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Before Sunrise

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Before Sunrise Kritik

Before Sunrise Kritik

Before Sunrise Kritik
0 Kommentare - 26.03.2022 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Before Sunrise" ist.

Bewertung: 3.5 / 5

Auf einer Bahnfahrt von Budapest nach Paris lernt der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) die Französin Celine (Julie Delphy) kennen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und haben das Gefühl, mit jemandem zu sprechen, der einen wirklich versteht. Kurzum nutzen sie die Chance spontan nach einem Halt in Wien auszusteigen und verbringen einen Tag gemeinsam in der Hauptstadt, um sich kennenzulernen. Währenddessen sprechen sie über die unterschiedlichsten Themen und philosophieren über die Gesellschaft.

Als die beiden einander kennenlernen, beobachten sie recht schnell die Leute im Zug und sehen ein Paar, welches sich streitet. Es liegt darin vielleicht so etwas wie das Unverständnis dem Gegenüber, was eine Beziehung nun mal ausmacht. Natürlich sind Filme fiktionale Werke, aber mehr noch als alle anderen Kunstwerke sind Filme stark mit unserer subjektiven Realität verbunden, weil sie Gefühle nicht nur hervorrufen, und das Werk zu interpretieren versuchen, sondern weil sie eben auch eine große Bandbreite an Gefühlen und Meinungen repräsentieren, was statischer Kunst vielleicht weniger möglich ist. Das Problem hierbei – um wieder auf Before Sunrise zurückzukommen – liegt eben darin, daß die beiden zwar einerseits kein Paar sind und sich im Verlauf der Geschichte lieben lernen, aber auf der anderen Seite Dingen erschreckend moralisierend und besserwisserisch gegenüberstehen. In manchen Momenten erinnert das so ein wenig an How I Met Your Mother, in welchem das gut betuchte, weiße Patriarchat sich moralisch über jede Form der Liebe stellt, die es gibt und insofern die Allzwecklösung der Monotonie darstellen soll.

Es ist eine absurde Prämisse. Dem kann man sich nicht verschließen. Spräche man im realen Leben im Flugzeug eine Person an und fragte sie, ob sie gerne mit einem irgendwo hinfliegen würde, so wäre man vermutlich schneller aus dem Flugzeug raus, als man es sich ausmalen könnte. Nun darf ein Film uns aber gerne auch die Fiktion präsentieren und man duldet dann durchaus mehr. Schließlich will niemand die Realität sehen und so begibt man sich ja überhaupt erst in Literatur, Kunst und jedwede Form von Unterhaltungsmedien, um eben ein klein wenig Realitätsflucht zu betreiben. Insofern kann man diesen Umstand auch verzeihen. Dann wiederum fängt Richard Linklater in seinem Werk vor allem starke, für sich stehende Bilder ein, die zwar bedingt durch die architektonische Schönheit von Wien auch gar nicht anders können als zu faszinieren. Und dennoch sind des dann vor allem die Figuren, die dem Film so viel Leben einhauchen, wie er eben braucht. Denn Ethan Hawke und Julie Delphy spielen ein unglaublich charmantes Paar, daß zwar eben weit hergeholt ist, aber dennoch durch ihre zurückhaltenden Charakteristika ihrer Figuren punktet. So ist Hawkes Jesse vor allem ein Mann, der so ein wenig vertrottelt wirkt und dennoch dadurch einen Charme zu sich hat. Ohnehin wirken beide Figuren wie Überbleibsel aus der Romantik. Denn auch Celine ist eine Frau, die sich gerne der Vorstellung hingibt, die Wahrhaftigkeit der Liebe zu Endecken.

Dann wiederum kommt es zu den Momenten, die so ein wenig von herkömmlichen Liebesfilmen unterscheiden. Zwar sind durchaus Momente vertreten, in denen die Figuren einander näherkommen, doch Celine und Jesse sind nicht einfach verliebt. Sie lernen Liebe und sie reden viel miteinander. Was den beiden vermutlich in ihrer eigenen Ideologie missfallen dürfte und was auch heutigen Romantikern so ein wenig die Sprache rauben könnte, ist eben der Umstand, daß die Figuren Liebe lernen. Sie lernen sich kennen. Sie reden miteinander und dann verlieben sie sich. Es ist ein Lernprozess, selbst wenn man das nicht gerne hört. Und so macht Richard Linklater auch genau das Richtige, indem er seine Geschichte eben vor allem in Dialogen erzählt. Das mag vielleicht mitunter ab und zu ganz zäh sein, weil man letzten Endes vielleicht keinerlei Erkenntnis draus gewinnt. Auf der anderen Seite ist das auch ehrlich und führt letztlich zu einer erwachsenen Katharsis.

Und da die Figuren nicht nur ihr Gegenüber suchen, sondern auch den Sinn hinter allem, tut die Geschichte gut daran, sich eben die nötige Zeit zu nehmen und auch Wien als Kulisse so undurchdringbar wirken zu lassen. Zwar ist die Stadt von unsagbarer Schönheit untermalt, dennoch ist der Umstand, daß eine Odyssee in einer Großstadt nur das minimalistischste jener zeigt, durchaus ein cleverer Schachzug, weil sie dadurch als Wirkungsstätte surreal und gleichzeitig antagonistisch wirkt. Doch wohin die Figuren eigentlich wollen, bleibt weitestgehend offen. Sie haben jede Möglichkeit, doch finden nicht das, was sie suchen, weil sie eigentlich ohne eine Suche losgezogen sind. Das wirkt dann im Hinblick auf das Finale sogar erstaunlich konsequent, weil die Figuren eben genauso gehen, wie sie gekommen sind. Denn die Figuren begegnen sich zu jedem Zeitpunkt auf Augenhöhe und scheinen sich viel eher in ihrem Intellektualismus zu suhlen, als etwaige Stigmata aufbrechen zu wollen.

Gerade aber auch weil die Geschichte so erwachsen ist, spart der Film ein Happy End nach Hollywood Schema-F aus. Und so ist er auch erstaunlich ehrlich, indem er Jesse als einen verletzten Mann zeichnet, der eigentlich gerade aus einer Beziehung kommt und dann inmitten seines Ausfluges auf eine Frau trifft, die er zwar sehr schätzt, aber auch sexuelle ziemlich anziehend findet. Doch ist der Charakter sich dessen durchaus bewusst und so schwankt er voller Sehnsucht und gleichzeitig der Wahrheit, daß das eigentlich nichts Bedeutendes ist, sondern viel mehr ein Verlangen.

Nachdem Before Sunrise seine gezwungenermaßen seltsame Prämisse überkommen hat, wird der Film zu einem philosophischen Exkurs über die Schönheit der Stadt, die sich im optimistischen Glanz von Wien, mithilfe von zwei großartigen Schauspieler untermauert wird. Es ging, wie es gekommen war und was verbleibt sind starke Dialoge, ehrliche Momente und eine einfache Wahrheit.

Before Sunrise Bewertung
Bewertung des Films
710

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