Bewertung: 3.5 / 5
Die junge Ausreißerin Lydia hat sich auf den falschen Mann eingelassen, das merkt sie spätestens, als sie eine unschuldige Frau umbringen soll, um ihm ihre Liebe zu beweisen. Doch dabei will sie nicht mitmachen, es kommt zum Gerangel bei dem sich, wie in solchen Situationen üblich, ein Schuss löst, der ihren Freund Jonah scheinbar tödlich trifft. Dummerweise war Jonah Teil eines mexikanischen Drogenkartells, das nun auf der Suche nach Lydia ist. Da kann nur Lydias Vater helfen, der Ex-Knacki und Anonyme Alkoholiker John Link. Zusammen machen sich Lydia und John auf einen Road Trip, bei dem John sämtliche Bewährungsauflagen bricht und nebenher noch seine Tochter zum ersten Mal richtig kennenlernt...
Liest man die Inhaltsangabe, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass es sich bei „Blood Father“ um einen Actionstreifen im Fahrwasser von „Taken“ handelt. Gerade mit Mel Gibson in der Hauptrolle, der nun nicht unbedingt für progressive Ansichten bekannt ist, könnte das Ergebnis, gelinde gesagt, problematisch werden. Nun, ganz so einfach kann man es sich mit „Blood Father“ allerdings nicht machen. Vielmehr erweckt der Film den Eindruck, als wollte man Gibson ein Comeback-Vehikel auf den Leib schneidern, das seine Skandale der letzten Jahre frontal angreift. Das beginnt schon in seiner ersten Szene: die Kamera fängt Gibson in einer Nahaufnahme ein, während wir den Eindruck kriegen, er wäre auf einer ihm zu Ehren stattfindenden Geburtstagsfeier. Doch im nächsten Satz stellt er sich denjenigen vor, die ihn noch nicht kennen, der Zuschauer merkt: hier stimmt irgendwas nicht. Und so fährt die Kamera langsam zurück, während Gibson/John von seinen Alkohol- und Drogeneskapaden erzählt, von seinen Gefängnisaufenthalten, bis wir erkennen: wir sind bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker.
Trailer zu Blood Father
In dieser Art geht es den Film über weiter, Gibsons Charakter wird immer wieder gezwungen, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Am Deutlichsten dürfte der Bezug zu Gibsons Privatleben wohl werden, wenn er sich seiner alten Vaterfigur, dem von Michael Parks gespielten Preacher, gegenübersieht, die in einem runtergekommenen, mit Nazi Devotionalien geschmückten Domizil lebt. Die Parallelen zu dem Verschwörungstheoretiker Hutton Gibson, von dem Mel seine erzkatholische Ader und die Vorliebe für Verschwörungstheorien geerbt hat, springen ins Auge. Da verwundert es nicht, wenn sich Gibson in seinem Comeback-Film seinem Vater nicht nur stellt, sondern sich dessen auch noch entledigt. Später darf Filmtochter Lydia dann noch Gibsons Glauben und Rassismus der Lächerlichkeit preisgeben, lauter hat wohl in letzter Zeit keiner in Hollywood um Vergebung gerufen...
Unter der Regie des Franzosen Jean-Francoise Richet entgeht „Blood Father“ auch der Gefahr, sich in simplen Pro-USA und Anti-Mexiko Eskapaden zu verlieren. Richet lässt uns auf das Laufband einer Supermarktkasse starren, über die Munitionspackung an Munitionspackung an Munitionspackung laufen. Diese kann die minderjährige Lydia auch problemlos kaufen, aber eine Schachtel Kippen? Sorry, Kleine, da muss die Kassiererin deinen Ausweis sehen. Mit trocken-lakonischem Humor zeichnet der Franzose ein Bild der USA, dass die unangenehmeren Untertöne der Geschichte verpuffen lässt. Richets Film lässt sich am Besten als ruhig und zurückhaltend beschreiben, im Vordergrund stehen weniger Feuergefechte und Thrills, die flotte Laufzeit von nichtmal ganz 90 Minuten konzentriert sich auf John und Lydia. Insofern stellt „Blood Father“ auch einen angenehmen Kontrast zu den ganzen „Taken“-Ablegern, in denen die Frau, meistens die Tochter, Mittel zum Zweck ist, um den Helden guten Gewissens möglichst viele gesichtslose Ausländer abknallen zu lassen. Erin Moriarty darf mit Lydia ausnahmsweise einen richtigen Charakter spielen, mit eigenen Problemen und einem ordentlichen Sinn für Humor. Dabei fällt vor allem auf, wie viel Chemie Gibson und Moriarty haben, man will ihnen Vater und Tochter um jeden Preis abnehmen.
Leider passt die Kameraarbeit nicht ganz zum entschleunigten Rest des Films. Richet und sein Kamermann Robert Gantz setzen auf Handkameraästhetik, was in den hektischeren Szenen durchaus Sinn ergibt, während das Wackeln der Kamera gerade in ruhigeren Szenen eher nervt. Das mag Konzept sein, darauf lässt Richets sonst relativ durchdachte Bildsprache zumindest schließen, stört den Gesamteindruck jedoch eher.
„Blood Father“ ist ein recht interessantes Kleinod, mit dem Mel Gibson einen kleinen Seelenstriptease hinlegt. Ein unaufgeregter kleiner Film, dem man eine Chance geben sollte