Bewertung: 3.5 / 5
Den Namen Malgoska Szumowska sollte man sich merken. Zum einen, weil die polnische Regisseurin bereits in ihrem dritten Film mit einer Größe wie Juliette Binoche arbeiten darf. Zum anderen, weil ihr Name wohl irgendwann für expressive Filme um Geschlechterfragen stehen wird: Das bessere Leben ist ein radikaler Frauenfilm, in dem sich die Regisseurin und ihre Co-Autorin Tine Byrckel weit aus dem Fenster lehnen, um zum inzwischen oft abgehandelten Thema Prostitution neue Fragen zu stellen, die wenig mit Moral zu tun haben.
Binoche spielt eine verheiratete Frau. Anne lebt im Luxus, ist eine erfolgreiche Journalistin. Gleich zu Beginn wird ihr Leben klar umrissen: Sie war die ganze Nacht auf, sitzt noch immer am Laptop, da erscheint ihr fast erwachsener Sohn im Türrahmen und beschwert sich über das Fehlen irgendwelcher Cornflakes.
Sie bringt die Morgenroutine hinter sich und man merkt, Glück sieht anders aus. Verzweifelt knetet sie die Sofakissen, versucht die äußere Ordnung herzustellen. Doch man kann ihr ansehen, das Leben ihrer Familie läuft an ihr vorbei. Es braucht nur einen Fingerschnipp, bis sie konkreter nachdenkt.
Es sind die beiden Studentinnen Alicja (Joanna Kulig) und Charlotte (Anaïs Demoustier), die die Perspektive der berufstätigen Ehefrau und Mutter ändern. Zwei aufgeräumte, zielorientierte Mädchen, die als Prostituierte arbeiten, jenseits des Klischees der aufgekratzten Vamps oder des traurigen Bilds der eingeschleppten Zwangsprostituierten.
Ob ihr Job gefährlich ist? Mit dem eigenen Freund sei es gefährlicher, meinen die Dirnen. Solche Antworten sind nur der Anfang in diesem spannenden Langzeitinterview und haben Kraft genug, peu à peu das Leben der erwachsenen Frau in Frage zu stellen. Oder darüber nachzudenken: Wie viel Prostitutierte steckt in mir? Und wie lange will man noch den nörgelnden Ehemann ertragen, der sich beschwert, dass die Gattin so komisch geworden ist, seit sie für den Artikel "über die Nutten" recherchiert.
Szumowska hat zwei Ansätze: Das Wesen der Prostitution abklopfen und zudem den Blick auf weibliche Bedürfnisse lenken. Dafür fängt sie Juliette Binoches außergewöhnliche Gabe ein wie es lange kein Regisseur vor ihr tat - und kratzt sie weg von ihrer cremefarbenen Idylle.
Das bessere Leben bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)