Bewertung: 3.5 / 5
Spoiler- & Triggerwarnung: Tod, Gewalt
"Avatar: The Way of Water" ist die Rettung des Blockbusterkinos. Denn schaut man sich die erfolgreichsten Filme der letzten Jahre an, ergibt sich ein erschreckendes Bild: Umso ertragreicher das Werk, desto schlechter dessen Filmsprache. Drölf Fortsetzungen des MCU, der nächste ungebrauchte Star Wars-Film, ein weiterer Teil von "Jurassic World". Gefundenes Fressen für die Floplisten des entsprechenden Erscheinungszeitraumes. Natürlich gab es Ausnahmen - "Joker" oder "Top Gun: Maverick", um ein paar zu nennen.
Doch der Ausdruck "Rettung" ist in erster Linie nicht einmal qualitativ gemeint. Nein, er bezieht auf die Ästhetik von "Avatar: The Way of Water": Eine Ästhetik, die das Blockbusterkino endlich wieder aus erschlagender Hässlichkeit erlöst, die all dem monochromen Matsch vieler erfolgreicher Filme die Stirn bietet. Sie allein straft die gedankenlose Gestaltung eines "Avengers: Endgame" oder "Spider-Man: No Way Home" als abscheulich ab und beweist einem "Dune" oder "The Batman", wie wenig Formsprache einfarbige Filme im Vergleich formulieren.
Trailer zu Avatar - The Way of Water
Schließlich gelingt es "Avatar: The Way of Water", mittels unterschiedlicher Kolorierung, die narrative Situation seiner Welt, seiner Figuren, ins Bildliche zu spiegeln. Beginnt er mit dem vielseitigen, konfliktgeladen Festland Pandoras - das auch in der Erzählung für mehrere Konfrontationen herhalten muss -, stellt der Film ebendieses farblich facettenreich dar. Klare Kontraste, polymorphe Primärfarben, bunte Bilder; in Einklang mit der sowohl bedrohlichen als auch beeindruckenden Natur. Deutlich knüpft man damit an Teil 1 an, wenn diesmal der Antagonist den Versuch, ein Reittier zu zähmen, bloß knapp überlebt, um sich anschließend anmutig durch die Lüfte zu schwingen.
Doch ändert sich der Schauplatz, ändert sich die Gestaltung. Kaum sind Jack und seine Familie in Sicherheit, kaum betreten sie eine heile Welt, verschwinden all die Farbkontraste. Denn zu Wasser leben Tiere und Na’vi in friedlicher Gemeinschaft, gibt es keine Bedrohungen, kaum Konflikte. Entsprechend ist der Look weitestgehend homogen, suhlt sich meist in hellem Blau. Auch visuell fehlen somit bewusst die Reibungspunkte, die Widersprüche, welche an Kotrasten entstehen.
Und ganz im Stile der Erzählung verläuft auch, wie der Film ebendieser Einfarbigkeit wieder entkommt: Bröckelt die heile Welt, schleicht sich erneut ein Farbkontrast in den Film. Der Antagonist stört den Frieden, es kommt zu Gewalt. Das Hellblau des Filmes gerät in Widerstreit mit dem Orange von Feuer und Explosionen - Komplementärfarben, wie uns die Farbenlehre zeigt; zwei Seiten, die miteinander in Konflikt stehen. Umso mehr Verluste ihr Kampf bringt, desto mehr füllt sich das Bild mit Rauch, desto dunkler werden die Aufnahmen. Wird Jacks Sohn beerdigt, verlässt der Film das bis dato etablierte Farbspektrum sogar ganz. Die Sicherheit von zuvor zerbricht auch im Visuellen.
Nichtsdestotrotz bleibt die Ausgestaltung von "Avatar: The Way of Water" in jeder Einstellung perfekt. So sind Dialoge mit 24 FPS verbildlicht, Actionszenen hingegen mit einer deutlich höheren Framerate. Wenn Figuren zur Ruhe kommen, beruhigt sich auch das Bild - Motion Grading, künstlerische Freiheit in der Realität gewordenen Zukunft des Kinos. Der Film vereint in dem Sinne die beiden größten Leidenschaften von James Cameron, das Forschen am Medium selbst und das Erkunden von Unterwasserwelten. Und so weiß der Regisseur einmal mehr, Dynamik über Zoomen und Schwenken zu etablieren, statt Szenen hektisch schneiden oder Shots stumpf verwackeln zu müssen. Erneut liegt die Bildmitte stur auf den relevanten Details, wieder zieht der Regisseur seine Kunst vor allem aus der Optik seines Werkes. Zwar entbehrt Teil 2, anders als sein Vorgänger, einer sinnbildlichen Nutzung des Voiceovers, dennoch formuliert auch "Avatar: The Way of Water" die Inszenierung Pandoras als eine Reise seiner Protagonisten. Es geht nicht darum, Charaktere zu schreiben, sondern Zuschauende über sie die Ästhetik eines fremden Planeten erkunden zu lassen. Wieder ein Mensch darunter, der uns von der menschlichen Perspektive entfernt, wieder ein Zirkelschluss hin zu einem völligen Eintauchen in fiktive Welten.
Und diese wird Teil 3, wie bereits angekündigt, um zusätzliche Facetten, neue Elemente ergänzen. Er wird weiterhin zeigen, wie viel Kunst in Spektakel stecken kann, und wohl wieder das beeindruckendste und beste Kinoerlebnis des entsprechenden Jahres werden. James Cameron ist eben Meister seines Faches, ein Meister des Medium Films in seiner reinsten Form.
7 von 10 Enten.