas (Robert Gwisdek) und Jessica (Alice Dwyer) suchen nach mehreren Jahren Beziehung nun eine gemeinsame Wohnung. Thomas Kumpel Philipp (Jacob Matschenz) zieht demnächst mit Maria ("Tatort"-Jungstar Aylin Tezel) zusammen, obwohl er doch schwer in seine beste Freundin Dina (Anna Brüggemann) verliebt ist. Die bandelt aber lieber mit Frauenheld Michael (Alexander Khuon) an, auf den eigentlich Philipps ältere Schwester Wiebke (Katharina Spiering) scharf war. Und Swantje (Amelie Kiefer), die Jüngste im Bunde, verfolgt vom fernen Stuttgart aus die vielen Wohnungs- und Partnerwechsel.
Auf dem Papier mag diese Personenvielfalt verwirren, im Kino jedoch lässt sich den eng verzahnten Geschichten der befreundeten Figuren unkompliziert folgen. Nicht etwa, weil sie vorhersehbar wären - bei so mancher Wendung klappt schon mal die Kinnlade runter: Die einzelnen Charaktere wirken mit ihren Problemen, Wünschen und Eigenheiten einfach sehr, sehr vertraut.
Ein familiäres Flair wohnt der Deutschpop-durchtränkten Komödie ja von Natur aus inne: Das beginnt damit, dass Dietrich und Anna Brüggemann erneut gemeinsam am Drehbuch schrieben und viele Darsteller schon in ihren vorherigen Projekten Neun Szenen (2006) und Renn, wenn Du kannst (2010) mitwirkten. Der Hauptdarsteller aus Letzterem, Robert Gwisdek, brachte diesmal gar noch seinen Bruder Johannes und seine Mutter Corinna Harfouch für kleinere Rollen mit. Und als i-Tüpfelchen wurden Nebenfiguren im Film nach Crew-Mitgliedern benannt.
Das wirkt schon mal verdammt sympathisch. Doch vor allem ist 3 Zimmer / Küche / Bad unglaublich komisch, auf angenehm unaufdringliche Weise: Herrlich trocken wird da über Beziehungen philosophiert, die Notwendigkeit von Flügeltüren in Frage gestellt und genüsslich jede These über das Wesen der porträtierten Generation seziert. Das Timing stimmt, die Running Gags sitzen, selbst die unvermittelt eingestreuten Slapstick-Einlagen wirken irgendwie intelligent. Und wenn einmal nichts gesagt wird, transportieren kreativ montierte Bilder die feine Ironie.
Lässt sich das Gesehene nun eins zu eins auf die aktuelle Generation übertragen? Ist sie eine große Gruppe Getriebener, eine Generation Umzug? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Aber eigentlich ist es doch egal, wie diese Generation nun heißen mag - so lange sie solche Filme hervorbringt, ist doch alles in bester Ordnung.
3 Zimmer / Küche / Bad bekommt 4 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Annekatrin Liebisch)