Bewertung: 4 / 5
Steven Spielbergs "To Kill a Mockingbird".
"Bridge of Spies" ist ein Film, der als 2010er-Werk stilistisch seinem 50er-Setting gleich wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Spielberg erzählt, wie von ihm gewohnt und basierend auf einem Drehbuch mitgeschrieben von den Coen-Brüdern, eine klassische und Charakter-fokussierte Geschichte mit hochwertiger Cinematographie, was sich heutzutage nur noch selten finden lässt.
Trailer zu Bridge of Spies - Der Unterhändler
Nichtsdestotrotz könnte "Bridge of Spies" inhaltlich aktueller und brisanter kaum sein. Die USA wird hier als Gesellschaft gezeichnet, in der (medieninduzierte) Paranoia, politisch-ideologische Verfestigungen und Xenophobie überhand nehmen, Spielberg stellt die Frage, was wahre US-Amerikaner und wahre US-amerikanische Werte noch wert sind, wenn Nationalismus über Recht, Moral und Menschlichkeit gestellt wird.
"Bridge of Spies" spielt im Jahr 1957, Spielberg blickt also auf eine Zeit zurück, in der der Welt und insbesondere der USA die schwierigsten und schlimmsten Phasen des Kalten Krieges (Ausnahme: der Koreakrieg) noch bevor stehen. Explizit wird hier der Mauerbau in Berlin thematisiert. Auf die heutige Zeit übertragen, kommt der Film abseits einer doppelbödigen Anklage (Gerichtsdrama) daher auch einer Warnung und einer dunklen Prophezeihung gleich. "Bridge of Spies" erschien 2015, mittlerweile haben wir das Jahr 2019 und die Prophezeihung droht, sich schrittweise zu bewahrheiten.
Wenn man es so ausdrücken möchte, könnte man "Bridge of Spies" als Spielbergs "To Kill a Mockingbird" bezeichnen, ein Plädoyer für Freiheit und Humanismus, dezent aufgelockert durch Coen´sche Situations- und Dialogkomik und wohlgemerkt sentimentalisiert durch den Soundtrack von Thomas Newman.