Bewertung: 3 / 5
Im Jahr 1910 lässt die wohlhabende Madame Adelaide (Hermione Baddeley) ihre Katzen als Erben für ihr Vermögen eintragen. Ihr Butler Edgar (Roddy Maude-Roxby), der davon ausging, eines Tages selbst zu erben, setzt in der Hoffnung auf viel Geld die Katzenmama Duchesse (Eva Gabor) und ihre Jungen Berlioz (Dean Clark), Marie (Liz English) und Toulouse (Gary Dubin) weit ab von Paris aus. Zufälligerweise treffen sie auf den Straßenkater Thomas OMalley (Phil Harris), der ihnen hilfen will nachhause zu kommen.
Tierschutzorganisationen müssen Disney ja eigentlich lieben. Nirgendwo sonst fand schon relativ früh, eine Vermenschlichung von Wesen statt, deren Intelligenz und Verhalten auch noch heute zu heftigsten Diskussionen innerhalb der jeweiligen Lager führt. Und gerade heute diskutiert man ja, auch völlig zurecht, das Verhalten am Nutztier und Tier im Allgemeinen und nicht nur im Hinblick auf unsere Umwelt. Mit Aristocats schuf Regielegende Wolfgang Reitherman nach Das Dschungelbuch (1967) und davor schon anderen Klassikern, vor allem eines seiner unbedeutenderen Werke. So zumindest die These. Ebenso reiht sich der Film auch in das Spätwerk des Disney-Meisters ein und erzählt eine Geschichte, die eigentlich in ihrem Kern durchaus als typische Disney-Erzählung verstanden werden kann. Nun prägte Reitherman mit seinen Filmen natürlich auch kaum wie ein anderer, daß Bild, daß Disney mit kleineren Ausnahmen auch heute noch zu wahren versucht. Doch auch wenn die Geschichte um erbende Katzen und einen grenzenlosen Butler in ihrer Ausführung aller Maßen charmant anmutet, so fragt man sich auf der anderen Seite eben auch, was man selber getan hätte. Denn eines ist Aristocats sicherlich nicht, nämlich eine Fabel. Und daher ist der Grundgedanke, die Katzen aus dem Weg zu räumen, um ein eventuelles Erbe entgegenzunehmen auch durchaus logisch. Natürlich ist das falsch, doch auch nur, wenn man sich einem ethischen Grundsatz unterwirft.
Die Frage ist ja, ob alles Leben gleichwertig ist, oder ob Tiere, weniger Wert haben als Menschen. Die Frage ist eigentlich ja auch, was der Mensch letzten Endes ist, aber das führt an der Stelle zu weit. Befolgt man also einen umweltethischen oder tierethischen Ansatz, so wird klar, daß der Mensch dem Tier gegenüber eine hohe Verantwortung hat, aber im Kern auch nicht viel wertiger ist, als das minderintelligente Wesen von Tieren. Doch das ist gar nicht mal das größte Dilemma an Aristocats. Denn während natürlich der Konflikt zwischen Mensch und Tier vordergründig eine Rolle spielt, so nehmen die Tiere in diesem Film ja durchaus auch menschliche Züge an. Nicht zuletzt an der Musikergruppe um Swingy kann man das deutlich sehen. Die eigentliche Kernfrage rückt der Film aber gekonnt in den Hintergrund, indem Walt Disneys Abneigung gegen Arbeitnehmer hier erneut zentral für die Geschichte ist. Das konnte man ja durchaus schon in Dumbo (1941), in welchem die Belegschaft des Zirkus davon singt, daß sie ihr hart verdientes Geld ja eh nur versaufen wollten, sehen. Hier ist es tatsächlich sogar noch eine Spur perfider, weil der gesamte Film eigentlich davon berichtet, daß der Tagträumer Thomas OMalley resozialisiert wird. Denn nach einer wunderbaren Einführung, mit einem wirklich beschwingendem Lied, verliebt sich OMalley, wie das eben so ist, in die schöne Duchesse. An der Stelle muss man im Übrigen mal ein großes Lob für das Jahrhunderttalent Edgar Ott brechen, dessen Stimme so einzigartig und freundlich-rau auf diese und andere Charaktere passte.
Dann bekommt man hier den typischen Klassenkampf serviert: Vermeintlich nichtsnutziger Taugenichts gegen kultivierte Schönheit. Nun bleibt, vermutlich auch extrem bewusst, der Charakter von Duchesse sehr blass. Natürlich wird sie Opfer einer Gewalttat, auf der anderen Seite, wird sie zu Beginn als Wesen etabliert, welches einen hohen Stellenwert auf Bildung, aber auch Umgangsformen einer „Dame“ legt. Das ist natürlich Konservatismus in Reinform. An anderer Stelle verliebt sie sich dann auch in diesen Streuner OMalley. Nicht aber unbedingt, weil da so viel Charmantes in diesem Charakter steckt, sondern viel eher, weil der Film es so behauptet. Klar ist das jetzt auch sehr große Pedanterie, die an den Tag gelegt wird. Denn schließlich muss man diesen Filmen auf der anderen Seite auch zugutehalten, daß sie nicht zu lange andauern. Doch stellt man einen Vergleich an, daß der Butler, der sein Leben lang gearbeitet hat, für eine Familie, nicht das Recht hat finanziell aufzusteigen, während Katzen, die ihr Leben lang nicht gearbeitet haben, nun das Vermögen erben, daß im Raum stehen wird. Dann ist klar, daß man hier eine zutiefst fragwürdige Ideologie verfolgt. Daß nun aber grenzenloser Reichtum, über Generationen hinweg schädlich sein kann, dürften alle verstanden haben, die sich mit Verena Bahlsen mal auseinandergesetzt haben. Denn das kann die Folge solcher Dynastien nun mal auch sein. Das heißt also Edgar als Individuum, daß sein Leben lang gearbeitet hat, wird nach dem Ableben der Hausherrin weitergereicht von einer höheren Klasse, zur Nächsten.
Über die ein oder andere rassistische Stereotype gegenüber Asiaten muss man glaube ich an der Stelle nichts mehr sagen. Tatsächlich sind es auch eher die kleinen Momente, die Aristocats irgendwie klangvoll ins Gedächtnis zaubern. Da wäre die bereits erwähnte Etablierung von Thomas OMalley, der singend und tanzend an einem Bach vorbeiläuft. Das hat dann natürlich schon eine gewisse Form von Stil, weil auch das Einsetzen der Blasinstrumente hier sein Übriges tut. Dann wäre die Erkenntnis, daß Katzen furchtbar viel Musik brauchen, zwar keine tiefschürfende, aber dennoch eine, die klangvoll untermalt wird. Auch die Zwischenstopps auf der Reise, so etwa das Treffen von Abigail und Amalia Gabble sind durchaus sehr belustigend. Zu Beginn gibt es weiterhin einen großartigen Auftritt des Anwalts Georges Hautecourt, der so ein wenig sehr vertrottelt durch die Welt streift. Dabei wählt der Film auch ein interessantes Setting, mit dem Paris der 1910er Jahre. Denn dieses ist natürlich augenscheinlich von Kultur durchtränkt, viel eher noch sind es aber die starken Bilder, die hier einfach zu beeindrucken wissen. Da kommen Häuser und Wege eine ganz andere Wirkung, als die das vielleicht heute haben. Natürlich sind die Zeichnungen auch nicht hundertprozentig genau, und dennoch bekommt man hier das Gefühl einen wirklich authentischen Film zu sehen, weil einfach mit sehr viel Stilbewusstsein der Stift angelegt wurde.
Gräbt man nun dann doch nochmal eine Spur tiefer, dann fällt zwar auf, daß es um eine Art Sozialisierung von einer vermeintlichen Unterschicht geht. Doch betrachtet man das Spiel der beiden verliebten Katzen Thomas OMalley und Duchesse genau, dann fällt auf, daß die Charaktere sich hier immer auf Augenhöhe begegnen. Wenn man herkömmliche Culture-Clash-Liebesfilme oder dergleichen betrachtet, dann ist es häufig so, daß gerade eine Seite besonders ihr Fett wegbekommt. Das passiert dann unter dem Deckmantel der ironischen Brechung. Doch bei Aristocats gibt es das nicht. Die Figuren begegnen sich immer auf Augenhöhe, selbst wenn sie eine differente Sozialisierung erfahren haben. So ist es aber auch viel mehr noch Duchesse, die durch die Odyssee mit OMalley lernt, was das Leben für ihn bedeutet. Klar ist das in letzter Instanz dann doch nicht komplett durchdacht, aber der Ansatz der Offenheit genügt hier auch schon.
Ein nostalgischer Blick zurück, in eine Zeit, in der Zeichnungen alleine noch so viel bewirkten. Aristocats ist bedingt durch die zu simple Geschichte und auch das vehemente Ablehnen von sozialem Aufstieg ideologisch nicht unbedenklich, dennoch haben Musik und Charaktere so viel Charme, daß der gesamte Film mit einigen Ideen durchaus den Nerv trifft. Und so wird der Film zu weilen extrem skurril und unterhaltsam.