Bewertung: 4.5 / 5
Ende des 19. Jahrhunderts tritt der erfahrene Leuchtturmwärter Thomas Wake (Willem Dafoe) und sein Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson) ihre einmonatige Schcht vor der Küste an. Obwohl es feste Reglungen für die Arbeits- und Dienstzeiten der geiden gibt, lässte Wake seinen jüngeren Kollegen nicht zu dem Leuchtsignal an der Spitze des Turmes. Stattdessen geht Winslow niederen Arbeiten nach, wodurch es zu Spannungen zwischen den beiden Männern kommt. Die Einsamkeit und Kälte setzt den beiden zusätzlich zu und sie kompensieren ihr Leid unter anderem durch den Gebrauch von Alkohol. Als zudem ein herrschender Sturm die geplante Abreise verzögert, sind die beiden gezwungen noch länger Zeit miteinander zu verbringen.
Robert Eggers zweiter Langspielfilm ist eines dieser Werke, was man ohne große Umschweife als Kunst bezeichnen kann. Der eigentliche Zeitvertreib während der Produktion zu seinem Debütfilm The Witch, ist ein vor Metaphern, sexuellen Subtexten mythologischen Veweisen nur so strotzendes Werk, daß es fast schon Paradox ist. Paradox in dem Sinne, daß die Symbolik zwar deutlich wird, aber sich subtil in die Netzhäute und Trommelfelle seiner Zuschauer brennt. Eggers inszeniert dieses Kammerspiel mit einer Konzentration und einem unglaublichen Verständnis für Stilistik, daß es einem fast den Atem verschlägt. So werden Szenen immer im richtigen Moment geschnitten, aber auch die Übergänge und Lichtgebungen präsentieren die Figuren in diesem Film nicht nur als reine Akteure in einem Konstrukt, sondern als Aussagekräftige Gemälde.
Trailer zu Der Leuchtturm
Dabei orieniert sich der Regisseur an den Anfängen des Kinos, indem er Szenen bewusst theatralisch zur Schau stellt und Charaktere durch seine Kamera wirken lässt. Ob nun die Kamera unter Robert Pattinson steht, oder doch direkt frontal auf ihn gerichtet ist, hat hier einen tieferen Sinn. Denn es erklärt uns die Gemütslage seines Charakters. Ähnlich wie es auch bei Willem Dafoe der Fall ist. Ob diese Helden nun steigen, oder Fallen muss hier nicht dialogisch erklärt werden, sondern ist dem Zuschauer auch in endloser Leere ob der grandiosen Bildsprache bewusst. So meint man zu erkennen, daß Eggers hier bewusst auch den Schatten in den Fokus legt, sobald seine Charaktere im Bild sind. Ein kleiner Schimmer Licht verdeutlicht es und sie Schatten selber, sie verdeutlichen die Macht des Menschen. Der Mensch, der über dem irdischen steht, und gleichzeitig über dem rationalem. Dadurch entfaltet sich natürlich auch der Wahn der Charaktere, den sie hier nach und nach auch ausleben können.
Dafür hätte man sich auch vermutlich keine besseren Schauspieler suchen können, als Willem Dafoe und Robert Pattinson. Das Dafoe ja so ziemlich alles Spielen kann, was irgendwie ein Gesicht hat, hat er in den letzten Jahren mehr als deutlich bewiesen. Sowohl Filme wie Platoon, Spider-Man, aber auch Werke wie Das Schicksal ist ein mieser Verräter oder Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit zeigen, daß Dafoe einer der besten Schauspieler seiner Generation ist. Und auch in Der Leuchtturm kann der US-Amerkaner zeigen, was für ein Talent in ihm steckt. Das Drehbuch gibt seinen Darstellern dazu auch die Möglichkeit möglichst viele Facetten des Menschseins zu präsentieren, wodurch sich ein derartiges Wechselbad der Gefühle in den Charakteren eröffnet, welche Dafoe sowohl in Sachen Mimik und Gestik, aber auch durch seine Dialoge mit Leichtigkeit ausfüllen und abrufen kann. Dem Gegenüber steht mit Pattinson ein Darsteller, dessen Karriere von so mancher Kritik in dem ein oder anderem Teenie-Vampir-Möchtegern-Gedöns mündet. Doch spätestens mit diesem Film zeigt auch er, daß eben viel mehr in ihm steckt, als lustlos leichenblasse Albträume zu verkörpern.
Dies funktioniert nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil Robert Eggers seinen Darstelelrn auch den Raum gibt, diese Charaktere zu beleben und sich gegenseitig unsagbar starke Dialoge zuzuwerfen. Hier merkt man dem Regisseur seinen Theaterhintergrund wahrlich an, denn das Kamemrspiel entpuppt sich ob seiner aussichtslosen Lage als wahrliche Folter für die Portagonisten, die hierbei letztlich auch ein klassische Beziehung zur Schau stellen. Zwar ist der homoerotische Subtext im Zusammenhang mit Einsamkeit und gerade auch mit dem Seemannsleben nichts wirklich neues, wird aber in diesem Fall auch von seinen grandiosen Schauspielern mit Leichtigkeit und subtilem Witz transportiert.
Und gerade wenn man das Gefühl bekommt, man könne sich zurücklehen und den Film walten lassen, so belehrt der Regisseur seinen Zuschauer wieder einmal eines besseren, indem er ihm unmittelbar verstädnlich macht, daß er nicht abschalten darf. Ironischerweise werden die Kernelemente der Handlung, bzw. die unerwartete Wendung im Geschehen im benebelten Zustand fast beiläufig zu Tage gefördert. Auch hier schafft der Regisseur es durch das Aufrechterhalten einer Verbindung zwischen den Protagonisten eine Nähe untereinander und eine weitere Ambivalenz für den Zuschauer zu kreieren. Dabei bemerken wir auch unmittelbar, wie langsam aber stetig die beiden Charaktere psychisch mehr und mehr versinken. Es ist die Situation, es ist die Vergangenheit, es sind so viele kleine Nuacen, die sich hier breit machen und in einer unweigerlichen Katharsis münden.
Etwas Juvenil kommen die Phallussymbole und Klischee-Triebe eines "Mannes auf See" zwar durchaus auch daher, werden aber auch durch mythologische Verweise, wieder aufgefangen. Manches ist vielleicht auch ein wenig weit hergeholt und spielt ganz klar auch mit dem Bedürfnis Kunst sein zu wollen, was aber hier in diesem Fall mehr als verzeihbar ist, weil das Gesamtbild stimmig ist.
Phantastische Bilder, die von phantastischen schauspielerischen Leitungen getragen werden, machen Der Leuchtturm zu einem der spannendsten Filme der letzten Jahre. Analytisch kann man sich in fast jeder Szene verlieren, während man sich langsam aber sicher etwas zu sehr in die Köpfe der Einsamkeit begibt.